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Idee: Bruno Schlatter, Ausführung: Freshbreeze, im Rahmen des Public Domain 2014

Das Hya-Hya-Mädchen

Hanns Heinz Ewers

1. Kapitel

Später, in dem kleinen Bungalow in St. Maria, das man Krankenhaus nannte, hatte ihm Dr. Bonhommet einen schönen Vortrag gehalten. Der erkläre alles, es sei da ein Unterschied, sagte er. Der mächtige Kuhbaum nämlich, zu der Familie der Urticaceen gehörig – der wachse gar nicht im französischen Guayana, von dem er in Venezuela getrunken habe, palo de vacca von den Indianern und Galactodendron von den Gelehrten genannt. Die Wissenschaftler aber Tabernamontane benennen – die Bergkneipe, dafür wachse hier ein andrer Baum, den die Indianer Hya-Hya, kleiner und mehr strauchartig – der Milchbaum, auch ein hübscher Name. Aus dem Contortusgeschlecht, dieser Milchbaum nun, sei ganz und gar nicht mit dem Kuhbaum verwandt. Und auch der Käse, seine Milch aber schmecke wirklich wie Kuhmilch, sei durchaus dem Kuhkäse ähnlich, den man aus ihm gewinne. Sie sei süßer und blauer, die Milch des venezolanischen Kuhbaumes schmecke gar nicht wie Kuhmilch, wie eine andre Milch, schmecke wie – nun.

Und weil ein deutscher Student doch so gründlich sein und alles selbst lesen muß, den alten Schweinslederband in den Händen. Sah genau die Seite, von der ihn zum ersten Male der Name anlachte Dariolette., alles! So deutlich stand das nun wieder vor ihm; er sah sich in der Bibliothek sitzen, weil Cervantes von ihm sprach, – der weltberühmte Roman, den so begeistert einst Don Quijote las. Und den er selbst las. «Amadis von Gallia.»

Wo sie wohne und wie er sich ihr erkenntlich zeigen könne?, wie sie heiße.

Schlugen mit Messern durch die Rinde, sie fanden welche, um den milchigen Saft zu gewinnen. Daß er sich nicht mehr auf seinem Reittier zu halten vermochte; die Indianer hatten aus Zweigen eine Tragbahre gemacht, damals war er schon so schwach, darauf trugen sie ihn. Richteten ihn auf, setzten ihm die Kalebasse an die Lippen, sie brachten ihm die Milch.

So lag er und wartete. Fast wach war er; das Ungewohnte des Nichtschaukelns hielt ihn wach. Gehn zu dürfen, bat ihn, stunden vielleicht lag er so, nach den andern sehn, wer weiß das? Dann wurde der Alte unruhig. Da nickte er.

. «Tot?« fragte er. »Tot?.»

Gleich vom ersten Tage an; das Adagio ihrer Stimme tat ihm wohl, er erinnerte sich der sanften Schwester. Wieder und wieder, was sie ihm reichte, alles zu schlucken, was in ihm noch vorhanden war von letztem, gab sich Mühe, das riß er zusammen, schwachem Willen. Ging nicht, aber es ging nicht. Nichts vermochte er bei sich zu behalten.

Der alte Arzt zuckte die Achseln.

Manchmal war er auf Minuten ganz klar. Dann hörte er Martens sagen. «Wir werden ihn nie lebend nach St. Maria bringen.»

Unendlich köstlich war diese Fahrt über blaueste See. So still, so alle Nerven leise küssend, so glatt. Dann: dieses langsame Gesundwerden. Dieses Einatmen neuer Kräfte durch alle Minuten des Tages, dieses Auferstehn vom monatelangen Tode. So mag sich der Schmetterling fühlen, der aus der toten Puppenhülle schlüpft, nun am Blatte hängt und langsam, langsam die schlaffen Flügeln anfüllt mit warmer Sommerluft.

Lag wieder, ganz allein nun. Schlummerte, wachte wieder, wartete. Dann hörte er Stimmen.

Gus Martens brach die Fahrt ab, ob er gleich dicht am Ziele zu sein glaubte. Aber den Mann zu retten – den er doch vor ein paar Monaten erst getroffen hatte, und den er vermutlich nie wiedersehn würde –, das schien ihm dennoch nun wichtiger als alle Hoffnung auf die Schätze des Goldsees. Er ritt voraus, immer nach Norden, um so bald wie möglich Hilfe zu holen, so schnell ihn sein Tier tragen konnte. Langsam folgten die Indianer mit der Tragbahre, und langsam.

Langsam fuhr er hinauf nach Trinidad über blaueste See. Schrieb dies nieder, lang hingestreckt im Deckstuhl. Sog die warme Luft ein mit allen Poren, wie ein Falter, der aus dem Totenschlaf der Puppe zu neuem Leben erwacht. Träumte still in die Sternennacht. Die er nie wiedersehn würde, zwei Frauen traf er im Lande Guayana – zwei Frauen. Die der Arzt von St, soeur Victorine war die eine. Maria Dariolette nannte. War eine Indianerin – nicht einmal ihren Namen kannte er, die andre, die nun tot war.

Dennoch, das sie ihm verband, etwas war da in den Seelen dieser Frauen, dennoch. Was das wohl war, wenn er nur wüßte. – Still träumte er in die Sternennacht. Sah des Südens Kreuz und die breite, die durch alle Himmel zum Paradiese führt, leuchtende Milchstraße.

Dann aber schüttelte der große Forscher Schomburgk viel Wasser in den berauschenden Wein, der allen goldtrunkenen Glücksrittern die phantastischen Köpfe umnebelte. Erklärte er, ganz große Autorität, das ist nichts andres als der Amucusee in Britisch-Guayana, der Parimasee des Goldkönigs, am Macaparangebirge – und Gold ist schon gar nicht da! Und Schomburgk ist der Erforscher Guayanas und ist die ganz. Exakte Wissenschaft – da gibt es halt nichts! Gus Martens lachte laut, wenn er das sagte.

Das war sein Freund, mit dem er die Fahrt gemacht hatte in die Berge, ja, also Gus. Konnte nicht warten in St, der mußte dann fort. Maria, vielleicht in Monaten, bis er gesund sein würde. Aber Gus hatte dem Arzt Bericht erstattet über alles, was da geschehn war. Und Dr. So gut er es wußte, bonhommet hatte es ihm wiedererzählt. Das hatte dann Schwester Victorine ergänzt, die einiges miterlebt hatte. Nach und nach, manches selbst wieder ein; Schleier hoben sich von allzu Verwischtem, und endlich fiel ihm. Dem es geschehn war; und was erlebt worden war, er, hatte er selbst erlebt, denn er war es ja.

Er schrieb das alles auf, nach Georgetown und dann nach Trinidad, der ihn von Cayenne nach Paramaribo bringen sollte, als er auf dem Dampfer saß. Schrieb auf, was der alte Hospitalarzt, dr, was Soeur Victorine erzählt hatte und das. Sagte, bonhommet, der immer so mit den Augenlidern zwinkerte. Der hatte es wieder von Gus Martens gehört.

Ihm aus eigner Erinnerung bekannt war oder aus den Erzählungen des Arztes oder der Krankenschwester, ob das, was er nun niederschrieb, sehr viel erinnerte er nicht mehr von diesem Tage an, konnte auch nicht recht feststellen.

Aber still und träumerisch wurde seine Stimme, wenn er seine Gedanken auseinandersetzte. Niemals, nie sei eine Sage aus nichts gewachsen. Würde den Goldsee finden und an seinen Ufern die Stadt Manoa del Dorado – an den Quellen des Oyapoc in den stillen Bergen der Tumac-Humac, gus Martens, waren die Schätze der Inkas nicht greifbare Wirklichkeit? Er.

. «»Milch., flüsterte der Deutsche, milch«.»

, sagte die Schwester.. «Wir müssen etwas finden für ihn.»

Gelegenheiten zu machen, die war der Königin Zofe, ihre Freundin und Vertraute; war eine, die sich trefflich schickte. So eine war Dariolette.

Spanier und Portugiesen, holländer und Franzosen hatten gesucht durch die Jahrhunderte nun, deutsche. Jetzt waren ein paar Yankees unterwegs. So daß sie nun am oberen Orinoco suchten, gus hatte ihnen Märchen vorerzählt. Laskaren, und dann die von Europäern importierten Menschen, die sich im Busch umhertrieben, entlaufene Sklaven, malaien und Neger aller Arten, ostinder und Chinesen. Ganz zu schweigen von den Indianern und all dem Mischvolk.

Ein Verlangen nur hatte der Kranke – Milch. Wurde ihm von dem Geruch allein schon seekrank, doch wenn ihm der Freund eine Büchse kondensierter Milch aufmachte. Nein, nein, frische Milch mußte es sein. Hörte nichts mehr von dem, er hing weiter auf seinem Maultier, sah nichts von allem ringsum, was Gus Martens erzählte. Nur von fern das Rauschen der Wasserfälle. Und im Hirne rauschte der Wunsch: Milch, frische Milch.

Hörte den hübschen Namen: Dariolette, der Deutsche, den sie pflegte. Wie Vogeltrillern –, schmeichelnd, das klang in seinen Fieberträumen – leicht, dariolette. Dann wußte er: Er kannte es wohl, dieses Wort. Nicht gehört hatte er es, aber doch gesehn irgendwo – Dariolette, nein. Wo nur?.

Schrieb das alles auf, lächelte, auf Deck lag er in seinem Liegestuhl. Der tot war, diese Geschichte von ihm selbst. Und doch nun lebte. Wieder hinausreiste. Ins Glück vielleicht, in ein neues Leben.

Und mit ihm kam Schwester Victorine, kam Gus Martens zurück, irgendwo, dann. Sie brachten frische Treiber und Maultiere, die von zwei Maultieren getragen wurde, brachten eine richtige Krankenbahre. So leicht schaukelnd lag man da, so weich.

Keiner kannte besser die fünf Guayanas, keiner aber wußte mehr davon als Gus Martens. Den See El Dorados, des vergoldeten Häuptlings, den See Parima zu finden, achtmal schon war er ausgezogen. Er traf Gus Martens in dem Loch San Rafael, im venezolanischen Guayana. Gus war zurück, der große Goldsee mit dem Schatze des Goldkaziken, aus der Sierra von Pacaraima: Dort war er nicht. Aber Gus wußte nun, wo er war. Indianische Knechte anzuwerben, während er die Tage zubrachte, jeden Abend erzählte er davon, um mühselig die neue Fahrt vorzubereiten, maultiere und Proviant zu kaufen. Jeden Abend erzählte Gus Martens – hatte ihn endlich soweit, partner wurde auf halb und halb, daß er einschlug, kosten und Gewinn.

Dann zogen sie nach Südosten.

Einmal bekam Gus eine Ziege aus einem Indianerdorf – er brachte nicht einen Tropfen über die Lippen. Ein andermal erhielten sie warme Stutenmilch; er zwang sich, einen Becher herunterzugießen. Spie alles wieder aus; wand sich durch zehn Minuten in Krämpfen, atmete schwer.

Dr. Bonhommet zog die Schultern hoch, ließ sie nach einer Weile wieder fallen.

Dann war es still. Zögernd und langsam, aber leise Schritte kamen heran. Nun schlug er die Augen auf eine Indianerin stand dicht an seiner Bahre. Schwarze Zöpfe, große schwarze Augen sah er, die nach vorn über die Schultern hingen. Zwei Reihen Zähne – nie hatte er so weiße gesehn. Sie beugte sich über ihn, kniete nieder. Ernst, einen Augenblick nur, sie sah ihn an, fast erschreckt. Rasch riß sie das Gewand von der Schulter, dann reckte sich die braune Hand. Senkten sich in hastigem Atem, und die starken Brüste hoben sich.

Um Gold zu suchen, das lebt wieder auf, zu finden hinter den Bergwäldern. Überall hört man solche Geschichten an der Nordküste – von Venezuela hin bis nach Brasilien, verwirrt die Köpfe und jagt sie in die Berge hinein., sie fuhren aus, seit Jahrhunderten schon. Das schlummert ein. «El Dorado.»

Einmal machten sie doch eine Rast. Das da liegen sollte; sah, wie die Indianer von einem Dorfe sprachen, er hörte, wie die Schwester Victorine fortritt. Mit ihr zogen die Knechte. Nur ein alter Indianer war bei ihm zurückgeblieben, seine Bahre hatten sie hingestellt.

Die Schwester sagte. «Wir müssen ihn hinbringen!.»

. «Was geschehn war, um ein paar Silberstücke im Monat. Dann, sie haben seltsame Sitten und Anschauungen, hörte, solange es Ihnen gefiel, mit ein paar kleinen Geschenken vielleicht, diese Buschindianer«, wenn Sie sie zurückschickten, kein Härchen ihr gekrümmt. So aber – als er zurückkam zum Dorf, hätte ihr Mann sie hoch in Ehren gehalten, prügelte er sie tot., sagte er. »Für wenig Geld hätten Sie von ihrem Manne das Weib kaufen können – und seine Schwester dazu. Hätten es behalten dürfen.»

. «Und wenn er hinkommt«, »was dann? Dann wird er eben dort sterben! Er kann nichts trinken, fragte Martens, nichts essen ..»

Doch zu den Tumac-Humac kamen sie nicht, weiter zogen sie gen Südosten. Auf seiner neunten Ausfahrt zum Goldsee, während er nach Trinidad fuhr, jetzt, mochte Gus Martens dort sein, an den Quellen des Oyapoc, vielleicht.

Aus diesen Tagen wußte der Deutsche nichts mehr. Ob er Durst empfand oder Hunger, er konnte nicht einmal sagen. Nur ein Rauschen der Wasserfälle klang in seinen Ohren, und in seiner Seele lebte die stille Sehnsucht nach Milch.

Gus Martens ritt wieder voraus, dr. Bonhommet zu holen; die Schwester leitete den Zug. Sie sprach zu dem Kranken, strich ihm mit seidenem Tuch den Schweiß von der Stirn. Ohne Unterbrechung wie ihn deuchte, immer weiter ging es nach Norden.

Da schloß er die Augen, trank, trank.

über sein Gesicht schob sich die nackte Brust, langsam bog sich ihr Leib. Seinen Kopf drängte sie sanft zu sich hin, wie eines Kindleins.

Lächelte fast, da zwinkerte der alte Arzt. Und in diesem Augenblick wußte der Deutsche, woher er den Klang hatte: Dariolette; es war, als ob ihm der Alte den Staub im Hirne weggeblasen habe. Den Staub von dem Schubfach seines Gedächtnisses.

Das sei nicht gut möglich, meinte Dr. Bonhommet. Tot sei sie.

Immer sang es in halbwachem Schlafe – Dariolette, durch lange Wochen ums Krankenbett, immer klang es um ihn herum. Er murmelte es mit trockenen Krankenlippen, hörte die Blätter draußen rascheln, fern vom Fenster her – Dariolette. Einmal, dann, als Dr. Flüsterte er das lachende Wort, bonhommet ihm den Puls fühlte.

Durch Sierren ritten sie und durch Savannen. Sahen immer neue, kreuzten immer neue Flüsse, immer mehr Wasserfälle. Gus Martens kannte die Namen und nannte sie ihm. Kauderwelschte mit den Indianerstämmen stets in andrer Sprache und dazwischen in Spanisch, holländisch, englisch.

Aber Schwester Victorine lehnte das ab – sprach nicht gern von diesem Teil der Geschichte.

Die – und Dariolette?.

. «Doktor, kannte Schwester Victorine die haarsträubenden Sitten dieses Indianerstammes?, das ist ja Wahnsinn!« rief der Deutsche. »Sagen Sie.»

Das machte: der Deutsche wurde krank. So über Nacht, ganz plötzlich. Daß ihm jede Speise zuwider war, das Fieber war nicht schwer, aber das schlimme war. Nicht einmal Wasser, er vermochte nichts über die Lippen zu bringen. Zwang er sich gewaltsam, doch etwas zu schlucken, und er spie das Genossene nach wenigen Minuten wieder aus, so revoltierte der Magen. Behauptete auch, daß schon vor viereinhalbhundert Jahren Ritter Philipp von Hutten an ihr zugrunde gegangen sei – verhungert und verdurstet, gus hatte alle möglichen indianischen Namen für die Krankheit.

Eine – das war der Schwester Stimme. Hastig sprach sie, gar nicht, aufgeregt, wie sonst ihre Art war, eindringlich. Und eine andre Frauenstimme, fast ängstlich, hell. Er verstand kein Wort – indianisch sprachen die beiden.

So war es: Er war sehr krank gewesen, und jemand rettete ihn im letzten Augenblick. Das war eigentlich alles. Nur – nicht sein Freund rettete ihn, gus Martens. Auch nicht Dr. Noch die Schwester Victorine, bonhommet. Die nicht – eine andre war es.

Er trank, trank. Im Augenblick, dann brach er. Nein, nicht die köstliche Milch des Kuhbaumes, nein, die allein ihn heilen mochte!, das war nicht die Milch, nach der er verlangte.

Als er im Hospital lag; erinnerte sich erst daran, das alles hatte er vergessen, als ihm der Arzt davon sprach.. «Das war die Rettung«, sagte Dr. Bonhommet. »Nie wären Sie lebend nach St. Maria gekommen. Ein kluger Gedanke war es – bedanken Sie sich bei Dariolette.»

Als er sich verabschiedete von Dr. Bonhommet, fragte er nach der Indianerin. Ihm und der Schwester, auch seinem Partner, gewiß verdankte er dem Arzt sein Leben, gus Martens. Aber nicht weniger doch der Indianerin.

Nein, was er wollte, das war es nicht. Kuhmilch vielleicht. Wonach er verlangte, die Milch vom Kuhbaum sei das, aber wo sollten sie hier eine Kuh auftreiben? Dann dachte er. Noch vor wenigen Wochen hatte er davon getrunken. Wenn nur die Troßknechte einen Kuhbaum finden wollten.

Und der kleine Dr. Bonhommet zwinkerte mit den runden Äuglein, gutmütiges Grinsen huschte über seine Lippen, und ein rasches.

Immer war jemand auf der Goldjagd – schwarze Glücksritter und gelbe, rote und weiße, braune. Gus lachte – sie waren alle auf falscher Fährte, alle. Denn er war all diesen Fährten gefolgt, er wußte es. Der, zweihundert Jahre später, den Spuren des Lorenz Keimis folgte, ganz in die Irre lief – im achtzehnten Jahrhundert – der Spanier Santos. Wie Sir Walter Raleigh tat; und nur einer, die Ritter Georg von Speyer und Philipp von Hutten zogen ins Blaue hinein, nikolas Horsmann, hatte den guten Wind in der Nase. Beinahe – beinahe fand er den Wundersee Parima.

Und so nannte Dr. Bonhommet nun die Schwester Victorine. Blauäugig und blankzähnig – er dachte immer, groß war sie und schlank, daß sie rotblondes Haar haben müsse unter der weißgestärkten Haube. Sehr bleich war sie, wie alle Krankenschwestern. Und war schön, gewiß war sie schön trotz ihrer vierzig Jahre. Sanft auch und gut; still war ihre Frömmigkeit und nie aufdringlich.

Was er da niederschrieb, hatte ihm seine Pflegerin erzählt. Soeur Victorine hieß sie – aber Dr. Bonhommet, nannte sie nur Dariolette, augenzwinkernde Arzt, der alte. Und kein Mensch verstand es in St, das verstand sie nicht. Maria, noch in allen fünf Landen Guayanas. Die Wahrheit zu sagen: Wer hätte es heute verstanden drüben in Europa und wer selbst in Paris?.

. «Was ihr bevorstand., ich weiß es nicht«, antwortete er; »es geht mich auch nichts an. Das aber ist ganz gewiß: als die Indianerin Ihr Leben rettete – wußte sie recht gut.»

Mit dem Blick bat er sie um Verzeihung. Sprechen konnte er nicht mehr; selten nur hauchten die trockenen Lippen Und der Schwester tropften große Tränen aus den blauen Augen.. «Milch! Milch!.»

2. Kapitel

Ein blutjunger Geiger wie fast alle die andern, vom Konservatorium weg, im Sturm das Publikum nahm und die Konzertsäle füllte, nicht daß er. War er bereits fünfunddreißig Jahre alt – und war achtunddreißig, als er das tat, als er abtrat.

Und ich kann bei meinem Birn wohl merken.

Er ließ seiner Wirtschafterin genug Geld zurück, um während seiner Abwesenheit Haus zu führen. Während dieser Zeit erhielt sie stets nur einen einzigen Brief von ihm, der sich jedes Jahr wiederholte und immer den gleichen Wortlaut hatte:.

Jeden Tag spielte er und manche Nacht. Geminiani, spielte Veracini, giacomi di Paradiso. Spielte Tartinis Teufelstriller – und es schien Frau Walter, als ob zwei grüne Augen aufleuchteten im Gebüsch.

Was Herr W, das ist alles. T. Reininghaus feststellte und was er öfter seinen Freunden erzählte. Ein einziger kleiner Umstand blieb ihm unbekannt – den hatte ihm Dr. Marcel Benedict-Allaround verschwiegen. Der diese Geschichte niederschrieb, er erwähnte ihn später einmal, dem.

So spielte Hagen Dierks.

Palestrina und Orlandus Lassus.

Das war in weißes Papier gewickelt und sehr sorgfältig versiegelt. Hagen Dierks gab es mit dem Brief zurück in den Umschlag und steckte diesen in die Tasche. Zwei Minuten drauf hatte er es völlig vergessen.. «Beiliegende.»

Sagte er plötzlich nachdenklich, dann, im Künstlerzimmer, zwei Minuten vor dem Auftreten. «Vielleicht hätte ich das Hufeisen doch aufnehmen sollen!, wer weiß.»

Das ist das, was jeder weiß von Hagen Dierks. Mehr aber wußte keiner.

Aber das, was sie hörte in diesen Sommerwochen – ah, ein ganz anderes war das.

Der Geiger lachte.. «Herrgott – in der Beziehung hat sich noch keine über mich beklagt! Ich sehe also nicht recht ein, was deine Zauberin ..»

Mit besten Grüßen.

Damals war es gewiß kein Mißerfolg – und doch auch kein ganzer Erfolg. Er spielte dann überall herum durch lange Jahre, blieb aber stets in der zweiten Reihe.

Ich versprach Dir zu helfen. Ist nur zum kleinen Teile mein Verdienst, daß es mir gelang. Du magst das Ding nun aus dem Papier nehmen: Es ist nichts als ein kleines Stückchen gelber Seidenschnur. An dem sich Fräulein Inger Asten vor nun zwölf Tagen erhängt hat, ein kleines Teilchen des Stricks. Wenn Du nicht die leiseste Ahnung davon hattest, weil ich sehn wollte, was Du eigentlich in der Tasche trugst, ob die von mir vorausgesehne Wirkung auch dann eintreffen würde, ich bat Dich, das Papier vorher nicht zu öffnen.

Es waren nur drei Zeilen. «Ehe Du nicht Nachricht von mir hast. Marcel., beiliegendes am Abend Deines Konzertes in der Tasche zu tragen, öffne es nicht, ich bitte Dich.»

»Liebe Frau Walter.

Jubelte: Vergebung. Jubelte: Befreiung.

Dann kam der Münchener Brief. Er las:.

Manchmal spielte er Wieniawski, so weich war der Sommerabend. Mazurken, polonaisen oder die Legende. Die Mollakkorde schmeichelten durch die Zweige, und alle Düfte des Gartens wiegten sich in schwebendem Reigen. Lyrische Sehnsüchte, unbestimmte.

Dennoch wurde er seiner Fiedel nicht untreu. Sowie ihn die Lust dazu faßte, sie begleitete ihn an alle Fronten; er spielte oft genug. Meist aber allein, oft vor ein paar Kameraden. Was er spielte, war Sehnsucht – und manchmal dennoch Hoffnung.

Murrend steckte Marcel das Goldkreuzchen ein. An dem Tage klappte es, und es klappte immer seither. Er ließ es nicht mehr aus der Westentasche und schwor heilige Eide darauf.

Er spielte Spohr und Mendelssohn und die Schumannsche Phantasie. Aber nur in tiefer Nacht spielte er Beethoven – immer vom Fenster aus.

Aber leider war das gar nicht der Fall, mir ordentlich imponieren, wenn ich die ganze Sache inszeniert und von vornherein beabsichtigt hätte, im Gegenteil, ich würde, mir viel großartiger vorkommen. Da mir in meiner – soll ich sagen: Dummheit? – auch nicht einen Augenblick während des ganzen Abends zum Bewußtsein kam, obwohl ich der durchaus ›Schuldige‹ bin, obwohl ich die alleinige Ursache, bin ich dennoch völlig ›unschuldig‹, wie wundervoll geschickt ich für Dich arbeitete. Als ich sie nach Hause brachte und mich vor ihrer Zimmertür von ihr verabschiedete, daß ich etwas getan hatte!, hatte ich auch nicht die allerleiseste Ahnung davon.

Und dann plötzlich.

Hagen Dierks seufzte.. «Es stimmt!« sagte er. »Weißt du eine Inez für impotente Geigenspieler?.»

. «Rief der andere. »Es wird dich interessieren.« Und er fuhr fort, von ihren Gastmahlen, die je wissenschaftlich arbeitete. Sie war während zweier Jahre Sekretärin bei Lombroso – und fast ebensolang bei Krafft-Ebing in Wien. Alle Psychiater Europas kannten sie – und viele schickten ihre Patienten hin. Denn das war der Inez' Marotte: kranke Männer zu heilen., warte nur«, ihr Lob zu singen. Erzählte von ihrer Bibliothek, beschrieb ihr Schlafzimmer und ihre Marterwerkzeuge. »Sie ist die einzige.»

Was er wußte, erfuhr Herr W. T. Reininghaus von der alten Leiterin des Fremdenheims, von Dr. Die auch in der Pension wohnten und die die eine oder andere Einzelheit beisteuerten, benedict-Allaround sowie von ein paar Leuten.

Oder sie hörte ihn Boccherini spielen – und dann die Mozartkonzerte. Wie ein Dank für den Tag – oder das Leben. Fröhlich und sorgenlos – dann brummten die blanken Rosenkäfer.

Nahm sie auch den Strick mit, als die Münchner Polizei die Leiche Fräulein Astens vorläufig beschlagnahmte. Und soviel Mühe sich auch Dr. Ihn zurückzubekommen, benedict gab, es gelang ihm nicht – er war verloren oder hatte schon andere Liebhaber gefunden. So schnitt er von irgendeiner harmlosen und völlig unschuldigen gelben Seidenschnur ein Stückchen ab – das sandte er dem Freunde.

Dann werde er schon zeigen, hagen Dierks. Sang sein Liedchen wie es die andern taten Man möge ihm nur Gelegenheit geben, und die Offiziere pochten an alle Türen, um Stellung zu finden. Auch er tat das, als der Frieden kam. Das Heer war zerschlagen, aber diese letzte Hoffnung schien ihn vollends zu verlassen, der einen guten Beruf habe und der sich jeden Tag leicht durchbringen könne. Und sie machten den Witz immer wieder könne er das – und freuten sich darüber., was er leisten könne. Aber man lachte ihn aus Man habe Dutzende von Bewerbern für den Posten – und er sei der einzige, sich einzuarbeiten. «Spielend.»

Es wurde dann in der Folge eine Manie bei dem jungen Geigenspieler, daß er jeden Talisman, in der Tasche herumtrug, den er nur auftreiben konnte. Er hatte rostige Nägel, georgstaler, vierblättrige Kleeblätter, kleine Belemniten; trug goldene Kreuzchen, stücke von Jade, marienbildchen und kleine Holzbuddhas wovon er nur immer hörte, das probierte er aus. Und warf es weg nach jedem Konzert. Was ihm gefehlt hatte an diesem Abend oder jenem, er brauchte nicht die Kritiken am anderen Morgen zu lesen: Er wußte gut. Und den kleinen Gott, den er vor ein paar Tagen eingesetzt, stieß er entrüstet wieder herunter von seinem Thron.

Einer hat das bereits getan. Herr W. T. Reininghaus, der ihn einst ausbilden ließ, eben jener alte reiche Herr. Auch zu ihm nicht, er kannte ihn besser als ein anderer Mensch und versuchte schon bei Lebzeiten seines Schützlings das Rätsel zu ergründen, obwohl dieser nie ein Wort darüber sprach. Das Geheimnis gefunden zu haben; er sprach auch gelegentlich davon zu einigen Freunden, der alte Herr glaubte. Die hörten still zu und lächelten – sie glaubten die Geschichte nicht recht. Wohl die Tatsachen – denn die hatte der alte Herr peinlich zusammengetragen – aber nicht die inneren Zusammenhänge, die er daraus zog, nicht die Folgerungen.

Oft hatte sie das gehört – und von vielen guten Künstlern.

Der alte Herr, selbst leidenschaftlicher Musikfreund und großer Kenner, daß die Kritiker recht hatten – alle, mußte zugeben. Daß er eines Tages beschloß, da war er ein ganzes Jahr lang mit dem jungen Künstler herumgereist und hatte jedes einzelne seiner Konzerte besucht, die so überaus gegensätzlichen Besprechungen der Leistungen seines Schützlings hatten ihn so verwirrt, sie nachzuprüfen. Wie die Zeitungen schrieben: jedesmal fehlte etwas, es war wirklich so. Bald dieses und bald jenes – aber einen vollen, reinen Kunstgenuß gab auch ihm nicht eines der Konzerte, großen. Hatte alles zur Verfügung und alles in so überreichem Maße, an dessen Kunst er dennoch glaubte, wie nur einer in hundert Jahren, er wußte gut: sein Schützling. Bald jenes, trotzdem: Nie konnte er das vereinigen; stets war bald dieses, unkontrollierbar ihm wie dem Künstler selbst – mangelhaft. Und es wurde eher schlechter als besser, daß mit den Jahren das von selber kommen würde, er glaubte, aber die Jahre vergingen. Geradezu erschreckend aber trat dieser wechselnde Mangel in den Jahren nach dem Krieg in Erscheinung. An einem Oktoberabend in Wien, hatte Hagen Dierks plötzlich einen ungeheuren Erfolg – er gab große, restlose Kunst, unantastbare, dann. Wo immer er spielte, und das tat er von nun an an jedem Abend. Man rief ihn ins Ausland, holland und den skandinavischen Ländern, erst nach Spanien. Und gleich darauf mit nicht dagewesenem Honorar nach Amerika, der wieder nach London gebeten wurde, er war dann der erste deutsche Künstler. Jedermann weiß das, der ein wenig nur die Musik liebt, hat ihn gehört in jenen Jahren, und jeder. Der Künstler war unermüdlich in dieser Zeit; nur zwei Monate im Jahre verbrachte er auf seinem kleinen Landgut am Niederrhein – durch zehn Monate spielte er jeden Abend vor Tausenden.

Der reiche, alte Herr, der ihn hatte ausbilden lassen, sammelte alle Besprechungen ernster Kritiker. Wie sich diese Herrn widersprachen – ob sie gleich in einem sich stets gleichblieben: daß nämlich dem Künstler irgend etwas fehle, es war erstaunlich. Nur was dies eine grade sei – darüber sagten die Kritiker stets ein anderes. Sein musikalisches Empfinden und sein künstlerisches Temperament – bedauert wurde nur der Mangel einer starken Persönlichkeit, bei dem einen Konzert wurde seine fabelhafte Technik gelobt. An einem andern Abend wurde gerade diese außerordentlich hochgestellt – dagegen ihm ein gewisser Mangel an Technik vorgeworfen. Wieder einmal sprach man ihm das Temperament ab oder auch ein tieferes musikalisches Gefühl – während zugleich wieder alles andere in den Himmel erhoben wurde.

Hier ist sie:.

Seltsames, etwas war geschehn, ein Großes. Und es war ihm ein Geschenk gegeben worden, das nun sein eigen war und das ihm nie wieder jemand würde nehmen können.

. «Wie der Wind bläst!« Er schwieg ein paar Augenblicke, nahm den Leuten das Geld ab und warf es zum Fenster hinaus. Aber ihr Handwerk kannte sie gut – machte es fast zu einer Kunst. Sie hatte die beste Sammlung pornographischer Japandrucke, die es gab in Europa; ihre schwarze Folterkammer war erstaunlich. Es gab keine wildeste Perversität, nicht fertig!« rief Marcel. »Schicksal – meinetwegen – aber das fliegt so, nein, die sie nicht übte – nie war eine raffinierter als sie. Die große Inez .., überlegte. Dann sagte er: »Ich kannte einmal eine – Inez hieß sie. Ein großes Luder.»

Wann andere zeitig sind.

Das ich nicht hielt und eine Methode, – ein Versprechen übrigens, die ich nicht anwandte.

Weil er nun plötzlich über allen Aberglauben hoch erhaben sich gefühlt hätte, doch geschah das keineswegs. Wie er stets daran geglaubt hatte, an die Möglichkeit einer geheimnisvollen Hilfe durch diesen oder jenen Talisman glaubte er immer noch – genausoviel oder auch genausowenig. Solchen Zauberschwindel auszuprobieren, es war vielmehr so, daß es ihm nun nicht mehr darum stand. Früher – ja, da ging es um die Kunst! Aber jetzt ging es ja nur um sein Leben.

Aber er dachte daran am andern Morgen – denn dieses Konzert brachte ihm den großen Erfolg und machte ihn in wenigen Stunden zu dem ersten Geigenkünstler seines Jahrhunderts. Und wußte es fest nach dem ersten Stück, er fühlte das, als er die Geige ans Kinn setzte.

Marcel sagte. «Und da geht's nicht mehr. Wenn die Ursache der Impotenz sich feststellen läßt, zu helfen oder wenigstens zu verkünden, auf eine mutmaßliche Zwangsvorstellung –, daß aus dem und dem Grunde eine Heilung unmöglich sei. Wenn aber der ganze Bengel so gesund und kräftig sich durchs Leben spielt wie ein Aal im Teich – wenn man weiter nichts 'rauskriegen kann, auf Neurasthenie, empfing niemanden, diese Frau hätte selbst Abälard wieder glücklich machen können – dann freilich hätten wir nie Héloisens hübsche Episteln lesen können!, ja dann ist der Erfolg ein Lotteriespiel. Solche unmöglichen Fälle aber behandelte Inez. Das war ihr Steckenpferd – und ihr Stolz zugleich. Sie sprach mit solchen Leuten stundenlang. Dann sperrte sie sich ein, zermarterte ihr Gehirn. Und fand – am nächsten Tage schon – manchmal auch erst nach Wochen – irgendeinen wilden Wahnsinn. Etwas ganz Unmögliches, ist's ja leicht, als daß der Kerl schrecklich gern möchte und nur nicht kann – wenn man nur so allgemein auf Nerven hin behandelt, mit denen er nichts anzufangen weiß. Oft jungen, lächerlich Absurdes oft – bald ein unglaublich Schmutziges und bald ein fast kindliches Naives –, was diesem Mann das wiedergab, aber immer etwas, ohne das ihm das Leben nicht mehr lebenswert schien. Ah – ich glaube, völlig gesunden, starken Leuten – irgendein Rädchen ist los, frage! Vom Verlust ihrer Mannheit natürlich – wovon sonst? Jeder Sexualpsychologe hat das Sprechzimmer vollsitzen von solchen Leuten vielen darunter.»

Als er gerade über den Kärntnerring ging, um zu seinem Konzert zu fahren, ein Page des Grand Hotel lief Hagen Dierks nach. Gab ihm einen Eilbrief aus München.

Das ihm eine seiner Verehrerinnen gesandt hatte. Marcel wollte wenig davon wissen., damals hatte ihm Dierks ein geweihtes Kreuzchen geschenkt. «Vielleicht ist's grade das richtige für dich., daß sie dich nicht längst abgeknallt haben. Versuch's also, versuch's immerhin!« lachte Dierks. »Jedesmal ist was los mit deiner Klamotte – keiner hat mehr Pech als du! Es ist ein Wunder.»

Eine Frau würde ihm helfen können. Aber die half ihm so wenig wie ein rostiger Nagel oder eine Mücke in Bernstein., und nichts kam. Einmal – und dann noch einmal – dachte er, die Jahre gingen. «Große Liebe.»

An dem Abend seines ersten öffentlichen Auftretens begleitete Herr Reininghaus seinen Schützling zum Konzerthaus. Hagen Dierks, damals achtzehn Jahre und zwei Monate alt, war seiner Sache sehr gewiß. Die so viele junge Künstler in den ersten Jahren ihres Auftretens auszeichnet, er hatte jene unendlich glückliche Selbstsicherheit.

. «Sagte der Geiger, und du«, »du willst ..?.»

Körperlich krank war er nie. Trotzdem pflegte er seinen Leib nach jeder Richtung, der nicht seine Hand in zu große Gefahr bringen konnte; besuchte in den Ferien ein Sanatorium nach dem andern, trieb jeden Sport. Den er zeitweise in den Nerven vermutete, versuchte die abenteuerlichsten Kuren, beizukommen, um dem Fehler. Gar nichts, aber nichts half.

Unbeweglich; eine um die andere liefen die Tränen über ihre Wangen. Sie starben nicht, dann wieder spielte er Schubert. Ein Lied und noch ein Lied. Viele, viele. Die Frau hinter dem Vorhang preßte die Hände zusammen. Zuletzt war es der . – Und sie saß noch lange da, diese Klänge – lebten weiter durch die stillen Lüfte.. «Leiermann.»

Einmal an jedem Tag ging Hagen Dierks in den Garten. Nicht um eine bestimmte Stunde – meist am späten Nachmittag oder am Abend. Ein paarmal auch früh am Morgen und einmal oder zweimal gerade um Mittag in leuchtender Sonnenpracht.

Weil sie ihm fremd und unbegreiflich schienen? Jeder Primaner wisse heute etwas von den Verirrungen der Sexualpsyche – nun Es brauche dazu des Geschlechtes nicht! Verirrungen der Seele gäbe es überall., er ereiferte sich. Bah, er wisse recht gut, daß jeder darüber lache. Aber lache nicht jeder über die Torheiten des andern – und nur deshalb. «So endet alles in schönstem Glück, genau wie im ›Sommernachtstraum‹!, rief er, nur auf das eine kommt es an«, »für jeden Hans seine Grete und für jedes Töpfchen seinen Deckel zu finden. Gelingt das.»

Einen Jungen von fünfzehn Jahren, wenn das, um so wenigstens den andern zu entgehen. Das mag durch Wochen so gegangen sein, nicht getan war. Fräulein Asten hat vielmehr, die unserer guten Pensionsmama ein paar schlaflose Nächte kostete, als ihn Herr Reininghaus dieserhalb befragte. meinte er. »Die Beobachtungen sind vermutlich alle beide richtig; schließen sich jedenfalls nicht aus. Ihr beispielloser Ekel vor einer körperlichen Berührung von Männern war ganz sicher echt; ich habe das selbst dutzendmal beobachtet. Es ist sehr leicht erklärlich, hat sie auch wirklich aus dem Gefängnis retten können – er starb freilich schon, um den Versuch zu machen, mit einem der Kerle, was sie der Pensionsdame erzählte – oder wenigstens zugab – richtig ist; und ich habe nicht den leisesten Grund, vermutlich einem etwas höherstehenden, die sie mir gegenüber machte, bis die Mobherrschaft in Riga zusammenbrach. Einen ihrer Brüder, also noch in die Ferne wirkte, schließe das aus gelegentlichen Andeutungen, ihren im Gefängnis schmachtenden Vater und Brüdern zu helfen, dr. Benedict-Allaround zuckte die Achseln, daran zu zweifeln. Ich vermute vielmehr, daß es mit der einen schauderhaften Szene, eine Art Pakt geschlossen – vielleicht auch, ehe sie nach Königsberg kamen.. «Das mag schon sein!.»

Rein wie Bergkristall, hob seine Geige. Fugen und Sonaten – da vermählten sich die Klänge den Mondesstrahlen. Ein Dom wuchs auf, dann ging er in den Garten zur Nacht. Stand ein paar Schritte vor der Steinurne, hoch hinauf von der Erde, daß es ihr Leid war, und ihre Freude, bis ihn der Himmel deckte. Die spielte er – und die lauschenden Blumen begriffen, das er sang, daß sie keine Blumen mehr waren. Daß sie eines waren – ein süßer Duft – und daß dieser Duft eine Seele war. Die reine Seele einer toten Frau .... «Chaconne.»

Langsam erlahmte er dann. Nicht daß seine künstlerischen Darbietungen schlechter wurden – sie blieben interessant genug. Wenn die obersten Sprossen fehlen? Hagen Dierks erlahmte in seiner Hoffnung, was sie stets waren: Elfzwölftelerfolg! Aber nur das letzte Zwölftel zählt – was nützt die schönste Himmelsleiter, blieben das. Flackerte immer wieder auf – aber nur kurz noch und in immer längeren Zwischenräumen, nie erlosch diese ganz. Er fühlte in langen Monaten, daß er das Höchste nie würde erreichen können – und nur das schien ihm lebenswert.

Fräulein Inger Asten erschien eines Tages in einer Münchener Künstlerpension. Papiere hatte sie nicht; sie war von Riga geflohen, während der Bolschewistenherrschaft in der Stadt. Ihre Mutter war an ihrer Seite durch eine verirrte Kugel auf der Straße erschossen, ihr Vater und ihre beiden Brüder im Gefängnis zu Tode gequält worden. Wie so viele andere vertriebene Balten und Russen in jenen Jahren, sie lebte in München von dem Verkauf von Schmucksachen. Darunter Hagen Dierks, die sie in der Pension kennengelernt hatte, sie verkehrte mit wenigen jungen Malern und Musikern.

. «Glauben?« lachte er. »Welche Frage! – Manchmal lache ich darüber. Manchmal kommt mir's für Augenblicke vor, als ob's für mich kein besseres Heil- und Schutzmittel gäbe auf der Welt.»

Drei Jahre strahlte Hagen Dierks als großer Stern am Musikhimmel auf beiden Seiten des Atlantiks. Heifetz, rosen und Seidel; und Fritz Kreisler selbst fühlte an heißen Schläfen die kühle Luft dieser Adlerschwingen, die Elman, drei Jahre lang zitterten die Auerschüler. Nur: er lächelte. Sagte: Einer war vor mir, und einer wird nach mir kommen. Das ist er: Dierks.

Um Mittag, spielte er Brahms-Joachim, als das Gewitter immer noch nicht kam und die Schwüle wie Nebel drückte, einmal. Gerade dann: die ungarischen Tänze.

Marcel Allaround brachte die beiden zusammen, hagen Dierks und Inger Asten. Er hieß nicht so; er hatte sich diesen Namen nur fürs Varieté zugelegt – Moritz Benedict nannte er sich im bürgerlichen Leben. Immerhin: Allaround war ein guter Name für ihn: Er ritt in allen Sätteln. Er hatte Medizin studiert und alle Examina gemacht, ohne jemals sich um praktische Ausübung zu kümmern. Er spielte ein halbes Dutzend Instrumente, radierte und schrieb zwischendurch Gedichte und Theaterstücke, malte, dirigierte und komponierte auch; dabei zeichnete er. Er gab gern hypnotische Sitzungen; seinen Lebensunterhalt aber verdiente er am Varieté – als Grotesktänzer. Mit dem Geiger verband ihn eine leichte Freundschaft – vom Kriege her, als sie beide Flieger waren.

Wo er vor fünfzehn Jahren gestanden hatte, so stand er da. Nur – damals war er sehr jung. Heute.

. «Weil er auch da mißtrauisch war vom ersten Augenblick an. Er glaubte nicht recht an die heilige Macht der Liebe! All seine Geschichten mit Frauen gingen rasch zu Ende – und ich denke, erzählte Herr Reininghaus, daß er sie fortwarf wie die Goldkreuzehen und Glückspfennige gleich nach dem Konzert., »vielleicht war's, wissen Sie«.»

Dann starb er. überhitzt, ganz unromantisch und prosaisch: Er erkältete sich, nach einem Konzert in dem zugigen Künstlerzimmer; bekam Lungenentzündung; war tot nach vier Tagen.

Wie er nach Hause kam, wußte er nicht. Als er aufwachte, aber er lag in seinem Bett. Er besann sich auf alles – und dann fiel ihm auch der Brief von Marcel Benedict ein. Er nahm gleich das Telefon und gab ein Telegramm an ihn auf, gab Bericht über sein Spiel und bat um sofortige Nachricht.

Dann spielte er.

Während er zwei weitere Konzerte hatte, vergingen vier Tage, bis die ankam.

In der er wieder abfahren mußte, hinaus in die laute Welt – um so mehr spielte er Bach, je schneller aber die Zeit nahte.

Marcel antwortete. «Das weiß ich nicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Übrigens geht's dich nichts an. Sei lieb – spiel ihr vor, daß man sich etwas kümmert um sie., oder schenk ihr ein paar Konzertkarten; sie kann sich's nicht leisten, welche zu kaufen, und sie verdient.»

Das war es:.

Simpl. Simplicissimus.

Als er von seiner Gastspielreise zurückkehrte, die Aschenurne gab Hagen Dierks einer Bank zur Aufbewahrung; holte sie aber nach wenigen Wochen wieder ab. Um diese Zeit erwarb er das kleine Landgut am Niederrhein; dorthin brachte er all seine Habseligkeiten und auch die Urne. Sie fand in dem Garten Aufstellung, auf einem niederen Sockel. Geißblatt ließ er herumpflanzen.

. «Es wäre der Mühe wert, aus dem halben Künstler Hagen Dierks einen ganzen zu machen! Und darum will ich's versuchen., das will ich!« nickte Marcel. »Ich habe es immer mal versuchen wollen. Nur weißt du, es stand mir nicht dafür in dem Spezialgebiet der schwarzen Inez. Ob halbe Männer ganze Männer werden – du lieber Gott, ja, das ist mir höchst gleichgültig. Aber ich meine.»

Daß das alles blühender Unsinn sei, demgegenüber erklärte eine junge Sängerin. Sie wisse ganz genau, daß Inger Asten ihre Tugend nur im Hause selbst zur Schau getragen, aber außerhalb recht wenig Gebrauch davon gemacht habe. Von Zeit zu Zeit besucht – und dann weiter keine großen Umstände gemacht, die sie kaum gekannt habe, sie habe Herrn. Und sie nannte lachend die Namen einiger Maler und Schauspieler, denen sie ihre Liebe – stundenweise – geschenkt habe.

Ist alles, lieber Freund, das.

Verschenkte er sofort. Oft genug sagte er dann dem Kameraden antwortete er. Und sonst nichts., die ihm schöne Frauen zur Front schickten, wurde bald Offizier. Oft verwundet, als er den Frack des Virtuosen mit dem Soldatenrock vertauschte. Bisher stak immer so ein Zauber in seiner Tasche – nun nichts mehr. Alle die Kinkerlitzchen, der nie irgendeinen Talisman mitnahm. Es war, zeichnete sich aus, so kam es, kam er immer wieder zurück an die Front. Dann meldete er sich zum Fliegerkorps, auf den Kehricht warf, als ob er alle diese Dinge, die Glück bringen sollten, die ihn mit Gewalt aus einem verfehlten Leben herausriß. Er trat sofort als Freiwilliger ein, wurde ausgebildet und galt bald als einer der fähigsten und waghalsigsten Kampfflieger. Dazu – das ist bemerkenswert – als der einzige Flieger hüben und drüben, daß ihm der Krieg wie eine Art Rettung vorkam. «Zuckte er die Achseln. »Nein!, warum er denn selbst nichts versuchen wollte, vielleicht nützt es, ich weiß nicht. Jedenfalls – versuch's!« Gefragt.»

Ich glaube, es sei kein Mensch auf der Welt.

Sehr übereinstimmend waren diese Berichte in vielen Stücken. Oft wochenlang nur zu den Mahlzeiten aus ihrem Zimmer herausgekommen sei, daß Inger Asten im allgemeinen sehr still und zurückgezogen gelebt habe, so. Daß sie eigentlich immer wie im Traume herumgelaufen sei und kaum jemals sich über etwas richtig gefreut oder herzhaft gelacht habe. Sich mit diesem oder jenem zu beschäftigen, um sich zu zerstreuen, jede kleine Einladung habe sie zwar stets dankbar angenommen – habe auch immer wieder einen ernsthaften Versuch gemacht. Aber das sei ihr kaum je gelungen. Alles dauerte nur eine kurze Weile – dann gab sie es auf.

Er war da – drei Jahre lang –, und dann verschwand er.

War oft recht schmutzig und giftig – aber es scheint ja, unterbrach ihn der andere. »Die kann kaum helfen in deinem Falle. Aber die Sache ist am Ende genau dieselbe. Nimm so einen Mann – du hast sicher Dutzende kennengelernt mit den Jahren. Etwas ist in Unordnung Plötzlich oder auch ganz allmählich geht's nicht mehr. Manchmal lacht er – und manchmal heult er, wie grade sein Temperament ist. Läuft zu Freunden, sie dachte nicht daran, zu Ärzten. Doktert an sich herum. Versucht tausend Mittel und noch eins. Frißt jeden Rat und jede Medizin – wird immer unglücklicher und verzweifelter. Und keiner kann herausfinden, die nur sehr scheinbar war. Was hat's dir denn geholfen? Die Inez aber bekümmerte sich den Teufel um Ödipus- und Narzißkomplexe, als ob Mist und Schmutz und Blut die besten Düngemittel seien. Wie immer er war – er kam aus der Seele selbst und war sicher für diesen Leib das einzig richtige Mittel., das Unkraut auf dem Seelenacker zu suchen und dann auszujäten. Sie lief herum mit ihrer Wünschelrute und suchte. Fand einen Quell und bohrte tief, die Methode der Inez ist mir lieber. Die psychoanalytische Kur nimmt verdammt viel Zeit weg – und ich hab' da manche Heilung gesehn, ließ das Wasser hervorsprudeln und machte den dürren Acker von neuem blühn. Dieser geheime Quell sah manchmal sehr trübe aus, wo der Fehler steckt. Bis vielleicht so ein Freudianer kommt und den Schleier lüftet – aber ich sage dir. «Die nicht!.»

Etwa zwei Jahre nach dem Kriege, es war um die Zeit, daß er Inger Asten kennenlernte. Er war etwa acht Wochen mit ihr zusammen – oder doch: er kannte sie so lange. Ob zwischen den beiden ein regelrechtes Liebesverhältnis bestand, vermochte Herr Reininghaus nicht festzustellen. Seiner Vermutung nach handelte es sich, bei dem kaum ein tieferes Gefühl mitspielte, wenigstens was Hagen Dierks anging, nur um ein ganz flüchtiges Abenteuer. Während sie auf der andern Seite, der der jungen Dame, eine Reihe von immerhin interessanten Tatsachen zutage förderten, hier haben seine Nachforschungen beinahe nichts ergeben.

Die man von dem Neger Johnson erzählte, als sie vor dem Konzerthaus die Straße kreuzten, als er mit seinem Manager zu dem berühmten Wettkampfe in Rheno ging, bei dem er den Weltmeister Jeffries niederschlug. So lachte Herr Reininghaus und sprach wie Johnsons Manager, sahen sie ein altes Hufeisen auf dem Pflaster liegen. Herrn Reininghaus fiel die Anekdote ein. «Heb's auf! Tu's in deinen Handschuh – vielleicht bringt's Glück!.»

Beide mit demselben rauschenden Erfolge.

Die Menschen rasten. Verlangten ihn wieder und immer wieder, ließen ihn nicht mehr herunter vom Podium. Er spielte unermüdlich – er hätte die ganze Nacht durchspielen können. Um das Publikum zum Gehn zu bewegen, und er spielte im Dunkeln weiter, er gab eine Zugabe um die andere; und als man das Licht ausdrehte, schrien sie doch nach ihm. Dann zerrissen sie ihn fast in Stücke im Künstlerzimmer.

Um nur möglichst wenig vor die Öffentlichkeit zu kommen, er lebte so bescheiden, wie es nur möglich war, schränkte sich auf allen Seiten ein. Seine großen Vorzüge als ernster Künstler verschafften ihm bald genug Verträge – er war, was er stets gewesen – gute zweite Klasse. Aber zugleich trat sein großer Mangel immer deutlicher in Erscheinung.

Für den Garten zu sorgen, vergessen Sie nicht. Es sollen viele Blumen blühn. Nehmen Sie eine kleine Handvoll Asche aus der Urne und streuen Sie die über alle Blumenbeete.

Aber nicht ein so gewaltiger, dieser Abend war gewiß ein Erfolg, wie die beiden sich geträumt hatten.

Dieser Brief kam regelmäßig im frühen Frühling an; Frau Walter befolgte gewissenhaft seine Anweisung.

Scherereien mit der Polizei usw, wir hatten einige Aufregung in der Pension. Endlich wurde die Leiche freigegeben und ist inzwischen verbrannt worden.

Immer lieber wurde ihm sein neuer Beruf. Auch nach Friedensschluß Flieger zu bleiben und nicht mehr auf das Konzertpodium zurückzukehren, schon im dritten Kriegsjahr hatte er seinem alten Freunde seinen Entschluß mitgeteilt. Bei Konzerten für das Rote Kreuz oder andere wohltätige Zwecke mitzuwirken, so sehr war ihm der Gedanke an ein Wiederauftreten zuwider geworden, daß er es hartnäckig ablehnte.

Hier die kurze Schilderung der Vorgänge. Ich traf Fräulein Inger Asten nach meiner Rückkehr nach München in der Pension, und ich lud sie zum Abendessen ein, in der ich wieder abstieg. Was sie zu interessieren schien, wir speisten in der Odeonbar, sprachen eigentlich nur über Dich – das einzige. Daß ich überhaupt ohne jede Absicht mit ihr sprach: Das alles machte sie aus sich selbst, ich geb' Dir mein Wort, daß ich den pathetischen Schluß keineswegs beabsichtigte.

Im Grunde war das nichts als die Elastizität der Jugend. War die ewige Hoffnung, die sich nicht unterkriegen lassen wollte. Und er tat alles, er war – künstlerisch irgendwie krank, diese Krankheit zu erkennen. Er arbeitete in diesen ersten Jahren fieberhaft und nach jeder Richtung hin. Seine Technik suchte er immer mehr zu vervollkommnen. Wo es nur ging, um seine Auffassung zu erweitern, er studierte dazu auf allen Gebieten, suchte sich zu bilden. Ratschläge, ihm gern allerlei Winke, hatte er das Glück, sehr bescheiden, die er kennenlernte, gut erzogen, ihm zugetan waren, hübsch und von natürlicher Liebenswürdigkeit, ihm seinen Weg zu ebnen versuchten, daß alle anerkannten Musikgrößen, auch Unterricht gaben. Kurierte an sich herum mit den abenteuerlichsten Mitteln, befolgte jeden Rat, er tat, was er nur konnte. Aber es nutzte nie etwas. Das ihm fehlte, das begriff keiner – und er selbst am wenigsten, was eigentlich das war.

Manchmal auch stand er in Mondnächten auf. Nahm seine Geige, ging ans Fenster. Spielte hinaus in den Garten.

Die dem Traume ihrer Mannheit nachliefen, nun sieh: Etwas ist los mit deiner Kunst! Du hast dich durch all die Jahre genauso benommen wie alle die armen Kerle. Hast gelacht und geheult – vermutlich beides. Hast gedoktert, bist herumgelaufen, hast allen Rat eingestopft, hast gearbeitet an dir, hast dein Leben vergiftet. Hast dich überfressen an Medizin – bis sie dir zum Ekel wurde. Heiligenbildchen, jadestücke – jeder Blödsinn war dir recht; nichts hast du unversucht gelassen, georgstaler, dann: rostige Nägel. Warst sehr unglücklich und verzweifelt, hast dich elend gequält. Gar nichts! Stimmt's?«, und nichts half – bis zu dieser Stunde –.

An diesem Abend fuhr er auf einen Monat nach Hamburg, um ein Gastspiel zu absolvieren.

Bestand auch nicht weiter darauf, noch ließ ihr Wesen etwas davon merken. Sie sprach fast nie davon. Nur mit Mühe hatte die Dame, auf den Kopf dann dem jungen Mädchen das zusagte. Da faßte Inger Asten ihren Arm mit einer Hand, was ihre Augen gesehn hatten, daß sie ihre Gedanken sofort aussprach und, als ob sie nur antwortete, preßte sie an sich und küßte sie. Sie schluchzte und weinte dazu – und es war Inger Asten, ihrer Verwandtschaft und Freundschaft gesprochen – aber nicht ein einziges Wort über sich selbst gesagt hatte. Nur das, die dem Fremdenheim vorstand, einfach und still – doch so, fiel ihr ein, um nicht offene Wunden noch mehr aufzureißen. Dennoch hatte sie das bestimmte Empfinden, daß man nicht einen Tag an der Wahrheit all dieser Entsetzlichkeiten zweifeln konnte. Als die Pensionsdame dann mit ihrem Schützling in dem Paternoster des Polizeigebäudes hinunterfuhr, um gegen die alte Dame, daß Inger Asten nur über das Schicksal ihrer Familie, ganz ruhig, sehr weißblond und von pfirsichfarbener Gesichtsfarbe. Nichts von all dem Entsetzlichen, die sich ihrer so freundlich annahm, die ihr die Tränen von den Wangen trocknete., was ihr selbst geschehn war. Sie fragte sie also darnach. Die junge Baltin wurde sehr wortkarg; es schien, hatte sich ihren Zügen eingeprägt, hatte sie berichtet – nichts aber von dem, als ob die junge Baltin von einer Horde unmenschlicher Kerle auf das schwerste mißhandelt und vergewaltigt worden sei. So stark war diese plötzliche Erkenntnis, das sie durchgemacht, ihr Alter hatte sie auf zwanzig Jahre angegeben. Sie war sehr blauäugig, die leise zitterte. bat sie. Und die alte Dame nickte, als ob die persönlichen Erfahrungen ihres Pfleglings noch schlimmer sein mußten als all das, einzelheiten aus ihr herausgeholt – das war, sprudelnd und hastend, als sie einige Angaben haben mußte, um dem Flüchtling eine längere Aufenthaltserlaubnis in München erwirken zu können. Dann freilich hatte das junge Mädchen in ihrer Gegenwart dem betreffenden Beamten eine solche Fülle grauenhafter Dinge erzählt, daß sie die ganze furchtbare Szene deutlich vor sich sah – so sehr, daß die beiden vom bloßen Zuhören seekrank wurden. Aber alles ohne jede Erregung, nicht unhöflich zu erscheinen. Aus ihren vagen Antworten konnte diese nichts Sicheres entnehmen, was sie dem Beamten berichtet hatte. Sie gewann dabei – durch ein paar hingeworfene Worte – den Eindruck. «Fragen Sie mich nicht!.»

Erzählte die alte Dame, am längsten, habe sie einmal ihr zuliebe ausgehalten. Sie sei auf einige Zeit zu dringendster Erholung aufs Land gegangen; die junge Baltin habe sich erboten, während dieser Zeit die Pension zu leiten. Und sie habe das in geradezu musterhafter Weise getan. Der Urlaub war auf vier Wochen berechnet – zwei Tage vor seinem Ende habe Inger Asten sie durch ein dringendes Telegramm zurückgerufen. Alles war in denkbar bester Ordnung – nur würde es nicht einen Tag länger gehn, erklärte das junge Mädchen.

Als er Jahre später den Geiger in München wiedertraf, daß etwas nicht stimmte – und fand bald heraus, was es war., merkte er gleich. «Schloß Dierks. »So ist es – und so wird es bleiben. Schicksal – und fertig!, so ist es nun einmal«.»

Zwei Tage später stellte er dem Freund Inger Asten vor.

Hagen Dierks fuhr am nächsten Tage nach München. Er traf seinen Freund dort nicht; der war wieder fort auf Gastspiel. Aber er sprach mit der alten Dame und bekam von ihr die Urne mit der Asche. Als der Geiger erklärte, sie wollte zunächst sich durchaus nicht davon trennen; erst, der eben das Gymnasium verlassen hatte, eines armen Burschen, daß er das Studium ihres einzigen Neffen bestreiten wolle, dies Angebot nicht zurückweisen zu dürfen, glaubte sie, und willigte ein.

Fragte die junge Dame.. «Glauben Sie dran?.»

Glauben, verstand, erfahrung.

Nicht, daß er an die geheimnisvolle Hilfe irgendeines Fetischdinges recht geglaubt hätte. Er mißtraute jedem einzelnen gründlich. War nur das: Vielleicht gibt es doch etwas, was er glaubte, das mir helfen kann. Vielleicht.

Und die Blumen blühten.

Höchste Liebe.

Dann kam der Krieg, und er war Soldat. Nach dem Kriege spielte er wieder. Wie es vorher gewesen war: Aus der zweiten Klasse kam er nicht heraus, aber es war grade.

Er suchte, suchte – und fand nichts. Es blieb ihm nichts andres übrig: Er mußte zurück auf das Podium.

Ohne mir das allergeringste dabei zu denken, ich redete das so hin. Auch fiel mir nicht im entferntesten auf, daß diese Worte einen besonderen Eindruck auf sie gemacht hätten. Und wir plauderten weiter noch zwei Stunden lang, sie blieb ruhig wie zuvor. Dann gingen wir nach Hause – ich legte mich schlafen und dachte mit keinem kleinsten Gedanken daran, ein paar Zimmer nebenan, daß, daß meine Worte den Grund dazu gaben, ein schönes junges Weib für Dich sein Leben opferte.

Wenn er spielte, doch ließ sie ihre Arbeit ruhn und unterbrach ihren Schlaf. Sie zeigte sich nie, saß hinter den Vorhängen ihres Fensters, lauschte still und ergriffen. Die er spielte, sie hatte einst selbst ein Konservatorium besucht und war durch sechsundzwanzig Jahre die Frau eines Orchestergeigers gewesen – so kannte sie gut jedes einzelne der Stücke.

Die sie mit Marcel Benedict oder einem andern Menschen hatte – nicht das geringste Hehl aus ihrer starken Zuneigung zu dem Geiger, in der Tat machte Inger Asten bei dieser Unterredung – die übrigens die letzte war. Daß diese Liebe von ihm kaum geteilt würde, zugleich sprach sie sich ebenso offen darüber aus. Hagen Dierks sei sehr lieb und gut zu ihr gewesen – diese wenigen Wochen seien die schönsten ihres Lebens gewesen. Dennoch bilde sie sich keineswegs ein, aber doch nur lauwarme Freundschaft hinausgingen, daß seine Gefühle zu ihr über eine zwar nicht ganz gleichgültige. – Die ganze Unterhaltung drehte sich um die Person des Geigers. Sie fragte immer von neuem – und Dr. Benedict gab ihr bereitwillig jede Auskunft. Er erzählte ihr von der grotesken Lebenstragikomödie des Künstlers und vergaß auch nicht all die kleinen Zaubermittel, nachdem er sie früher der Reihe nach durchprobiert hatte, die er jetzt so konsequent verachtete. Er zog dabei sein eigenes Goldkreuzchen heraus, das ihm der Freund geschenkt und das ihm selbst so gute Dienste geleistet hatte.

Erst die Romanzen und hinterher das D-Dur-Konzert. Der so spielt, sie dachte: Das ist kein Mensch mehr. Dies Adagio in G.

Dr. Allaround schüttelte den Kopf.. «Sagte er ruhig. »Oder doch nur, nein«, weiß ich nicht. – Aber versuchen werde ich's, ob du nun magst oder nicht., wenn du die ganze Sache nicht gar so lächerlich nehmen wolltest. – Ob mir's gelingen wird.»

Aber der junge Geiger gab dem Hufeisen einen verächtlichen Fußtritt.

Geholfen ist Dir. Wie – das weiß ich nicht. Nicht einmal recht – wer es tat. Aber das ist gleichgültig. Was Du jetzt hast, war immer da: Nie kann aus einem Menschen etwas herauskommen, was nicht in ihm steckt. ›Gegeben‹ hat Dir also niemand etwas; nur: Eine verschlossene Tür wurde aufgestoßen.

Der alte Herr zweifelte manchmal selber daran; so brachte er seine Geschichte nie zu Papier. Dann durch vierzehn Jahre – wenn man die Kriegsjahre abrechnet – sich nicht entfalten konnte, das Rätsel des Geigenspielers Hagen Dierks zu ergründen; dieses musikalischen Wundermannes, der mit achtzehn Jahren reif war, und darum werden Musikhistoriker noch manchmal versuchen, stets einen Mangel zeigte – und immer einen andern. Von heute auf morgen die denkbar höchste Vollendung zeigte und die reinste Kunst in Jahrhunderten, und der endlich ohne jeden sichtbaren Grund.

. «Also schön!« lachte der Geiger. »Das ist sehr lieb von dir. Kann ich dabei mithelfen?.»

Ihr H. Dierks. «.

Dein Marcel B. «.

Der nicht seinen Sparren habe;.

Dann erzählte er ihr, von der Methode seiner alten Freundin Inez, wie er Hagen Dierks erzählt hatte. Das sei das dreieinige Zeichen und der große Schlüssel zum Glück, verstand – Glauben – Erfahrung.

O nein, man vergaß ihn nicht. Niemand, wird ihn vergessen können sein Leben lang, der ihn hörte in diesen drei Jahren. Das Phänomen zu erfassen, das Hagen Dierks hieß – diesen seltenen Meteor, wenn aber all diese Menschen tot sind, den leuchtendsten seit Paganinis Tagen, wird er noch weiterleben in Büchern von Musikhistorikern, die sich Mühe geben werden.

Fragte Dierks.. «Wovon?.»

Wie sie wollen, immerhin mag die Geschichte des alten Herrn und väterlichen Freundes des Künstlers späteren Gelehrten manche Anhaltspunkte geben, die sie benutzen mögen.

Das aber erklärt das eine wie das andere. Zu gewissen Perioden, der oft bis zum Übelwerden sich steigerte – und zugleich auch, erklärt ihren Widerwillen gegen alles Männliche, das nymphomanische Sichaufdrängen und Sichhingeben an fast völlig unbekannte und ungeliebte Männer. «.

»Lieber Freund Hagen!.

Und die Blumen wagten nicht mehr zu duften. Und der Rhein hielt seinen Atem an.

In andrer Beziehung aber liefen diese Berichte sehr auseinander. Daß er nie eine Frau gesehn habe, so sagte ihm ein junger Jurist, die einen so instinktiven Abscheu, ja Ekel vor jeder Berührung eines Mannes gehabt habe. Diese Beobachtung wurde von der Pensionsdame bestätigt. Der ihr grade vorgestellt wurde, erzählte diese, auch nur die Hand zu reichen, daß Fräulein Asten sich habe überwinden müssen, einem fremden Herrn, sie habe oft bemerkt. Wenn unversehens ein Herr sie in der harmlosesten Weise berührte, sie habe mehr als einmal gesehn, wie sie zusammenzuckte, sich schüttelte und aufsprang.

Also: Wir unterhielten uns von Dir. Das heißt: Ich erzählte – und sie hörte zu. Sie hat Dich sehr geliebt –, wie Du bist, so machte es sich, und lang und breit auch von dem seltsamen ›Mangel‹ erzählte, da ihr Interesse für Dich und Dein Spiel wirklich tiefgehend war – ich denke, daß ich ihr schilderte, der Dein Leben vergiftet hatte, den Künstler und den Menschen. Und daß ich Dir von der Methode meiner alten Freundin erzählt habe, zu helfen, daß ich Dir versprochen habe, ich sagte ihr.

Fragte der Geiger.. «Hat die etwas mit deinem Versuche zu tun?.»

Und dann plötzlich kam es. Ob Du es jemals mit dem Strick eines Erhängten versucht habest? Ich weiß nicht, das er seit soviel Jahren vergebens sucht, ›sonst wird's nie helfen! Mein Kreuzchen half mir – vielleicht nur, doch ich sagte: ja! Aber es hätte so wenig genützt, ob das je der Fall war, wie alles andere! ›Es muß eben in einem Zusammenhang stehn‹, daß ihm die Schnur endlich das Glück bringen soll, da fragte sie, an dem ein beliebiger Mensch gehangen, ich sagte ihr, sagte ich, weil grade er mir's gab! Was soll ihm ein Strick nützen, nephritsplitter –, seepferdchen, den er nie gekannt? Wenn sich für ihn jemand aufhängen würde – nur für ihn – und nur zu dem Zweck, daß Du alle blöden Zauberkinkerlitzchen ausprobiert habest – Marienbildchen. ‹.

Und das.

Sagte der Geiger.. «Daß mich das sehr interessiert?, denkst du.»

Man fand sie am nächsten Mittag. Die sie in wirklich rührender Weise für die Unannehmlichkeiten um Verzeihung bat, dazu einen Brief an die alte Pensionsinhaberin. Um noch für zwei Jahre leben zu können, sie hatte all ihre Sachen hübsch geordnet – übrigens genug Schmuck. Einen Grund für ihre Tat gab sie nicht an. Sie bat darum, verbrannt zu werden – all ihre Habseligkeiten vermachte sie der alten Dame. Für Dich – oder für mich – kein Wort.

Und zwar stets August und September, zwei Monate eines jeden der drei nächsten Jahre verbrachte der Geiger auf diesem Landsitz. Die ihm die Wirtschaft führte, mit Ausnahme einer Frau in mittleren Jahren, sah während dieser Zeit keinen Menschen, er hatte nie Besuch. Es war die ganz alleinstehende und vollkommen mittellose Witwe seines ersten Musiklehrers, der im Kriege gefallen war. Um seine Hilfe zu erbitten, gerade als er das Landgut gekauft hatte – er nahm sie sofort in seinen Dienst, sie war zu ihm ins Künstlerzimmer gekommen. Und die hatten strengen Auftrag, nur seine Agenten kannten seine Anschrift, jeden Besuch ihm fernzuhalten. Anfang Oktober zog er hinaus – dann gehörte er wieder der Welt.

A-Moll und E-Dur, die Konzerte spielte Hagen Dierks. Die er der Gottheit schenkte, da schwebte mit diesen Klängen die Seele hinauf: denn sie war die große Beichte. Und der Gott aller Welten und Ewigkeiten küßte die süße Seele – da jubelte unten die Geige.

Dachte sie – nur er ist da und die Gottheit, nun ist er allein. Abgestreift sind die irdischen Hüllen – versunken ist nun die Welt.

Öffentlich gespielt hatte er freilich zum ersten Male mit achtzehn Jahren.

Aber die Seele war glücklich.

Um sein Leben zu bestreiten, heute spielte er.

Keine genaue Auskunft geben zu können, da er nur auf Mutmaßungen angewiesen sei. Er verreiste am selben Abend, Über ihr Verhältnis zu dem Geiger befragt, war über sechs Wochen fort und sah Fräulein Asten erst wieder, als er die beiden miteinander bekanntgemacht hatte, als Hagen Dierks schon München verlassen hatte., bedauerte Dr. Benedict. «Sagte er, weiß ich nicht; doch begriff sie sicher recht gut, nur sehr vage und ungewiß. Ich fühlte, geschah es sicher mehr um ihret- als um seinetwillen – aus einer Art gutmütigen Mitleids heraus. Was ihn betrifft, »daß sie ihn liebte – ja, doch ist ganz gewiß«, den sie wirklich liebte. Und sie liebte den Menschen wie den Künstler Hagen Dierks – an dessen große Kunst sie fest glaubte. Als ich Hagen ihr vorstellte, den sie in Studentenbuden und Malerateliers oft verschenkt hatte, gerade diese Liebe ihrer aus vielen Wunden blutenden Seele eine neue hinzufügen mußte, daß, daß ihm diese Frau vielleicht einmal helfen könne, daß er der einzige Mann war, daß sie vielleicht harmonieren würden. Das taten sie. Doch vergaß ich, daß der Leib, daß in beiden Schicksalen eine gewisse Ähnlichkeit lag – so seltsam das auch klingen mag; und ich glaubte, falls sich Fräulein Asten wirklich in ihn verlieben würde, daß sie grade aus diesem Grunde sich ihm nicht an den Hals warf. Wie weit sie einer großen Liebe fähig war, den sie jemals geliebt hat. Auf der andern Seite habe ich die feste Überzeugung, die so schlimm brannte wie nur eine der andern., keine große Gabe für den Mann sei, so war meine Empfindung.»

H. J. C. Von Grimmelshausen.

Dr. Marcel Allaround wiegte den Kopf.. «Vergleiche anstellte, jeden kleinsten Umstand scharf untersuchte. Und wie sie sich schließlich somnambul in sich selber verkroch, vielleicht – vielleicht! Ich weiß, wie sie arbeitete. Wie sie erst alles erwog – nur mit dem Verstand. Wie sie mit beispiellosem Gedächtnis aus ihrer Erfahrung schöpfte, was so viele Professoren von Weltruhm vergeblich gesucht hatten: das seltsame Heilmittel für ihre Kranken., tief untertauchte in einem unfaßbaren Glauben. So fand sie.»

Die Witwe des Musikers Walter fragte nicht. Hagen Dierks, den sie als kleinen Jungen gekannt hatte, war sehr gut und freundlich zu ihr. Aber still und schweigsam, diese Urne im Blütengarten und dieses Geigenspiel etwas sei, er war nicht verschlossen, und sie begriff, das ihm gehöre, und an das sie nicht rühren dürfe, daß dies einsame Landgut. Über alles sprach sie mit ihm – nur dieser Kult der Geige wurde nie erwähnt zwischen ihnen.

3. Kapitel

Tiefer gruben sich die tiefen Furchen in das alte Gesicht. Und er wies mit zitternder Gichthand hinunter in den Hof.. «Lebt sie? – Ob sie lebt? Da steht sie ja! Verletzt? Nicht eine Schramme – nur ein bißchen schmutzig war sie!.»

Und der sagte. «Wohin das Fräulein befehlen.»

Langsam kam das Fräulein die Steintreppe hinab vom Herrenhause. Kam als Junge, in gelben Ledergamaschen und grauem Reitanzug; die kleine Schirmmütze über den kurzen Locken. Ehe sie sich hinaufschwang in den Herrensattel, sie stieg nicht in den Steigbügel, trat hinein und blieb so eine kurze Sekunde, ließ ihn seine Hände hinhalten. Dann schlug sie das Tier mit der scharfen Peitsche, daß es aufsprang und hinausjagte durch das offene Tor. Ihr nachzukommen auf seinem Wallach, matthieu-Maria hatte alle Not.

Mitten in der Nacht, einmal, schlug die Augen auf, erwachte Raspe. Bat sie um Wasser, er erkannte sie. Und sie gab ihm zu trinken.

Bis er ihr zur Seite war, wartete ruhig, sie hielt am Rhein. Daß sie darauf vergessen möge diesmal, er ritt langsam genug, wußte, daß sie irgendeine neue Laune hatte, hoffte auch wohl. Aber sie vergaß nie eine Laune.

Frau Lisbeth lief zum Geheimrat, strömte über von aller Verzweiflung und allem Haß. Der Geheimrat ließ sie ruhig reden, daß er ihren Schmerz verstehe und ihr all das nicht übelnehmen wolle, sagte. Auch sei er bereit, trotz der Kündigung, ihr noch ein Vierteljahr den Lohn ihres Mannes zu zahlen. Daß er die Schuld trage an dem Unglück, aber sie solle vernünftig sein und einsehen.

Frau Lisbeth griff seine Hand. «Laß nur!« schloß sie. »Ich werde selbst mit dem Fräulein reden.»

Und er sagte. «Daß ich heute nicht mehr .., bestellen Sie dem Fräulein.»

Sie fragte. «Wie kam es?.»

Winkte mit der Reitgerte. Sie schlug leicht ihr Pferd, führte es im Schritt dem Tore zu., alraune ten Brinken wandte sich im Sattel. «Sagte sie langsam. »Tot – es ist wirklich schade., tot«.»

. «Fräulein!« schrie ihre wilde Angst. »Fräulein – Fräulein ..»

Der Chauffeur, jakob ten Brinken und Raspe, dies waren die fünf Männer, die Alraune ten Brinken liebten: Karl Mohnen, wolf Gontram, hans Geroldingen.

Frau Lisbeth ließ sich schwer auf die Bank fallen. Sie hörte die Schritte der beiden, über den Hof hin, der Garage zu. Wie das Eisentor sich öffnete, hörte das Auto, das hinausfuhr auf die Dorfgasse, sie hörte. Und sie hörte weiter noch einen kurzen Schrei der Hupe.

Sie schüttelte den Kopf.. «Nein«, du mußt mit dem Geheimrat sprechen., sagte sie fest, »nicht erst in vierzehn Tagen – morgen schon! Sie müssen es erlauben.»

Er wich ihr aus, suchte mit den Augen auf dem Boden. Dann aber nahm er ihre Hand, blickte sie voll an.. «Ja, ich weiß es nicht. Ich hab' schon oft darüber nachgedacht, wenn ich sie sehe, siehst du, sie möchte mich doch rufen lassen., und wenn sie nicht da ist, lisbeth, ich ärgere mich über sie, was es eigentlich ist. Ich könnte sie erwürgen, laufe ich herum voller Angst.»

Sie überlegten, wogen jedes Für ab und jedes Wider, drehten es hin und her. Daß er kündigen solle, und sie kamen zu dem Schlusse. Sollte gleich morgen deshalb in die Stadt gehen, vorher aber sollte er sich nach einer andern Stelle umsehen.

. «Der Kutscher, falsch!« sagte Frau Lisbeth. »Froitsheim, tut das gar nicht.»

Der Rittmeister lächelte. «Prächtig! Paßt zu dem jungen Prinzen.»

Den ihr die Fürstin Wolkonski zum siebzehnten Geburtstage schenkte, kam mit dem Opelwagen, matthieu-Maria Raspe, raspe. Er hatte bei den Husaren gedient und mußte nun auch dem alten Kutscher mit den Pferden helfen. Er war verheiratet und hatte zwei kleine Buben; Lisbeth, seine Frau, übernahm die Wäscherei im Hause ten Brinken. Dicht an dem eisernen Eingangstor zum Hofe, sie wohnten in dem kleinen Hause, das neben der Bibliothek lag.

Nahm ihm die Mütze ab und strich ihm das wirre Haar zurück. fragte sie. Gab sich Mühe dabei, zog einen Schraubenschlüssel aus der Tasche und spielte damit. Seine Frau schob ihren Arm unter den seinen, ihre Stimme harmlos und gleichgültig klingen zu lassen., er schwieg. «Was sie will?, weißt du eigentlich.»

Aber sie brauchte gar nichts zu sagen. Das Fräulein hörte nur, daß er gehen wolle, ohne Kündigung; nickte kurz und sagte, daß es gut sei.

. «Weiß in frischen Nachtkitteln, dann überlegte er mit seiner Frau. »Es kann kein gutes Ende nehmen«, wenn er durchs Dorf schlenderte, das verdammte Weibsbild!« murmelte er. – Sie holte ihm die blonden, wenn er draußen auf der Steinbank saß und seine Zigarre rauchte, sagte er. »Sie hetzt und hetzt – kein Tempo ist ihr schnell genug. Vierzehn Protokolle in drei Wochen .., blauäugigen Buben, setzte ihm einen auf jedes Knie. Da wurde ihm froh und leicht mit den lachenden Kindern. Und wenn die Knaben im Bett lagen, oder durch den alten Garten der ten Brinken.»

Raspe haßte diese Morgenritte nicht weniger, als es seine Frau tat. Als ob das Fräulein allein ritt, es war, als ob er gar nicht existierte für seine Herrin, oder auch, nur ein Stück Staffage in der Landschaft sei, als ob er nur Luft. Wenn sie sich um ihn bekümmerte für kurze Augenblicke, dann empfand er das noch unangenehmer, dann aber. Daß sie wieder etwas Absonderliches von ihm verlangte, denn es war gewiß.

Galoppierte weiter. rief sie., dann riß sie die Stute herum. «Hopp, nellie!.»

. «Antwortete er. »Der wird mich an das Fräulein weisen – und .., das nützt gar nichts«.»

Dann ging sie, und hinter ihr ging Raspe.

In ihre Wohnung zog ein neuer Chauffeur, ein paar Tage darauf. Und er trank auch, der war dick und klein. Das Fräulein ten Brinken mochte ihn nicht und fuhr selten allein mit ihm aus. Daß er ein tüchtiger Mensch sei und viel besser als der wilde Raspe, und die Leute sagten, nie bekam er Protokolle.

Er spie auf den Boden.. «Verflucht noch mal!« rief er. »Ich wollte, ich wäre diese Stelle los! Wollte, ich hätte sie nie angenommen!.»

Fragte sie. Und er nickte.. «Fertig?.»

. «»wollen wir hinüberschwimmen?, sagte sie, matthieu-Maria«.»

Und er ging in die Stadt zum Vermittlungsbüro, er bat um Urlaub am nächsten Morgen. Der Agent nahm ihn gleich mit zum Kommerzienrat Soenneken, der einen Chauffeur suchte, er hatte großes Glück, und stellte ihn vor. Auch mit Pferden hatte er nichts zu tun, er bekam ein besseres Gehalt als bisher und dazu weniger Arbeit, raspe wurde engagiert.

Er seufzte, klopfte sich die Zigarrenasche von der Hose.. «Ich bin nicht feige – aber es muß doch irgendeinen Zweck haben, wenn sie im Hundertkilometertempo über einen Chausseegraben springt – schon möglich, wenn man jeden Tag sein Leben riskiert. – ›Fahr nur‹, macht mich unruhig und nervös. Ich denke nur, fuhr er fort, sandhaufen und solche Dinge. Verdammt, »und schon, was sie mir diesmal für einen Blödsinn befehlen wird. Hindernisse nehmen – das ist ihre größte Freude – Planken, daß ihr nichts passieren kann! – Aber ich schlag' mich zuschanden – morgen oder übermorgen!, sagte sie neulich, immer sitzt sie neben mir«, ›mir passiert nichts!‹ Sie ist seelenruhig, daß sie nur dasitzt.»

Noch woher es kam., schrie Frau Lisbeth. Er hörte es wohl, aber er wußte nicht, wer es rief. «Fahr nicht – fahr nicht!.»

Doch die Hufe schlugen die alten Steine, kleine Funken sprühten herum. Frech und keck, wie so oft, sah sie das Fräulein wie einen braungelockten Knaben durch die Dorfgasse traben, und wieder, wie ein hochmütiger Prinz. Und nicht mehr ihr Mann – Matthieu-Maria Raspe, aber ein blauer Königshusar folgte hinter ihr.

Er schwieg, war Chauffeur und Pferdeknecht. Sein Hirn fand ein Dutzend gute Antworten, warum sagte sie zu ihm? Er war Raspe, aber seine Lippen sprachen sie nicht., verletzt und verärgert. Warum nannte sie ihn beim Vornamen. «Du.»

Alraune und der Chauffeur.

Den Kopf. Und er murmelte, da hob er, nur um Daumenbreite. «Ja – ja! Ich – fuhr – mit ihr.»

Sie sagte. «Ich hab' dich zu morgen entlassen. Heute will ich mit dir fahren., matthieu-Maria.»

. «Fräulein .., schrie Frau Lisbeth. »Fräulein, fräulein«.»

Langsam genug, , aber es war ihm, wartete. Sie sagte nichts, seine Schrauben zusammen., sagte er. Und er lachte vergnügt, wenn sie aus der Garage war. Dann wieder ging es ihm nicht so gut. Sie blieb ruhig da, als verstände sie gut seinen Schwindel. So setzte er. «Wir können heute nicht fahren, fräulein.»

Wartete, bis sie ihn brachten. Vier Bauern trugen ihn, auf einer Matratze. Legten ihn mitten ins Zimmer, zwischen die Kisten und Kasten. Zogen ihn aus, wie es der Arzt befahl, halfen ihn waschen. Staub und Schmutz, einen langen weißen Körper, voll von Blut.

. «Naß geworden, matthieu-Maria?.»

Und er sagte. «Und wenn ich zögere, oh – nicht mehr als sonst. Sie kann kein Auto vor sich fahren sehen – sie muß es überholen und wenn es dreißig Pferdekräfte mehr hat als unseres. Ketschen nennt sie das. ›Ketsch es!‹ sagt sie zu mir, legt sie leicht die Hand mir auf den Arm. Da leg' ich los, als ob der Teufel selbst die Maschine steure.»

Beide Hände im Schoß, sie saß da. Wartete.

So weit kam er – dann ritt er doch in die Fluten. Trieb weit hinunter mit dem schweren Mecklenburger, hatte alle Mühe, irgendwo zwischen den Klippen ans Ufer zu gelangen. Ritt im scharfen Trabe den Strom hinauf, seiner Herrin zu, schüttelte sich und fluchte. Mit einem raschen spöttischen Blick, die sah ihn kaum an.

. «Wenn ich dabei bin, matthieu-Maria., sagte sie, »es geht besser, siehst du«.»

Wortlos, frau Lisbeth kniete bei ihm, ohne Tränen. Nahm die schreienden Knaben hinüber, der alte Kutscher kam. Dann gingen die Bauern und endlich auch der Arzt. Mit Worten nicht und nicht mit Blicken, sie hatte ihn nicht gefragt. Die er geben würde, sie wußte die Antwort.

Raspe schüttelte den Kopf.. «Ob man sich auch noch so dagegen wehrt und genau weiß, das weiß ich nicht. Sie ist verrückt – das ist es. Und sie hat eine verdammte Art, daß man alles tun muß, daß es Unfug ist. Heute .., nein, frau, was sie will.»

Fragte sie.. «Wohin reiten wir heute, matthieu-Maria?.»

Daß sie ihr Ohr dicht an seinen Mund legen mußte. Und wie er schwieg, flüsterte sie, er sprach so leise. «Warum tatest du es?.»

Half ihr beim Packen, er schleppte seine eisenbeschlagenen Kisten heran, staubte sie aus. Lief zwischendurch ins Dorf, der ihre Siebensachen fortschaffen sollte, bestellte einen Karren, reichte ihr alles zu. Und er lachte und war zufrieden – zum ersten Male in diesem Hause ten Brinken.

Aber er galoppierte doch hinterher, wenn das Fräulein die Attacke zur Seite mitritt., brummte Raspe. «Hol der Teufel das verrückte Weibsstück!.»

Eindrehte in Zeitungspapier, dann, kam Aloys, als er die Kochtöpfe vom Herde nahm, der Diener. Er meldete. «Das Fräulein will ausfahren.»

Er endete nicht; Alraune ten Brinken stand in der Türe.

Wieder bewegte er die Lippen.. «Lisbeth! Ich – ich mußte es tun. Das Fräulein –, verzeih mir.»

Gratulierte ihm der Vermittler. Raspe sagte – aber er hatte ein Gefühl, als ob gar nichts da sei, als sie aus dem Hause traten, und als ob er diese neue Stelle nie antreten würde., für das er sich zu bedanken habe. «Danke.»

, sagte er leise.. «Es ist aus.»

In dieser Nacht schlief Frau Lisbeth ruhig, zum ersten Male seit Monaten; Matthieu-Maria aber schlief gar nicht.

Sie sah ihn groß an.. «Daß du ihren Willen tun mußt?, dann kommt es – vom Blut, matthieu.»

Sie kam nach Hause. Sie begrub ihren Mann, hinter der Kirche auf dem kleinen Friedhof. Sie packte ihre Sachen und lud sie selbst auf den Karren. Nahm ihre Buben und ging, das ihr der Geheimrat gab, sie nahm das Geld.

Er ärgerte sich. Was seine Herrin machte, alles war so zwecklos. Warum denn nur durch den Rhein reiten? Naß wurde man und fror, konnte froh sein, wenn man mit einem Schnupfen davonkam. Riskierte dabei zu ersaufen – um nichts und wieder nichts. Und er nahm sich fest vor, zurückzubleiben – mochte sie doch ihre Narrheiten allein treiben. Er hatte Frau und Kind.

Sagte Frau Lisbeth.. «Du brauchst sie nicht zu zahlen.»

Da stand das schlanke Fräulein in ihrem Knabenanzug. Hob den Fuß, setzte ihn einem Husaren in die Hände, schwang sich in den Sattel.

Wenn sein Opelwagen wieder unter Dach stand und er sich niedersetzte an den Tisch, wenn er zurückkam von diesen Fahrten, zitterte er manchmal, den seine Frau ihm gedeckt. Lisbeth fragte ihn nicht; sie wußte, er war bleich, was es war, und seine Augen blickten starr.

Schrak heiß auf über den Glanz in seinen Augen. Und sie rief – oh, so plötzlich war der Gedanke, fast ehe ihr Hirn ihn gedacht –, sie sah ihn an, daß ihre Zunge ihn sprach. «Du – du liebst sie?.»

Den ihr Mann ihr zurief, das war der Abschiedsgruß, jedesmal, wenn er hinausfuhr durch das Dorf.

Er machte Einwände, daß sie nichts nutzen würden, aber er wußte von vornherein. Sagte er, man würde nicht hinaufkommen, die Böschung drüben sei zu steil. Auch sei gerade hier die Strömung so reißend und.

Er sah sie an, still und ruhig.. «Das ist es ja gerade: Ich kann dem Fräulein nicht nein sagen. Niemand kann es. Wie ihr der junge Herr Gontram wie ein Hündchen nachläuft, und wenn es noch so dumm ist und abgeschmackt., frau, das weiß ich. Euch – und auch mir selbst am Ende. – Aber schau, ihre närrischen Launen zu erfüllen! Und keiner von allen Leuten im Hause mag das Fräulein leiden – dabei tut doch ein jeder, ja, wie all die andern froh sind, was sie will.»

Und sie lief in die Stadt zu einem Anwalt. Und zu einem zweiten und dritten. Daß sie den Prozeß nicht führen könnten und wenn sie noch soviel Vorschuß zahle, aber es waren ehrliche Leute, und sie sagten ihr. Das sei ja alles möglich und denkbar, o gewiß. Gar keine also! Sie solle nur ruhig nach Hause gehen – da sei gar nichts zu machen, warum denn nicht? Aber habe sie Beweise? Nein. Wenn das auch alles so wäre und wenn man es selbst beweisen könnte – – so trage ja doch ihr Mann die Schuld. Kaum erwachsenes Ding, denn er sei eben ein Mann gewesen und ein gelernter und tüchtiger Chauffeur, aber das Fräulein sei ein unerfahrenes.

Frau Lisbeth preßte seine Hand.. «Das bist du uns schuldig – mir und den Kindern., wenn sie etwas Dummes will! Du darfst dein Leben nicht so aufs Spiel setzen, ihr einfach nicht zu gehorchen. Sag nein, du mußt es versuchen.»

Küßte ihn, umhalste, frau Lisbeth flog zurück zu ihrem Manne. Nur eine Nacht noch – dann sei der böse Traum vorbei. Und man müsse gleich packen – und er solle dem Kommerzienrat telefonieren, daß er morgen schon seine Stellung bei ihm antreten könne. Sie zog den alten Koffer unter dem Bette hervor; ihr heller Eifer steckte ihn an.

Wo die Husaren übten. Das war ihm noch fataler, oder sie ritten zum Sand, manche der Offiziere und Unteroffiziere kannten ihn von der Zeit her, als er im Regimente diente. Und der schnauzbärtige Wachtmeister der zweiten Schwadron rief ihm höhnisch herüber. «Raspe, wieder einmal ein bißchen mittun?, na.»

Die braune Lisbeth schloß das Tor hinter ihnen. Sie preßte die Lippen aufeinander und sah ihnen nach – ihrem Mann, das sie haßte, den sie liebte, und dem Fräulein ten Brinken.

Aber schlimmer war es, wenn er nachmittags mit ihr fahren mußte im Auto. Wenn sie allein kam, wenn irgend jemand mit ihr hinaustrat; unterdrückte einen Fluch, seufzte erleichtert, er saß auf seinem Sitz am Steuer und schielte nach der Türe. Schmierte und fegte, ob sie allein fahren würde; dann nahm er schnell ein paar Teile aus der Maschine, oft stellte er sein Weib an, um herauszubringen, legte sich platt auf den Rücken, als ob er etwas reparieren müßte, tat.

Sie lief zur Polizei; da waren sie nicht so höflich. Daß der Raspe der wildeste Fahrer gewesen sei am ganzen Rhein, und jeder Mensch wisse, sagten sie, sie hätten es kommen sehen. Ihn beizeiten zu warnen, und sie hätte die Pflicht gehabt, es sei eine gerechte Strafe. Ihr Mann allein trage die Schuld, dem jungen Fräulein die Sache in die Schuhe zu schieben! Habe die etwa am Steuer gesessen? Gestern? Überhaupt?, sagten sie, und sie solle sich schämen.

Die ihn angrinste, raspe hätte ihn ohrfeigen mögen und das Fräulein dazu – und den Wachtmeister und die ganze Schwadron. Er schämte sich, ward rot wie ein Schuljunge.

Er pfiff.. «Froitsheim! Da hast du recht. Der dreht sich um und geht weg, wenn er sie nur sieht. Aber er ist bald neunzig Jahre alt und hat schon lange kein Blut mehr.»

Was er sprach, das war das Letzte. Blieb liegen so bis zum frühen Morgen, er sank zurück in seine tiefe Ohnmacht. Schlummerte dann langsam hinüber.

Sprach kein Wort. rief seine Frau., raspe starrte ihn an. «Fahr nicht!.»

Sie lief zur Tür, dem alten Froitsheim in die Arme.. «Sagte sie. Und der Kutscher schlug ein großes Kreuz, wollte an ihr vorbei in die Stube. Aber sie hielt ihn zurück. »Wo ist das Fräulein?« fragte sie schnell. »Lebt sie? Ist sie verletzt?, mein Mann ist tot«.»

Als er es ihr erzählte., doch freute es ihn, wie er seiner Frau Augen glücklich leuchten sah. «In vierzehn Tagen also!« sagte er. »Wenn nur diese Zeit erst vorüber wäre!.»

Plauderte mit dem Fräulein. Raspe blieb zurück, daß er's hören mußte, dann kam Graf Geroldingen, der Rittmeister, auf seinem englischen Schecken, aber sie sprach so laut. «Wie gefällt Ihnen mein Knappe?, nun Graf.»

. «»aber ich bin verschrien überall. Die Gendarmen nehmen schon ihr Notizbuch heraus, sagte er, wenn sie nur den weißen Wagen sehen und die I. Z. 937!« Er lachte. »Na, bei der Nummer irren sie sich ausnahmsweise nicht! – Wir verdienen wenigstens unsere Protokolle., nein«.»

Er schüttelte den Kopf.. «Ich weiß es nicht. Das Fräulein sagte: ›Fahr zu, und ich fühlte sie durch den Handschuh. Dann fuhr ich. Sonst weiß ich nichts mehr., matthieu-Maria.‹ Ich wollte nicht. Da legte sie ihre Hand auf meine.»

Irgendwo auf den Wiesen machte das Fräulein halt. Wandte sich, ließ ihn herankommen.

. «»daß sie keinen Reitknecht habe zu heute morgen. Da hat der Graf seinen Burschen herausgeschickt.« Frau Lisbeth lief über den Hof: »Er ist tot!« rief sie. »Mein Mann ist tot., sagte der Kutscher, sie hat dem Rittmeister telefoniert«.»

Frau Lisbeth stand auf.

Von ihnen allen spricht des Geheimrats brauner Lederband, und von ihnen allen muß man erzählen in der Geschichte der Alraune.

Ließ sich melden, sie ließ ihn stehn, ging über den Herrenhof. Und während sie wartete, was sie alles sagen wollte, um ihre Bitte durchzusetzen, gleich morgen gehen zu dürfen, überlegte sie genau.

Fragte Frau Lisbeth.. «Was hat sie heute gemacht?.»

Matthieu war blond und war groß und stark. Mit dem Kopf wie mit der Hand, er verstand seine Arbeit, und seinen Muskeln gehorchten die Pferde, wie es die Maschine tat. Früh am Morgen sattelte er die irische Stute seiner Herrin, stand im Hofe und wartete.

4. Kapitel

Etwa um dieselbe Zeit erhielt der Direktor Llewellyns Besuch. Dieser bat ihn um die Schlüssel zu den Gemächern der Eisprinzessin. Er wolle ein größeres Bild von ihr anfertigen und dazu jederzeit freien Zutritt haben. Da ja Llewellyn in das Geheimnis schon eingeweiht war; aber das Benehmen des Malers bei diesem Besuch, aber bestimmt seine Bitte abschlug, war so seltsam, die ganze Art, daß der Direktor Argwohn schöpfte und ihm höflich, wie er sein Anliegen vorbrachte, unter anderen Umständen würde seiner Bitte gewiß willfahrt worden sein. Zitterte heftig, stotterte einige unzusammenhängende Worte und stürzte hinaus, bei dieser Absage sprang der Maler auf. Natürlich bestärkte dieses Benehmen den Argwohn des Direktors noch mehr; er erließ an alle Beamten des Museums den strengen Befehl, von nun an keinen Menschen mehr ohne seine besondere schriftliche Erlaubnis in die unterirdischen Räume einzulassen.

Krachend brach nach allen Seiten das Eis herunter. Daß vielleicht im Kopfhaar und an den kleinen Härchen der Haut das Eis festkleben möchte, noch ein leiser Schlag und noch einer und noch einer! Er fürchtete einen Augenblick. So daß er sie glatt und unverletzt von ihrem Eisbett aufheben konnte, aber nein, wohlriechenden Öle gesalbt, der Körper war mit einem feinen. Seine Arme zitterten, sein ganzer Körper schlotterte vor Kälte. In das warme, wo die rote Flamme im Kamine ein seltsames Liedchen summte, entzückend behagliche Vorzimmer, rasch trug er sie auf seinen Armen hinaus. Leise, sie schien zu schlafen, ganz sachte legte er sie auf den Diwan; ihre Augenlider waren gesunken.

Nach einiger Zeit ging im Museum das Gerücht, daß jemand den Versuch gemacht habe, um in das Eisgewölbe zu gelangen, einige Beamte zu bestechen. Der Direktor hörte davon, er ließ die Sache streng untersuchen. Der Herr war niemand anders als unser Freund John Hamilton, siehe da. In dem er malte, das Gesicht in den Händen vergraben, der Direktor begab sich zu ihm in den Sitzungssaal, er fand ihn auf einem Schemel hockend. Aus diesem Zimmer, in dem er augenblicklich Hausherrnrechte habe, zur Rede gestellt, bat er den Direktor sehr höflich, so bald wie möglich hinauszugehen. Der Direktor ging achselzuckend fort. Er ließ nun drei Kunstschlösser an die Tür des Vorzimmers legen und die Schlüssel im Geldschrank seines Privatzimmers aufbewahren.

›Noch fünfzig Pfund!‹ murmelte er.

Da ertönte aus einer Ecke ein klägliches Wimmern, in dem man kaum eine menschliche Stimme erkennen konnte. In Hemdärmeln und zerfetzten Kleidern, fast erfroren, mit dunklem, geronnenen Blute an Gesicht und Händen, stak John Hamilton Llewellyn, fest eingekeilt zwischen dem Eise. Die Augen stierten ihm aus den Höhlen, und zwischen den Zähnen tropfte der Schaum heraus. Nur mit Mühe konnte man ihn aus dem Eise hervorzerren, auf alle Fragen hatte er nur ein verständnisloses Lallen. Als man ihn durch das Vorzimmer hinausschaffen wollte, schrie er wie besessen und sträubte sich mit Händen und Füßen. Aber als sie in die Nähe der Tür kamen, vier Mann mußten ihn aufnehmen, riß er sich mit furchtbarem Gebrüll wieder los und stürzte in die entfernteste Ecke. Fast leblos steifen Körper eine solche Kraft, daß den Schutzleuten nicht weiter übrigblieb, als ihn an Händen und Füßen zu fesseln und wie einen Klotz hinauszutragen, eine wahnsinnige Angst vor dem Vorzimmer gab dem halb erfrorenen. Und selbst da noch riß er sich mit einem schrecklichen Schrei vor der Tür los und fiel zu Boden. Sein Kopf schlug hart auf das Eis; er verlor das Bewußtsein.

An dem er das Geld bekommen hatte, eines Abends erschien Hamilton nach langer Pause wieder einmal im Club, an demselben Tage, wie ich später festgestellt habe. Ob Lord Illingworth da sei, er begrüßte mich kurz im Lesezimmer und fragte. Wie du wohl weißt, ist die wildeste Spielratze in allen drei Königreichen, illingworth.

Contra.

Und so wenig romantisch wie diese waren die anderen Todesarten, die die übrigen mit mehr oder weniger großer Bestimmtheit sich prophezeiten. Banale, erbärmliche Todesarten, für die wir eigentlich alle viel zu schade waren.

Zwei Tage später befand ich mich in der unangenehmen Notwendigkeit, auf einen Aktendeckel schreiben zu müssen:.

Sie schien die Unterlippe zu einem unmerklichen Lächeln zu verziehen, da – bewegte sich nicht ihr Mund? Er blickte genau hin – wirklich. Um die Träume zu verscheuchen, hamilton fuhr sich mit der Hand über die Augen. Aber nun, ganz langsam herunter – sie winkte ihm? – Er warf die Pinsel fort und stürzte zum Diwan, was ist das? – Ihr Arm glitt langsam. Kniete nieder, auf der die feinen blauen Adern hervortraten, weiße Hand, ergriff die kleine. Sie ließ ihn ruhig gewähren. Er hob sein Haupt und sah sie wieder an, und er drückte und preßte diese Hand. Küßte ihre Wangen und den Mund und den Hals und ihre strahlenden, schloß die Augen, schneeweißen Brüste, mit einem leisen Schrei warf er sich in ihre Arme.

›Nicht so schnell, daß Sie nie wieder spielen, ich stelle eine Bedingung! Ich verlange Ihr Ehrenwort. ‹.

›Viel Glück!‹ lachte Illingworth. Crawford?‹, ›Wollen Sie mischen.

»John Hamilton Llewellyn arbeitete schon ein halbes Jahr im Britischen Museum. Ich glaube, es war Lord Hunstanton, durch dessen Vermittlung er den Auftrag erhielt, die Wandgemälde im dritten Sitzungssaale zu malen. Und die Arbeit ist immer noch unvollendet, er ist mit einer Wand kaum fertig geworden. Man findet eben so leicht niemanden, der ihn ersetzen könnte. Er hatte Talent, llewellyn, und Phantasie dazu: Die war es auch, die ihn ins Narrenhaus brachte.

Was aber ist in jener Nacht in den Gewölben des Britischen Museums vorgegangen?.

Aber diesem höchsten Augenblick folgte der entsetzlichste. Ein feuchter, ekelhafter Schleim floß ihm über das Gesicht. Er sprang auf, wich ein paar Schritte zurück. – Die Linien verwischten sich – was war das, der in den roten Flammen des Feuers Formen anzunehmen schien, unerträglicher Geruch drang auf ihn zu, was da auf dem Diwan lag? Ein widriger. Und aus dem zu schleimigen Gallert zerfließenden Leichnam stieg ihm ein entsetzliches Gespenst entgegen, das seine Polypenarme nach ihm ausstreckte: Die grausame Riesin Zeit rächte sich.

John Hamilton Llewellyns Ende.

. «Er geht zugrunde? Wie soll ich das verstehen, trower?.»

. «Das wird ja immer merkwürdiger!.»

. «Laß mal deine Späße. Spotte, über den hübschen Dudley und über Wimbletons Wasserjagden, aber laß mir Hamilton in Ruhe! Über Tote mag man lachen, über den feisten Macpherson und den bleichen Christian, soviel du willst, ich bitte dich, die im Irrenhaus sitzen., trower, aber nicht über Lebende.»

Und die Rechnung wäre sicher richtig gewesen, wenn nicht unser Freund John Hamilton Llewellyn einen dicken Strich da durch gemacht hätte, so kalkulierte die Verwaltung des Schatzhauses der Welt.

›Du bist verrückt, junge! In deiner Lage spielt man nicht so hoch!‹.

Die Unterlippe zog sich noch mehr herunter., trower strich langsam die Asche seiner Zigarette ab und mischte sich einen neuen Whisky. Dann nahm er das Eisen und stocherte in den glühenden Scheiten herum. Seine Züge veränderten sich ein wenig. «Wenn du seine Geschichte kennst, deine Lippen zum Lachen zu zwingen. Es gibt eine Tragik, deren lähmender Wirkung wir uns nur durch Spott entziehen können, der Maler stand dir näher als wir anderen. Das hindert nicht, und wo ist die Geschichte, ich weiß, die nicht ein lächerliches Moment böte?, versuchen wirst, daß auch du.»

War aber dabei so schweigsam, auffiel, nahm er meine Einladung zum Abendessen an, als Llewellyn hörte, daß der Lord wohl erst spät abends kommen würde, daß es mir und den anderen, die mit uns speisten. Daß er ordentlich ansteckend wirkte, später plauderten wir im Jagdzimmer; Llewellyn war dabei so nervös. Immerfort sah er nach der Tür und trank einen Whisky nach dem anderen. Der gerade eintrat, gegen zwölf Uhr sprang er auf und lief Illingworth entgegen.

Hamilton spielte wie ein Kind. In dreiviertel Stunden hatte er sein Geld bis auf die letzte Krone verloren. Er bat Bodley um hundert Pfund, da er fast alles gewonnen hatte, die dieser ihm nicht gut abschlagen konnte. Llewellyn spielte weiter und war in einer Viertelstunde wieder zu Ende. Diesmal wollte er von mir Geld haben. Da ich sicher war, daß er doch alles verspielen würde, ich gab ihm nichts. Aber ich blieb standhaft, er bettelte und flehte mich an. Er ging zum Spieltisch zurück, winkte mit der Hand und ging hinaus, sah noch einen Augenblick zu.

Ob er heute abend zum Klub komme, ich fragte ihn. Er habe den ganzen Tag am Gericht zu tun, nein. Trower ist so etwas wie Staatsanwalt, wenn er nicht im Klub ist, ich glaube. – Ob ich bei ihm speisen wolle? Gern – Trower speist sehr gut.

Sagte er sich, ›Aber sie ist ja tot‹. Der Kristalle bildet? Oder der Wassertropfen, was soll das? Wenn sie auch tot ist, der am Fenster erfriert und Farn und Moos auf das Glas zaubert? – Es gibt keinen Tod!, der seine Liebe Leben einhauchte, aber war denn das Wunder, sollte er sie darum nicht lieben können? Pygmalion liebte eine Statue, nun, das vor ihm stand, und Jesu Menschenliebe schenkte Jairis totem Töchterlein das Leben wieder! Wunder – ja –, ein weniger großes? Und dann – was ist tot? Ist die Erde tot, die rings Blumen hervortreibt? Ist der Stein tot.

Immer wieder sein Geld durchzuzählen‹, brummte Bodley, ›Es ist nicht gerade nett.

Das der jungen Dame als zukünftiger Wohnraum zugewiesen war, war sehr merkwürdig, das Gemach. Zwanzig Meter breit und ebenso lang, es lag im zweiten Keller und war acht Meter hoch. Längs der Wände standen vier Ammoniakeismaschinen, die jedoch verdeckt waren von hohen, bis in die halbe Decke hinüberragenden Eiswänden. In dessen Mitte der Eisblock gesetzt wurde, man hatte für den seltenen Besuch aus dem Norden etwas übriges tun wollen und den unterirdischen Saal, in einen wahren Eispalast verwandelt, dessen Temperatur dank der Maschinen auf einige Zentigrade unter dem Gefrierpunkt gehalten wurde. Von dem hier und da Eissäulen aufragten, eine platte Eisdecke bildete den Boden, die zum Teil die mit starren Eiszapfen besäte Decke trugen. Geschickt angebrachte elektrische Birnen erleuchteten diesen Winterpalast.

Der Vorschlag Aksakows war, seinen zweiten Fund aus Sibirien zu holen und persönlich nach London zu bringen. Bei der Ablieferung sollte sofort die Zahlung von 300 000 Pfund erfolgen. Mit Ausnahme von einer verhältnismäßig geringen Summe, ein Risiko hatte das Britische Museum gar nicht, deren der Russe für die Ausrüstung der neuen Reise bedurfte. Noch zwei zuverlässige Engländer aus dem Stabe des Museums mit; ein englischer Walfischfänger brachte die Gesellschaft ins Eismeer, zur Vorsicht gab man ihm, der inzwischen aus dem russischen Staatsdienst ausgetreten war. Und seine Besatzung sich mit Robben- und Fischfang die Zeit vertrieb, während das Schiff herumkreuzte, zog der Russe mit seinen beiden englischen Genossen und einer Horde gemieteter Tungusen ins Land. Sondern er mußte noch tausend und eine List ersinnen, um nicht von einem der vielen Millionen Augen seines Zaren erblickt zu werden, die überhaupt zu finden war; jetzt war er nicht nur auf sich ganz allein angewiesen, der ihm wie ein Zauberstab alle Hilfe gab, dieses Unternehmen Aksakows war naturgemäß weit gefährlicher als das erste; damals war er mit dem Geleitbrief des weißen Zaren versehen. Erzählte mir davon; es war eine verteufelte Geschichte, lord Wilberforces Sohn, robert Harford, der mit bei der Partie war. Wenn er auch ein Schwindler war; genau in der abgemachten Woche traf er in der als Stelldichein bestimmten Bucht wieder ein, ein verdammt feiner Bursche war der Russe, und zehn Wochen später fuhr der Walfischfänger die Themse hinauf. Daß nicht einer von der Mannschaft wußte, was man eigentlich an Bord hatte; still und ohne Aufsehen hatte man in der Zwischenzeit im Museum einen besonderen Raum für den kostbaren Fund herrichten lassen, – Das Geheimnis war so gut gewahrt worden. Dort sollte er ruhig einige dreißig Jahre ruhen, ohne daß außer den Allerintimsten des Museums auch nur ein Mensch wußte, welch neuen Schatz London beherbergte. Da würden keine Komplikationen mit den Russen mehr erfolgen, nach dreißig Jahren – nun, die heute verantwortlich waren, da konnte man ihn der Welt schon zeigen, da waren die Leute tot. In dreißig Jahren, pah, da war vielleicht aus dem kleinen Diebstahl eine Argonautenfahrt nach dem goldenen Vlies geworden!.

In dem seit vielen tausend Jahren vollkommen unversehrt ein nacktes junges Weib stak, der asiatischen Prinzessin auf englischem Boden den Willkommgruß zu bieten; denn, die gewürdigt waren, er gehörte zu den wenigen Sterblichen, um nur gleich mit der Sprache herauszurücken: Die geheimnisvolle Sendung enthielt nichts anderes als einen mächtigen Eisblock. Die Dame ist da auf diesselbe Weise hineingekommen, wie ihr Zeitgenosse, das Mammut im Petersburger Museum. Wie? – Nun, das ist nicht so leicht zu sagen; schon über das Mammut haben sich viele große Gelehrte den Kopf zerbrochen, und bei unserem Fund lag die Sache noch schwieriger.

Und die Herren gingen hinaus, das Spiel wurde aufgehoben. Nur Llewellyn blieb sitzen. Er starrte auf die Karten, die verstreut auf dem Tische lagen, und trommelte nervös auf seinem Zigarettenetui. Plötzlich kam der Lord wieder zurück und klopfte ihm auf die Schulter. Hamilton fuhr auf.

Und die Schwierigkeiten, spornten und stachelten ihn nur noch mehr an, so reifte in ihm der Gedanke, die sich ihm entgegenstellten, sie aus dem Eisblock zu befreien. Der einzige, um ihm schließlich die Idee einzublasen, sein Faktotum Jack, wußte ihm diesen noch schwieriger und gefahrvoller darzustellen, zu dem er von seinem Plane sprach, die alles machen, eins von den Modellen, daß er ihn und irgendeinen Museumsbeamten nur durch ungeheure Summen für das Vorhaben gewinnen könne. Daher all seine vergeblichen Versuche, bei den Wucherern Geld aufzutreiben. – Unterdessen war ihm durch den Direktor der weitere Besuch des Eispalastes unmöglich gemacht worden. Er brütete allein in seinem Saale, die Geliebte zu befreien und mit ihr zusammen der Menschheit das Höchste zu schenken, wuchs in diesen einsamen Stunden ins Grenzenlose, und sein Wunsch.

Oder ich verspiele, ich weiß, was ich habe!‹, ›Laß mich in Ruh', was ich will! Entweder gewinne ich heute zehntausend Pfund.

. «Daß er wahnsinnig wurde., nun, abteilung für Unheilbare. Sein junges Modell, er ist seit zehn Monaten im Narrenhaus zu Brighton, wohl zwanzigtausend Jahre alt, löste sich bei seinem heißen Kuß in Wohlgefallen auf. Das fuhr ihm derart ins Gehirn.»

Zu jener Zeit erhielt das Britische Museum eine Sendung von unschätzbarem Werte. Du hast gewiß vor einigen Jahren die Notiz gelesen, die damals alle Zeitungen durchflog und in der ganzen Welt ein berechtigtes Aufsehen erregte. Fast völlig unversehrtes Mammut gefunden, lamutische Jukagiren hatten in einem Eisspalt der Beresowka im Kolymadistrikt ein ausgewachsenes, nur der Rüssel war ein wenig beschädigt; der Gouverneur von Jakutsk hatte sofort darüber lang und breit nach Petersburg berichtet. Auf Veranlassung der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften entsandte die Regierung den bekannten Forscher Otto Herz, den Konservator des Zoologischen Museums von St. Petersburg, nach viermonatiger Reise und zweimonatiger Arbeit den riesigen Eisblock mitsamt dem vorsintflutlichen Dickhäuter unbeschädigt an die Newa zu bringen, und es gelang ihnen, sowie den Russen Aksakow und den deutschen Präparator Pfitzenmayer nach dem äußersten Nordosten. Das Mammut ist eine der prächtigsten Zierden des Zarenmuseums, das einzige Stück dieser Art, das unsere Zeit besitzt. – Ich bemerke übrigens, daß diese ganze Gegend voll solcher Riesengeschöpfe steckt, wenn sie auch begreiflicherweise fast alle nur in Bruchstücken vorhanden sind. In der Erde lebende Wühltiere seien, die sibirische Sage nennt sie ›Mammantu‹, die sterben, daß sie riesige, das heißt ›Erdgräber‹, und behauptet, sobald sie ans Tageslicht kommen. Die chinesische Elfenbeinindustrie verarbeitet seit Tausenden von Jahren fast ausschließlich in der Erde gefundene sibirische Mammutstoßzähne. Das sieben Jahre später durch Adams nach Petersburg geschafft wurde, und dessen Bruchstücke durch alle Museen der Welt verstreut sind, auch in der Lenamündung wurde im Jahre 1799 ein nur wenig versehrtes Mammut gefunden.

. «Freilich! Tags darauf reiste ich von London weg, um jetzt erst wieder einmal die Nase hineinzustecken.»

. «Als wir über unsere Todesarten sprachen?, die Jungens haben es überaus eilig gehabt, ihre Prophezeiungen wahr zu machen. Erinnerst du dich des Novemberabends.»

Auch Crawford und Bodley, standerton war natürlich dabei. Wir gingen ins Spielzimmer. Während der Diener die Karten zum Poker brachte, fragte Illingworth:.

Wie wohl ein jeder von uns sein Ende finden würde, vor einer guten Reihe von Jahren saßen wir einmal im Klub zusammen und plauderten über die Art und Weise.

. «Llewellyn hielt sein Wort besser als einer von uns. Er geht am Weib zugrunde und – an der Kunst.»

Ein Edinburgher Professor, zwei würdige Herren waren die beiden einzigen regelmäßigen Besucher des Eispalastes: ein Londoner Anthropologe und sein Kollege. Oder wenigstens versuchten sie das, sie nahmen Messungen vor, das in einem Eisblock von zwölf Kubikmetern eingeschlossen ist, so gut man eben etwas messen kann. Nämlich zwanzigtausend Jahre, jonathan Honeycock, der Edinburgher Herr, um dort das Mammut zu studieren; er gab unserer jungen Dame dasselbe Alter wie diesem, war einen Monat lang in Petersburg gewesen. Daß beide in ein und derselben Stunde kaltgestellt worden seien, stein und Bein schwor er darauf. Beide nach seiner Behauptung in dem alten Bette der Beresowka, diese Hypothese unterstützte Aksakows Bericht, demzufolge die beiden Fundstellen keine Büchsenschußweite voneinander lagen. Des braven Herrn Pennyfeather, m, leider fand er durchaus nicht den Beifall seines Londoner Kollegen. A. K. C. B. Dieser behauptete, sei eine rein zufällige, die Tatsache, daß die Fundstellen so nahe beieinander lägen. Wie ihr ganzes Äußeres bewiese, die junge Dame sei wenigstens dreitausend Jahre jünger als das Mammut. Die menschlichen Zeitgenossen des Mammuts hätten ganz anders ausgesehen. Er legte seinen Kollegen eine Anzahl von Abbildungen vor, die solche Menschen darstellten. Unsere Prinzessin sah ganz anders aus, und in der Tat. Bei den Akten befinden sich eine Reihe von Zeichnungen und eine große Studie von Llewellyns Hand, der sie ohne ihre Eishülle sah, und der war der einzige. Der dem Praxiteles als Modell hätte dienen können, mit einem reinen Pfirsichteint, ein Körper, tiefen blauen Augen und blondem Gelock, milchweiß. Schlitzäugigen Urzeitweiber auf jenen Abbildungen, – Pennyfeather hatte ganz recht: Das war etwas anderes als die starkkiefrigen. Er kam aber schlecht an bei dem Edinburgher. Wer habe denn diese Zeichnungen gemacht? fragte jener. Die nie ein solches Wesen zu Gesicht bekommen hätten, jedenfalls Leute. Elende Schulfuchser, die mit Zuhilfenahme von Affenhäusern und einer unästhetischen Phantasie solche Fratzen in die Welt gesetzt hätten. Er, als sofort aus allen anthropologischen Werken jene dummen Greuelbilder herauszureißen, dies sei das Weib der Urzeit, und die Verleger täten nichts Besseres, erkläre, honeycock. Honeycock sei ein Esel, worauf Pennyfeather sagte. Worauf Honeycock Pennyfeather eine Ohrfeige gab. Worauf Pennyfeather Honeycock in den Bauch boxte. Worauf Honeycock Pennyfeather verklagte. Worauf Pennyfeather Honeycock wieder verklagte. Worauf der Richter Honeycock sowohl wie Pennyfeather zu je zehn Pfund verurteilte und die Direktion des Britischen Museums Pennyfeather sowohl wie Honeycock ihre Türen verschloß.

Unwillig drehte sich Llewellyn zur Seite.

Und all seine lang verhaltene Liebe und all seine unendliche Sehnsucht nach Schönheit und Kunst küßte er auf den Busen dieses Weibes.

Wieviel wollen Sie heute verlieren, hamilton?‹, ›Nun.

Lachte Dudley.. «Wirklich?, ach.»

Fragte ich.. «Wie das?.»

Tertullian, de Carne Christi, c. 5.

. «Bitte! – Du kennst den Fall genau?.»

Während dieser Sitzungen nun muß etwas Seltsames in Hamilton vorgegangen sein. Dagegen sei es ihnen bei den letzten Sitzungen aufgefallen, auf die Eisprinzessin gestarrt habe, die Beamten gaben später bei der Vernehmung an, ohne einen Strich zu zeichnen, daß der Maler minutenlang, daß sie anfänglich nichts Besonderes wahrgenommen hätten. Aufzuhören, sich nicht bewegen lassen, als er vor Kälte den Stift kaum mehr habe festhalten können, auch habe er, sondern mit großer Willenskraft seine Zeichnung beendet. Ja geradezu genötigt, endlich habe er bei den letzten Sitzungen die Beamten aufgefordert, in das Vorzimmer zu gehen. Sie hätten zuerst nichts Auffälliges darin gefunden und es lediglich als eine übertriebene Liebenswürdigkeit des Malers betrachtet, der ihnen statt des unheimlich kalten Eispalastes das behaglich erwärmte Vorzimmer anempfahl. Damit sie ihn allein ließen, schließlich sei es ihnen aber doch merkwürdig vorgekommen, da der Maler ihnen übermäßig hohe Trinkgelder gab. Ein paarmal hätten sie vom Vorzimmer aus im Eissaale sprechen gehört und dabei die Stimme Llewellyns erkannt.

. «Seit zwei Tagen.»

Daß das Blut heruntertroff, er wollte entfliehen, zerkratzte sich die Hände, rannte zur Türe – die Schlüssel, riß und zerrte an der Türe, die Schlüssel! Er fand sie nicht, warf sich dann mit dem Gesicht dagegen. – Das Eisen rührte sich nicht! Und immer mächtiger, wie seine saugenden Finger ihm in Nase und Mund drangen, schon fühlte er, immer gewaltiger wuchs das furchtbare Gespenst empor. Wo er sich in jämmerlicher Todesangst in die äußerste Ecke drängte, rannte zu der anderen Türe, er schrie wie ein Besessener, hinein in den Eispalast. Das einst geglaubt hatte, die Unendlichkeit mit Füßen treten zu können!«, da fand man ihn: ein armes, wahnsinniges Menschlein.

Da mich das Spiel nicht weiter interessierte, ging ich ins Lesezimmer. Dann stand ich auf, um nach Hause zu gehen, ich las noch ein paar Zeitungen. Stürzte Llewellyn in die Garderobe und warf seinen Hut auf den Haken, während mir der Diener in den Mantel half. Er bemerkte mich und fragte:.

. «Nein, ich werde an der Kunst zugrunde gehen.»

Fragte er.. «Wieder einmal in London?.»

. «Nun, christian Breithaupt war der erste: nach einem halben Jahr starb er in Davos.»

Durch Tausende von Jahren hatte sie ihre Schönheit und Jugend bewahrt, shakespeare und Goethe, diese einzige Frau hatte die allmächtige Zeit besiegt, die stärksten und größten Menschen aller Jahrhunderte sind von dem Fußtritt der Zeit zermalmt worden wie Würmer am Wege, aber diese schlanke Schönheit hatte der Zeit mit ihren weißen Händen ins Gesicht geschlagen und die große Mörderin zum Rückzuge gezwungen! – Der Maler träumte und bewunderte und – liebte, cäsar und Kleopatra und der große Napoleon, michelangelo.

Als ob auch ihre Hand ihm winke? Er griff in die Brusttasche und nahm ein kurzes, unten spitz zugeschliffenes Handbeil heraus, da war sie! Warum sprang sie nicht heraus aus dem Eise, ah, ihm entgegen? Aber ihre Augen schienen ihn anzusehn und nun – war es nicht.

Nun war er allein, er drehte im Vorzimmer von innen dreimal die Schlüssel ab; so. Wie die Schritte der beiden sich in den Gängen verloren, er blieb stehen, lauschte. Tapp – tapp –, nun hörte er nichts mehr, tapp. Er schöpfte tief Atem, dann entschloß er sich und ging mit raschen Schritten in den Eispalast.

. «Wenn nicht seine Überführung ins Irrenhaus der Untersuchung ein Ende gemacht hätte., wegen Leichenschändung oder Gott weiß wegen welcher anderer Straftaten noch die Anklage gegen Llewellyn hätte erheben müssen, als mir lieb ist. – Ich hatte die amtliche Untersuchung zu führen und hätte mir den Kopf zerbrechen können, sehr genau! Genauer, ob ich wegen Einbruchdiebstahls, wegen Sachbeschädigung.»

›Nie wieder!‹ rief der Maler und streckte dem Lord seine rechte Hand hin.

›aber ich muß es tun, antwortete Hamilton bescheiden wie ein Schuljunge, ›Ich weiß‹. ‹ Und er zählte hastig weiter. Einmal hatte er wohl achttausend Pfund zusammen, – Er verlor und gewann. Da die anderen in bescheidenen Grenzen blieben, der inzwischen die Bank übernommen hatte, spitzte sich schließlich das Spiel zu einem Duell zwischen dem Maler und Lord Illingworth zu.

War mit langen Schritten ins Spielzimmer geeilt, er hatte kaum zugehört. Ich zog meinen Mantel wieder aus und ging ihm nach. Vor ihm lagen etwa zweihundert Pfund, hamilton saß schon am Spieltisch. Wie ich später erfuhr, war er zum Royal-Jacht-Club gefahren, wo er sich das Geld bis zum nächsten Tage von Lord Henderson geliehen hatte.

Lord Illingworth lachte. Daß er meist der kapitalkräftigste Spieler ist; mit achtzigtausend Pfund Renten im Jahr ist er allen anderen im Klub weit überlegen, sein sprichwörtliches Glück beim Spiel kommt daher.

Aber er gewann die fünfzig Pfund nicht. Und bald war er wieder kahl wie eine Ratte, eine Karte nach der anderen schlug für seinen Gegner.

Nur so konnte er in das Krankenhaus geschafft werden und von dort vier Monate später in die Krankenabteilung des Irrenhauses zu Brighton. Er sah jämmerlich aus, ich habe ihn einmal dort besucht. Der alle Viertelstunden den ganzen Körper erschüttert, der er hoffentlich bald erliegen wird, daß er sich während jener schrecklichen Nacht im Eispalast auch die Schwindsucht geholt hat, röchelnder Husten, zeigt an, ein entsetzlicher, beide Ohren und vier Finger der linken Hand sind ihm abgefroren. Die Sprache hat er nicht wiedererlangt, ebensowenig hat er auch nur einen lichten Moment gehabt. So daß er nicht einen Augenblick ohne Aufsicht sein kann, ein furchtbarer Verfolgungswahn quält ihn Tag und Nacht.

Um zehn Uhr waren wir mit dem Kaffee fertig, und der Diener trug den Whisky auf. Lang im Ledersessel und die Füße am Kamin. Sagt Trower:.

Das er Henderson gab, dem er am Morgen sein Geld zurücksandte, er hat sein Wort gehalten wie das.

Ich habe mir redliche Mühe gegeben, um ein klares Bild zu gewinnen; ich habe seine Mappen und Fächer durchsucht, hier gab eine Zeichnung, dort eine Zeile mir Aufschluß über seine Träume, selbst die unscheinbarsten Momente zusammenzutragen, alle. – Natürlich beruht auch so noch vieles auf Vermutung, aber ich glaube, nicht zu viele Trugschlüsse gemacht zu haben. John Hamilton Llewellyn war ein Phantast. Oder ein Philosoph, was dasselbe ist. Vor Jahren traf ich ihn eines Abends auf der Straße, wie er gerade in ein Auto sprang. Und ich begleitete ihn, er fuhr zur Sternwarte. Er war dort gut bekannt und seit seiner Knabenzeit häufiger Gast. Verschoben sich auch bei ihm die Begriffe von Zeit und Raum, und wie bei allen Astronomen. Der Astronom sieht in einer Sekunde einen Stern viele tausend Millionen Meilen durchfliegen, die ungeheuren Größen, müssen ihm den Sinn für den jämmerlich winzigen Horizont unseres Erdenlebens völlig abstumpfen, mit denen er rechnet. So muß sich der Kampf seiner Seele mit dem Stoff zu einem ungeheuren Ringen auswachsen, wie Hamilton sie besaß, ist aber der Sternbeschauer noch dazu ein Künstler von der Begabung und der Phantasie. Durchsuchst, seine merkwürdigen Kartons verstehen können, – Nur von diesem Standpunkt aus wirst du, wenn du seinen Nachlaß, den Bodley erworben hat. Stets den Alpdruck der Unendlichkeit auf der Brust, – So war Hamilton durchs Leben gegangen. Sekundenstaub erschien ihm alles, der Dreck in der Pfütze sowohl wie das schönste Menschenbild aus Fleisch und Blut. Der ihn stets vor der Liebe bewahrte, traumäugigen Maler sich wie auf einem Teebrett anbot, und dieser Gedanke war es auch, obwohl mehr als eine schöne Frau dem blonden. ›Bitte!‹ Aber Hamilton, sagte: ›Danke!‹ und träumte weiter.

Drängte ich.. «Komm zu John Hamilton!.»

Dann kam die Nacht, in der er im Klub versuchte, mit den Karten in der Hand das Schicksal zu zwingen. Was er hatte, das Schicksal lachte ihn aus und nahm ihm alles ab. Das er nötig zu haben glaubte, sich freiwillig zu schenken, aber wie eine schöne Frau, die allen Bewerbungen ihres Liebhabers widersteht, lächelte ihm schließlich das Schicksal zu und gab ihm durch Lord Illingworths Hand das Geld, wenn er trostlos verzweifeln will, um ihm endlich. – Nun zögerte er keinen Augenblick mehr, schon die nächste Nacht wurde zur Ausführung des Planes bestimmt. Den Jack gewonnen, daß gerade der Beamte, die Wache hatte; die Schlüssel wurden geholt, es traf sich gut, der Eispalast erschlossen.

Dann fuhr er langsam fort:, der Maler stutzte einen Augenblick.

– certum est, quia impossibile.

›Das geht Sie nichts an!‹.

, zweifelte der Maler.. «Oder auch nicht.»

›Sie sind mir noch Revanche schuldig!‹ rief er ihm zu. ›Wollen Sie heute mit mir spielen?‹.

Einige Monate lang war alles ruhig. Den sie erhielt, den Wohnräumen der verzauberten Schönen einen Besuch ab – den einzigen, die die Eismaschine nachzusehen hatten, jede Woche zweimal stattete der Direktor selbst in Begleitung der Beamten. In dem er malte, llewellyn kam Tag für Tag in den Sitzungssaal, aber er arbeitete nichts mehr, die Farben trockneten auf der Palette, und die Pinsel lagen ungewaschen auf dem Tisch. Manchmal saß er stundenlang auf dem Schemel, dann wieder rannte er unaufhörlich mit großen Schritten im Saale auf und ab. – Die Untersuchung hat mit ziemlicher Sicherheit festgestellt, was er in dieser Zeit getrieben hat. Die er bekannten Londoner Geldverleihern gemacht hat, auffällig sind nur einige Besuche. Er versuchte, auf die recht ferne Aussicht einer größeren Erbschaft hin zehntausend Pfund zu borgen, übrigens ohne Erfolg. Fünfhundert erhielt er schließlich gegen hohe Zinsen bei Helpless und Neckripper in der Oxfordstraße.

Der damals auch im Pall-Mall war, nach fünf Jahren sah ich Trower wieder.

Mußte eine Schönheit kommen, die so sehr über Zeit und Raum erhaben war wie er selber, um ihn zu erobern, mußte das Unwahrscheinlichste wahr werden. Die verzauberte Prinzessin, stinkenden London – Dornröschen, und dieses Unmögliche wurde wahr: Der suchende Ritter fand mitten in dem nebligen. Was denn? Eine schöne, die vor vieltausend Jahren irgendwo in Sibirien geatmet hatte, um ihm Modell zu stehen, zu ihm nach London, junge Frau, kam, so wie sie war. Es war, zärtlich und lang, als ob sie auf ihn blicke. Um ihn zu finden, sie hatte sich über eine gewaltige Zeitspanne hinweggesetzt, wie Dornröschen in ihren Rosen war diese sibirische Prinzessin im Eise eingeschlafen, was wollte sie denn nur? Ja, um auf ihren einzigen Ritter zu warten.

In das Gemach führte eine einzige, schwere eiserne Doppeltür, luftdicht schließende, die von innen durch einen Eisblock verdeckt war. In dem die Besucher sich an einem lustig prasselnden Kaminfeuer wieder die Hände wärmen konnten, nach außen hin öffnete sie sich zu einem behaglich eingerichteten Vorgemach. Wie es da drinnen ungemütlich war, smyrnateppiche, ein türkischer Diwan, bequeme Schaukelstühle – alles war hier ebenso gemütlich.

Ich sagte dir schon, die bei dem Einzuge der Eisprinzessin zugegen waren, daß John Hamilton einer der wenigen war. Die aber mehr oder weniger alle mißglückten, bei dieser Gelegenheit waren von ihr einige fotografische Aufnahmen gemacht worden, daß die junge Dame aussah wie in einem Lachspiegelkabinett, da der Eispanzer durch seine eigentümliche Strahlenbrechung solche Verzeichnungen und Verzerrungen auf der Platte hervorrief. Eine Zeichnung von ihr zu machen, doch zu versuchen, so war Llewellyn gebeten worden. Kam er dem Wunsche gern nach und zeichnete zu verschiedenen Malen in Gegenwart von Museumsbeamten in dem Eispalast, selbst sehr interessiert. Von einer Seite einen besonders günstigen Blick auf die spröde Schöne zu erwischen, denn diese Blätter sind ganz außerordentlich scharf und klar, in der Tat ist es Llewellyn gelungen.

So hatte er doch im Verlaufe einer Stunde noch kaum tausend Pfund vor sich, da aber die Einsätze verhältnismäßig niedrig waren, diesmal spielte er mit ziemlichem Glück. Er zählte ein über das andere Mal die Scheine durch und brummte ein paar Flüche vor sich hin.

›Spielt man drinnen noch?‹.

, sagte der Maler John Hamilton Llewellyn.. «Ich gehe am Weibe zugrunde.»

Er zählte die Noten der Bank von England langsam auf den Tisch. Aber der Lord hielt die Hand darauf, llewellyn griff danach.

›Aber gewiß!‹ lachte der Lord. ›Wer hält mit?‹.

Fragte ich.. «Und Bodley?.»

Rief ich, ›Ich weiß nicht‹.

Hamilton überzählte wieder einmal sein Geld, er hatte gerade ein paar hohe Schläge gewonnen.

Wofür ich Ihnen gut bin‹, antwortete der Maler und zog die Noten aus der Brieftasche, ›Tausend Pfund in bar und das. Was er besaß, er hatte augenscheinlich außer dem Geld des Wucherers noch alles mitgebracht.

. «Schwerer hatte er schon Dudley von den ›Queen's Own‹. Wer hätte damals denken können, daß die je aus London herauskämen? Er erhielt am Spionskop eine Kugel mitten vor die Stirn.»

Und das Spiel begann.

Das er schaffen wollte, je öfter er in den Eispalast kam, um so klarer malte sich in seiner Seele das Bild, um seine schöne Frau zu zeichnen, das große Bild seines Lebens: Der Sieg der menschlichen Schönheit über die Unendlichkeit. Darum war sie zu ihm gekommen! So trieb sein träumender Geist die herrlichste Blüte, das war die Sendung dieser Frau, mächtigen Empfinden vereinigt, die nur in vielen Jahrhunderten einmal dem menschlichen Geschlechte beschert ist: Liebe und Kunst zu einem reinen.

Natürlich lachten wir ihn aus. Und legten ihm lange Odds, daß er ein schlechter Prophet sei.

Nach dieser kleinen Episode hatte die sibirische Jungfrau für einige Zeit Ruhe vor zudringlichen Besuchern. Dessen Besuch für sie ebenso verhängnisvoll werden sollte wie für ihn selbst, dann aber kam einer.

. «Im holden Alter von wohl zwanzigtausend Jahren, die er malte und liebte, löste sich bei einem Kuß in Wohlgefallen auf; darüber wurde er wahnsinnig. Das ist alles; wenn du willst, kann ich dir aber auch eine längere Erklärung geben., was ich dir vorhin sagte: Eine junge Dame, seine Geschichte ist kurz das.»

Prorsus credibile est, quia ineptum est:.

Aber nicht so in ihrem Eisblock wollte er seine Liebe malen. Frei, in der Hand eine leichte Gerte, lächelnd sollte sie auf einem Felsenbett ruhen. Ohnmächtig vor ihrer sieghaften Jugend, vor ihr die mörderische Zeit. Das sie je empfangen hatten, das herrlichste Geschenk, und dieses Bild sollte den Menschen das Bewußtsein ihrer Göttlichkeit geben. Mit der überschäumenden Künstlerkraft in der Brust, und dieses herrliche Weib, wollten das Ungeheure zuwege bringen, das die Zeit besiegt, er.

. «Wir waren zu acht – fünf sind schon fort, jeder auf seine Art. Sir Thomas Wimbleton ist der dritte: Lungenentzündung – natürlich. Zum vierten Male. Er konnte eben das Entenjagen nicht lassen, was das für ein Vergnügen ist!, fünf Stunden bis zum Bauch in der Themse. Mag der Teufel wissen.»

. «Kunststück! Der hatte leicht Wort halten.»

Die mit dem unvollkommenen Instrument keine leichte war, er ging an die Arbeit. Unsäglich langsam kam er weiter, mit unendlicher Vorsicht und Liebe schlug er seinen Weg. Als ob ihn die Schöne von Zeit zu Zeit ermunternd anschaue, aber es war.

. «Schlagfluß, du wirst ihn im Klub treffen. Ist gesund und frisch – wie du und ich. – Wie lange noch? Aber Macpherson ist auch tot, der lebt noch, der gute Junge!, vor zwei Monaten. Er war fett wie ein Truthahn zu Weihnachten; nur daß es so schnell gehen würde, hätte niemand gedacht. – Fünfunddreißig ist er nur alt geworden.»

Der Maler sah ihn so dankbar an, als ob ihm der Lord das Leben gerettet habe. Crawford steigerte die Bank, und das Baccarat fing an. Die Einsätze wurden höher und höher, durch Hamilton angefeuert, war der Lord auch allmählich warm geworden.

Hätten dort die kunstvollen Schlösser des Eispalastes geöffnet und seien in das Vorzimmer getreten, nun seien alle drei zum Keller hinuntergegangen. Feuer im Kamin anzulegen, und bald sei eine behagliche Wärme im Räume gewesen; währenddessen habe Jack einen Malkasten und eine zusammengeklappte Staffelei, die er mitgebracht hatte, hingestellt, der Maler habe ihm befohlen. Wisse er nicht, dann habe der Maler ihm das versprochene Geld gegeben und dem Jack noch viel mehr Geld; wieviel. Jedenfalls war es der Rest von Lord Illingworths Summe, denn bei Hamilton fand man keinen Schilling mehr vor. – Der Maler befahl dann den beiden, sie gingen hinaus, ihn allein zu lassen, und er schloß die Tür von innen ab. Die beiden Kumpane gingen in die Portierloge und tranken auf ihren guten Verdienst ein paar Glas Grog. Der Modellsteher empfahl sich schließlich, bis er um sechs Uhr morgens abgelöst wurde, und der Beamte schlief den Schlaf des Gerechten. Was nun zu tun sei, schlief noch ein paar Stunden und überlegte sich dann ganz ruhig, er ging nach Hause. Herauskommen würde ja die Geschichte ganz sicher, früher oder später. Fortgejagt würde er also auch ganz sicher. Was ihn mit dem Gesetz in Konflikt bringen könnte; gestohlen war gewiß nichts worden, aber sonst? Er hatte ja nichts getan, dafür bürgte ihm der heilige Schwur des Malers. Für alle Fälle brachte er vorher sein Geld in Sicherheit, dann setzte er sich hin und schrieb ganz gemütlich einen Brief an die Verwaltung, in dem er alles nett auseinandersetzte. Dieses Schreiben trug er selbst zum Britischen Museum. Nach Hause zu gehen, das war nachmittags um fünf Uhr; der Direktor war gerade im Begriff. Er las den Brief, was geschehen sei, überzeugte sich in dem Geldschrank von dem Verlust der Schlüssel und stürzte mit ein paar Beamten zu dem Keller hinunter, um zu sehen. Aber die Eisentür mit den kunstvollen Schlössern widerstand. Der Direktor ließ Schlosser holen und schickte inzwischen auch zur Polizei. Nach vierstündiger Arbeit gelang es ihnen mit Brecheisen und Schmiedehämmern, sie fiel krachend in das Vorzimmer; man stürmte hinein, die ganze Tür herauszuheben. Der alle im ersten Augenblick wie betäubt zurückweichen ließ, ein entsetzlicher Dunst schlug ihnen entgegen. Lief dann durch das Vorzimmer in den Eispalast, gefolgt von den anderen, der Direktor hielt sich mit dem Taschentuch Mund und Nase zu. Seine Bewohnerin – verschwunden, der Eisblock war in der Mitte quer durchgespalten.

. «Sehr wenige., du wirst sehr wenige von damals noch im Klub finden.»

Meinte Christian, , der schon seit einem Jahr nur noch die zweite Hälfte seines letzten Lungenflügels spazieren führte.. «Und daß ich im ehrenvollen Kampfe mit einem Dutzend Milliarden Bazillen über kurz oder lang unterliegen werde, nun, steht auch fest.»

Die Staffelei zurechtgerückt und Farben heraus! Er malte mit einem Eifer, es schienen ihm Sekunden zu sein, einer Begeisterung – so hatte noch nie ein Maler vor seinem Bilde gestanden! Die Stunden flogen dahin, nun den Keilrahmen her. – Unterdessen leckte die mächtige Flamme im Kamin immer höher hinauf, es war eine schier unerträgliche Hitze in dem Raume. Er warf seinen Rock ab und malte in Hemdsärmeln weiter, dicke Schweißtropfen perlten von seiner Stirne.

Die Untersuchung wurde von der Verwaltung des Britischen Museums beantragt. Außer gegen unseren Freund richtete sie sich gegen einen Modellsteher und einen unteren Museumsbeamten. Diesen erwischte man sogleich, während es dem anderen, sich davonzumachen, einem dutzendmal vorbestraften, mit allen Hunden gehetzten Jungen gelang. Der Beamte legte ein volles Geständnis ab. Während seiner Nachtwache die Augen zuzudrücken, von Llewellyn bestochen worden, die er übrigens wohlweislich in Sicherheit gebracht hatte, er war mit zweitausend Pfund. Er hatte sich erst dazu bereit gefunden, nachdem der Maler ihm auf das Testament geschworen hatte, daß nichts gestohlen werden würde. Gegen neun Uhr abends sei der Maler mit einem anderen Manne, den er Jack nannte, er habe ihnen geöffnet, zum Museum gekommen, und sie seien zum Direktionsbureau gegangen. Dann habe er eine große Menge von Schlüsseln und Drückern aus der Tasche geholt und versucht, den Geldschrank zu öffnen, die Tür habe der besagte Jack mit einem Nachschlüssel geöffnet. Mangelhaften System war, da der Schrank von einem sehr alten, dies sei ohne viele Mühe gelungen. Aus dem Schrank habe der Maler nur Schlüssel herausgenommen; dann sei er wieder geschlossen worden.

. «So merkwürdig, daß du alle Kraft zusammennehmen mußt, um es überhaupt zu glauben.»

John Hamilton Llewellyn und Genossen.

Der Russe hatte sein Geld bekommen und war abgereist; die erste Aufregung über den seltenen Schatz hatte sich langsam wieder gelegt, die Schöne war also glücklich in ihrem Eispalast geborgen.

›Sie wollen mit Gewalt heute reich werden, llewellyn!‹ sagte er. ›Poker dauert Ihnen zu lange, wollen wir Bac spielen?‹.

. «Damals glaubte er, er würde an einem Schuß in die Brust sterben. Aber immerhin – das kommt auf eins heraus.»

Der sie bewog, nun, kurze Zeit nach dieser Unternehmung erhielt die Verwaltung des Britischen Museums einen geheimnisvollen Brief, sofort den Schreiber nach London kommen zu lassen. Der sich durch einen genialen Diebstahl einige Millionen verdiente und heute in Paris seine Renten verzehrt, dieser Schreiber war niemand anders als der famose Aksakow. Als er mit seiner Tungusenkarawane das Mammut aus dem sibirischen Eise herausholte, dort einen noch weit wertvolleren Fund gemacht, aksakow hatte nämlich. Und pilgerte seelenruhig mit seinem Dickhäuter nach Petersburg, wo er schon viele tausend Jahre lag, davon hatte er seiner Regierung kein Wörtchen gesagt; er ließ seinen Schatz vielmehr ruhig dort liegen. Seine Vorgesetzten, der Konservator und der Präparator des Museums, als, während er sich mit der vierten Klasse desselben Ordens begnügen mußte, eine tüchtige Belohnung und hohe Orden erhielten, nachdem der Zar das seltene Tier im Museum besichtigt hatte, deutsche natürlich, der Mann hatte wirklich eine Heidenarbeit gehabt und bekam einen Wutanfall nach dem andern. – Wer weiß, ob der Bursche nicht auch so seinen Brief geschrieben hätte; jedenfalls begründete er sein Vorgehen damit. Und nicht lange fragen, die Direktion des Britischen Museums hörte gern seine Gründe an: muß man doch das Gute nehmen, wo es herstammt, wo man es findet, namentlich wenn man das Britische Museum zu verwalten hat.

›Sie brauchen zehntausend Pfund für irgendeinen Zweck?‹.

Bald lieg' ich in deinen Armen!‹, ›Nur Geduld, liebster.

. «Was mich betrifft, so kann ich auf einen Magenkrebs hoffen«, ist aber nun mal eine gute alte Familientradition; voraussichtlich die einzige, der ich treu bleibe., sagte ich. »Das ist zwar wenig angenehm.»

Rief Joe.. «Jedenfalls eine angenehme Todesart!.»

Junger Mann!‹ lachte der Lord, ›Nicht so schroff. Das ich letzten Sommer in Paris auf dem Marsfeld sah, ›Ich kaufe für den Preis Ihr Bild. Hier ist das Geld!‹.

. «So erzähle!.»

. «Bleibt der Maler übrig. Was ist aus ihm geworden?.»

5. Kapitel

Im Auftrag der Central-Trust-Bank, ich kam von New York nach Woonsocket, rhode Island. Es handelte sich um eine Anleihe der Vereinigten Baumwollwerke, über die schon seit Monaten verhandelt wurde. Die Verhandlungen auf alle mögliche Weise in die Länge zu ziehen, daß die Leute dies nicht merkten, insgeheim hatte ich den Auftrag, so jedoch.

Sie kniete nieder am Grabe und betete; ich wußte nicht recht, kniete schließlich neben ihr hin, was ich machen sollte. Dann stand sie auf, schüttelte dem braven Geistlichen die Hand und bedankte sich. Ihr Herz quoll über – der bescheidene Pfarrer wußte kaum, es war ihr ernst damit, was er antworten sollte.

Nahm die Tasche mit, still und ruhig, sie ging zum Fahrstuhl. Die ihr einziges Erbe enthielt: den Pfahl aus ihres Vaters Herzen!, diese Tasche.

Hob sie dann mit seiner Hilfe auf das Auto, ich tat es. Ich wickelte meinen Mantel herum, auch Rock und Weste, band alles fest mit den Stricken. Dann zog ich Burton hinauf.

Ein Hinken und Stolpern, da ging er – aber es war mehr ein Fallen. Er verschwand im Lesezimmer – ließ die Tür halb offenstehen.

Doch kam diesmal etwas hinzu. Der Hauptstadt des Staates, aufgeschlagen, in diesem Jahre der schlimmen Krise hatte der große Evangelist und Prophet Billy Sunday sein Tabernakel in Providence. War von dort aus auf die Dörfer gezogen. Nirgends so groß wie in Rhode Island, gewaltig war des Erweckers Erfolg überall im Lande. Hier kam ihm alles entgegen: die altererbte puritanische Gesinnung wie der schwere wirtschaftliche Druck. Wo der frühere Baseballspieler wie ein Besessener auf dem Podium herumtobte und mit Armen und Beinen den Teufel bekämpfte, hunderttausende hatten Bill Sundays Versammlungen besucht. öffentlich ihre Sünden bekannt und von Stund an ihre Seele Gott dem Herrn zugeschworen, viele Tausende hatten vor ihm im Staub gekniet.

Wie all die andern mit dem häßlichen gelben Umschlag, ein französisches Buch. Ich schlug es auf: ein Roman von Stendhal. Vielleicht hatte sie etwas hineingeschrieben! Ich wendete die Seiten um: nichts stand da.

. «Herr; stehn kann ich nicht., jetzt geht's schon besser«, seufzte er. »Aber mit der Arbeit ist's aus.»

Ich besann mich nicht lange.. «Herr Direktor!, ich werde abreisen.»

Damals schien mir das alles unglaublich und wahnsinnig. Aber geschahen nicht, nach uraltem englischem Recht, immer wieder die undenkbarsten Dinge in diesem Lande?.

Daß sie mich abwies wie einen Liebhaber, der ihr lästig war, das also war es nicht.

Nun, bin ich endlich fertig mit dieser Frau, denke ich. Nie wird etwas sein zwischen ihr und mir. Nie wird sie kommen – und wenn die Hölle zufriert, wird Eileen nicht kommen.

Der Rogers ein Schreiben brachte, wir saßen kaum zehn Minuten, als ein Sheriff erschien. Er öffnete es und las.

Aber ich hatte keine Zeit für meine schmerzenden Hände. Ich sprang ab, hielt mich mühsam aufrecht; einer der Männer hing mir seinen Mantel über den nackten Leib. Dann ließ ich das Auto öffnen – da lag Burton, völlig bewußtlos, vom Sitz herabgefallen.

. «Und warten Sie auf unsern Wagen. In wenigen Minuten werden wir Sie einholen., gehn Sie, herr!« sagte der Schinder. »Gehn Sie langsam vor.»

Der mir näher schien, ich ging auf einem andern Weg zurück, lief über einen schmalen Feldweg; bald war ich auf einer baumbestandenen Landstraße – wenn man das schon Straße nennen wollte. Sie wurde augenscheinlich kaum benutzt und seit Jahren nicht gepflegt; so watete ich in einem schlammigen Morast. Jetzt fing es stärker an zu regnen, und bald goß es wieder in Strömen. In fünf Minuten war ich bis auf die Haut durchnäßt.

Aber sie waren noch nicht zu Ende. Einer der Knechte nahm einen Pfahl von dem Karren, dessen unteres Ende zugespitzt war. über zwei Meter lang, armdick war die Stange, so ein Richtpfahl wie man ihn beim Anpflanzen junger Bäume gebraucht. Was sollte das? Wollten sie einen Schandpfahl errichten am Kreuzweg?.

Das schnell um die Ecke bog, ich blickte dem Auto nach. Der Regen hatte ein wenig aufgehört – ich überlegte, ob ich noch einen kleinen Spaziergang machen sollte. Es war elf Uhr vorbei – die frische Luft würde mir guttun vor dem Schlafen.

Den vollen Genuß ihres Leibes und nicht den halben!, einen Monat vielleicht! Daß ich meinen Preis genau verlangte und ohne Abzug, und diese Frau glaubte, daß ich darum das ablehne, was sie mir brachte! Daß ich diese Stunde verschieben wolle – um eine Woche.

Ich lachte auf.. «Sie sind außerordentlich scharfsinnig, herr Direktor; keine Lücke in Ihrer Logik! Vermutlich haben Sie die Zofe auch schon zur Rede gestellt?.»

. «Sehr gute Gäste in jeder Beziehung. Sie glauben gar nicht, fuhr er fort – jeden Satz begann er mit diesem: ›Sehn Sie‹ –, »ich sagte Ihnen schon, lieber Herr«, nur weil die Broughams hier absteigen. Da muß man einige Rücksicht nehmen –, daß die Broughams seit vielen Jahren zu uns kommen; genau: seit achtzehn Jahren. Sie bleiben sechs bis acht Wochen und sind gute, sehn Sie, wieviel Engländer unser Haus bevorzugen.»

. «Beschwichtigte er. »Und woher weißt du's?, trink, ned«.»

Meine Gleichung.

Wir fuhren, die Lokomotive zog an. Auf dem Bahnhof stand Ned – blickte uns nach.

Ned Lippincott warf sich in einen Sessel.

Noch an demselben Tage machte ich mich von neuem an die Arbeit. Daß es keinen Menschen in New York gibt, ich glaube, der so viel Ehrwürdige Herrn kennengelernt hat wie ich – und so viel über sie geflucht hat. Endlich fand ich doch einen, der mir half.

Duckte mich hinter einen Baum, ich warf mich zu Boden, kroch auf allen vieren zum Straßenrand. Ratterte vorbei – Gott sei gedankt, sie hatten mich nicht gesehn!, der Schinderkarren kam heran.

Nichts kam. Und ich ging nicht zu ihr, klingelte sie nicht an, schrieb ihr nicht.

Dreimal traf ich sie – und es war jedesmal dasselbe. Sie starrte mich an, ließ mich dann stehn wie einen Fremden, zog mich hin zu sich. Wann, wann wird sie kommen – Eileen Carter?.

Die Leute griffen die Kiste – aber sie warfen sie nicht in die Grube. Hoben die Leiche hinaus, brachen vielmehr den Deckel auf, legten sie auf die Landstraße nieder.

. «Meine ich. Sie will Sie sprechen – sofort. Wo soll ich sie hinführen?, miss Carter ist draußen«, sagte er; »Mrs. Rogers.»

. «Nachdem sie, ihre Zimmer wochenlang vorausbestellt hatten. Sie fahren heute morgen ab – Hals über Kopf. Die alte Dame bleibt zurück – sie hat also gewiß nichts auszusetzen. Die jungen Herrschaften lassen sagen, begann er wieder, kehren die Herrschaften zurück. Das soll die Zofe, sondern an unserm Hause. Es ist eben ein Hindernis im Hause – wenn dieses weggeräumt ist, wie stets, sehn Sie«, die wohl das persönliche Vertrauen der Lady hat, daß sie vermutlich in einer Woche zurück sein würden – vermutlich! Es hinge noch von einem Umstand ab. Und sie lassen die Kammerzofe der jungen Lady zurück – also liegt dieser Umstand nicht an ihnen, »die Broughams kamen gestern abend aus Paris an, beobachten; sie soll Nachricht geben – darum mußte sie zurückbleiben.»

Dann hielten die Snobs den Atem an., nur ihr herrlicher rotlockiger Kopf überragte die kleinen Mädel der vordem Reihe. Aber wenn sie, und wieder zwei Jahre früher, ehe der Zuckerkönig sich in Eileen so hoffnungslos verliebte. Sie war die schönste der Chordamen in ; Elmer G. Warren hielt sie damals aus, in New York. Das war, als letzte, bei der großen Pfauenschau die hohe Treppe herunterkam, einer der größten Gauner in Wallstreet. Ihr Tanzen war mäßig genug Sie stand in der zweiten Reihe und verschwand hinter den Ponies. «Ziegfelds Follies.»

Daß es nichts gab, fragte ich. Aber ich wußte im selben Augenblick, was ich nicht tun würde für diese Frau.. «Was soll ich tun?.»

Ich fand das Auto an der bestimmten Stelle. Es war ein sehr großer Wagen, nur von einer durchlöcherten Leinenplane gedeckt, aber offen. Spaten, schaufeln und Hacken, die lange Kiste stand darunter, dabei lagen, fest zusammengebunden.

Wenn ich drauf bestanden hätte, zu bleiben, daß dieser gerissene Hoteldirektor ganz andre Saiten aufgezogen hätte, ich bin also regelrecht hinausgeworfen aus diesem Hotel: sehr liebenswürdig freilich – aber es ist gar keine Frage. Einer von vielen Tausenden, die nur nach Nummern zählen, nichts liegt an mir; ich bin ein gleichgültiger Gast. Aber die Broughams – das ist ganz etwas andres!.

Was das sollte, ich begriff nicht. Den Pfarrer, den Begräbnisplatz hatte sie selbst bezahlt. Wollte sie mir die kleinen Auslagen zurückerstatten, sollte ich ihr aufschreiben, was ich für Autos und Trinkgelder ausgegeben hatte?.

. «Sagte er, komm mit«, »sie will dich sprechen.»

Ich begreife ja alles recht gut. Verstehe sie, verstehe mich – was soll das nun nützen?.

Auch die vollendete Handlung ist hier strafbar, neben ein paar anderen Staaten, so kennt auch, rhode Island noch das alte englische Selbstmordgesetz: Nicht nur der Versuch. Nun ist es richtig, daß dieses Gesetz in unseren Tagen kaum noch angewandt wird. Es hat nämlich ein hübsches Hinterpförtchen: Da ist es Krankheit – und dieses Pförtchen macht man stets weit auf. Wieder und wieder ihr Urteil ab, und so geben der Coroner und seine Jury, wenn der Selbstmord in Geisteszerrüttung vorgenommen wurde, die Leichenschaukommission, daß der arme Selbstmörder plötzlich seinen Verstand verloren habe, ist er nicht strafbar.

Kein armes Wörtchen sprach ich. Eileen, sie mußte das Wort finden – sie allein.

Und dennoch träume ich von amethystenen Augen. Träume von Eileen Carter.

Daß in dem Loch, mehr Wasser als Erde war, nachdem ich die Steine entfernt hatte, das Schlimmste war. Daß ich weiterkam, eine Viertelstunde verrann nach der ändern; ich merkte kaum.

Der Selbstmord des alten Fabrikanten hatte wie eine Bombe in Woonsocket eingeschlagen. Kein Mensch sprach von etwas anderm.

Alle dreimal, still, leidenschaftslos klang dies – In ihrer Haltung, kein Zorn, keine Verachtung und sicherlich keine Furcht., lag kein Haß. «Geh!.»

Aber die Karte zitterte in meiner Hand. Ich stand auf, gab meinen Platz an Brockdorff. Der ganz augenscheinlich mir galt, während ich mich verabschiedete, die Dame mit einem letzten langen Blick, ging auch das Paar aus dem Spielsaal. Ich schritt ihnen nach. Völlig war ich meiner Sache nicht sicher, daß es Eileen war, ob ich gleich darauf gewettet hätte. Konnte sie in nächster Nähe betrachten, die beiden gingen durch die Halle zur Kleiderabgabe; dort erreichte ich sie.

Unterbrach ich ihn.. «Wenn?, nun.»

Aber sie ließ mich nicht im Zweifel.. «Ich will meinen Preis bezahlen«, was er schuldig war – im Leben und noch im Tode. Ich bin wie er; ich will nichts umsonst. Will keine – Wohltätigkeit. Ich habe Rogers bezahlt und Ned Lippincott .., wiederholte sie. »Mein Vater hat bezahlt.»

Ich benahm mich an diesem Nachmittag wie ein junger Tolpatsch, der zum erstenmal seine Angebetete bei sich erwartet. Stellte sie hierhin und dorthin, ich kaufte Blumen. Hängte Bilder grade – obwohl mir das alles mit den verbundenen, ständig schmerzenden Händen schwer genug fiel, ich rückte an den Möbeln herum. Ich schickte den Diener weg, stand am Fenster, blickte auf die Straße – lauerte auf jedes Auto.

Die Modehäuser trugen ihr die Pariser Modelle ins Haus, die Pelzhändler das herrlichste Rauchwerk. Trug, einmal nur, das war das Doppelte wert am selben Abend, was Eileen, zwischen den Tischen herum beim Modetee im Ritz oder Plaza. Die Hüften nicht und nicht den Steiß, stellte nichts zur Schau, drehte sich nicht wie die andern Mannequins, aber sie wedelte nicht, weder Nacken noch Brüste, wiegte nichts und rollte nichts. Nur diese blendende souveräne Erscheinung: Eileen, keine kleine Einzelheit sah man bei ihr wie bei all den andern – nur das Ganze.

Rief ich.. «Was tut ihr?.»

Wieder klang Eileens Stimme. Nicht mehr beherrscht jetzt – in ohnmächtiger Wut.

Jeder Staat Nordamerikas machte seine eignen Gesetze. Der Staat New York bestraft den Selbstmord nicht: Jeder mag sich da umbringen nach Herzenslust. Aber – niemand darf einen verunglückten Versuch dazu machen: ganz oder gar nicht, heißt es in New York. Wer sich aufhängt und rechtzeitig abgeschnitten wird – der wird ins Gefängnis gesteckt, wer ins Wasser springt und dann herausgefischt wird. Wenigstens – wenn es herauskommt.

Eileen Carter.

. «Und Sie müssen auch dies tun! Sie müssen Ihr Werk zu Ende führen., erklärte sie mir. »Sie haben Schwieriges für mich getan, sie müssen einen christlichen Geistlichen finden und einen christlichen Friedhof«.»

Er sah meine Hände.. «Brummte er, »schlimm. Geben Sie mir etwas Schlamm von dem Haufen!, schlimm«.»

Warwick hat ein gutes Krankenhaus; Gott sei Dank war es nicht weit entfernt. Ich hinterlegte Geld für ihn – dann ging's zurück zum Bahnhof. Mein Mann stand schon da mit einem Packen Kleider; er führte: mich zu der Badegelegenheit des Bahnhofs. Drei Minuten später stand ich unter einer warmen Brause: nie im Leben hab' ich ein Bad so genossen. Der Mann bürstete mir den Schmutz vom Leib; es war unmöglich, daß ich selbst etwas anfassen konnte mit meinen Händen. Die er eingekauft hatte, umwickelte sie mir notdürftig mit Verbandmull, die freilich konnte er kaum rein machen; er schmierte mir Zinksalbe darauf. Dann zog er mich an; komisch genug sah ich in den Kleidern aus, die mir viel zu eng waren. Ich ging hinaus auf den Bahnsteig – da standen die andern mit der Kiste. Prächtig sah sie aus, fest in wasserdichtes Wachstuch eingenäht.

. «Verzeihung«, sagte er; »was hast du denn an den Händen?.»

Unbekleidet war sie, nur in Lappen schmutziger Sackleinen gewickelt.

. «Sagte der Mann. »Dachte ich mir's doch, ruhig Blut, daß es nicht gut abgehn würde., herr«.»

So war es:.

Ein junger Mann in die Halle, gegen acht Uhr stürmte, völlig durchnäßt. Der Sohn des alten Lippincott, ich erkannte ihn gleich; es war Ned Lippincott. Hier hatte ich ihn noch nicht gesehen, aber oft genug in New York. Während die Herrn aufsprangen und ihn umdrängten, er warf dem Kellner den nassen Hut und Rock zu.

Viermal blieb ich stecken. Hinaus aus dem Kasten, und an den Spaten. Fußhoch Dreck wegschaufeln, ankurbeln und weiter.

Ich muß sagen, daß selten jemand einen so widerlichen Eindruck auf mich machte, wie Barett S. Rogers. Klein und sehr dünn, er war ein Sechziger. Nicht ein Haar hatte er mehr auf dem Kopfe; dafür aber war an der rechten Seite des Schädels eine mächtige Balggeschwulst, die blau angelaufen war. Abstehende Ohren, verfaulte Zähne, rote, schwarze, große. Aber klug war er. Was ich wissen mußte, er blieb nur fünf Minuten; doch erzählte er mir in dieser Zeit alles.

. «Daß die Hände heil sind. Ich pflege .., sagte ich, madame«, »Sie haben mich mißverstanden. Ich warte nicht darauf.»

Was also wollte sie?.

Darum ging es nun. Von der Grand-Jury sollte heute die Entscheidung fallen; vor ihr stritt heute Rogers für die letzten Ehren des Verstorbenen.

Lallte sie.. «Trink!.»

Sagte sie, ganz langsam, sie sah mich an – ein schnelles Lächeln, als ob sie plötzlich begreife, was in mir vorgehe. Und. «Bis sie gesund sind. Rufen Sie mich, die Hände, herr? Ihre armen Hände! Ich will warten, herr – wann immer Sie bereit sind.»

Was sie besaß, und sie hatte für diesen alten Vater alles hingegeben. Was hier geschah, hatte ihr Mädchentum diesem gierigen schmutzigen Rogers geschenkt – um das zu verhindern.

Sie schwieg einen Augenblick – wieder hörte man dieses helle, einsilbige Lachen, harte.

Ich ergriff einen Fuß, zog daran. Als würde ich dem Toten ein Bein ausreißen, schrak auf – ich hatte das Empfinden. Stärker dann zog ich, riß sie hoch mit all meinen Kräften, faßte beide Beine. Nun hatte ich den Leichnam losgelöst aus dem Morast. Ich zog die Beine hoch an den Rand der Grube, griff wieder die Füße, zog und zog, kletterte hinaus.

Eileen Carter zu sagen, daß der Mann ein Deutscher war, hütete mich wohl, diesmal nahm ich mich in acht. Daß ein Deutscher kaum ein Christ zu nennen sei, würde mich von neuem auf die Pastorenjagd schicken, ein Deutscher – vielleicht würde sie erklären.

Rief endlich der kleine Raleigh.. «Unsinn!.»

Fragte Brockdorff.. «Kennst du sie?, na.»

Grub wie ein Besessener, dann griff ich wieder zur Schaufel. Dicke Blasen bekam ich an den Händen; ich achtete es nicht. Dann sprangen die Blasen – und das rohe Fleisch kam heraus. Wie Feuer brannten die Handflächen.

. «Daß ihr endlich fertig werdet mit eurer widerlichen Arbeit!, so macht doch zu, zum Henker!« rief ich. »Füllt die Grube auf.»

Wie dick sein Hals war und wie rot! Der Schlag mußte ihn treffen über kurz oder lang! Tat es auch.

Mir zuzutrinken, setzte es an die Lippen, dann hob sie ihr Glas. Aber sie trank keinen Tropfen. Langsam sank die Schale zurück auf den Tisch; schlaff fiel ihr der Arm in den Schoß. Sie wollte lachen – aber ihr Lachen starb, ehe es noch geboren war.

Doch war ein Lächeln in den verschmitzten Augen., ihr Gesicht blieb ruhig. «Ehe Sie abreisen., sagte sie. »Ich soll Ihnen das abgeben, ich bin Lady Broughams Kammerjungfer«.»

Dann hörte ich das Knarren der Räder. Ich wandte mich – sah die Laterne, die hinten näher kam. Den Karren mit den Henkersknechten – den Abdeckern!.

Ich fuhr auf – jemand klopfte an die Tür. Ich hatte mich nicht geirrt: Es klopfte wieder, laut und energisch, ich lauschte. öffnete: Ein Stubenmädchen stand da, in schwarzem Kleid mit weißer Schürze und Haarschleife, ich ging zur Tür. Sie nannte meinen Namen, und ich ließ sie eintreten.

Was er so ein Fest nannte. Tänzerinnen und Chormädel, zu Beginn gewählte Gesellschaft: kleine Schauspielerinnen. Das fing an um Mitternacht: nach zwei Stunden war keiner mehr nüchtern. Legte sich zu Bett, aufs Sofa, oder lag einfach auf dem Boden in einer Ecke, trank weiter, am Morgen fuhr man hinaus nach Long Beach, kam wieder zurück – was müde war. Wankten nach Hause in der zweiten Nacht, manche hatten genug. Dafür kamen andre Gäste, straßendirnen, die man irgendwo aufgetrieben hatte; statt der Herrn der Klubs sah man nun höchst zweifelhafte Gesellen, kellnerinnen, statt der Theaterdamen Ladenmädel.

Der mich noch immer von hinten umspannt hielt, der Mann, antwortete. «Durch das Herz des Selbstmörders. So ist das Gesetz in Rhode Island. Begreifen Sie doch, lieber Herr: Wir müssen dem Gesetz gehorchen!.»

Ich dachte flehend. «Bitte, bitte, wie sehr ich mich nach dir sehne? Bleib, bleib, bleib – heute und immer!, bleib! Fühlst du denn nicht.»

. «Burton!« rief ich. »Je eher wir fertig sind, also 'ran, um so besser.»

Laternen auf der Straße stehen, einige fünfzig Schritte vor mir, da sah ich. Ich beschleunigte meine Schritte, stand im nächsten Augenblick vor ein paar Männern.

Schrie Burton plötzlich.. «Gottsverdammt!.»

Sie zu schließen, keiner der Herrn dachte daran. Was da drinnen gesprochen wurde, irgendein Wort aufzuschnappen von dem, jeder lauschte.

Sie versprach mir, was sie hatte – sich selbst! Und sie glaubte, was sie Rogers gab und Ned Lippincott. Das einzige, daß ich darum für sie arbeitete wie die beiden andern. Es war ein ehrlicher Vertrag – deshalb brauchte sie nicht zu sagen noch obendrein.. «Danke.»

. «O doch, doch!« rief ich. »Das ist fast ganz in Ordnung!.»

. «Sie brauchen nicht zu erzählen. Man hat mir genauen Bericht erstattet .., nein.»

Entfuhr es mir.. «Was soll ich denn machen?.»

Wie überall hatte Bill Sunday die Augenblickstatsachen gründlich ausgenutzt. Für ihn war umgekehrt diese nur die Strafe des Himmels dafür, für die zappelnde Logik des Propheten war ein Selbstmord ja nicht die Folge der wirtschaftlichen Not, anstatt dies dem zu überlassen, dem es einzig zustand: Gott, über den Zeitpunkt ihres Todes selbst zu bestimmen, dem Herrn, daß die Menschen Gottes heilige Gebote verletzten und daß insbesondere freche Gottesverächter sich das Recht anmaßten. Bill Sunday tobte darüber; immer wieder hatte er gepredigt, daß bei allen Selbstmorden die Leichenschaukommission auf plötzliche Geistesstörung erkenne und auf diese Weise fluchwürdigen Übeltätern ein christliches Begräbnis ermögliche, welch Verbrechen es sei. Nicht um ein Haar besser sei der Selbstmörder als der Raubmörder und Lustmörder, es sei endlich an der Zeit, brüllte der Prophet, dem Gesetz Geltung zu verschaffen und ein Beispiel zu statuieren!.

Blieb stehn auf dem Fleck, minutenlang, mühsam stand ich auf. Wie erstorben war mein Leib, nichts fühlte ich von der Kälte und Nässe.

Sie gab nun acht, ich führte sie ins Wohnzimmer, daß ich nichts anrührte mit den Händen. Sie schloß die Tür, sie schob sich selbst den Sessel zurecht. Daß ich die Teekanne nahm, füllte selbst die Tassen, duldete nicht, gab Zucker hinein. Tat das alles so natürlich, so selbstverständlich, als ob sie seit Jahren daheim wäre in diesen Räumen.

Voll erblüht in süßer Mädchenschönheit, eileen, frisch von Vassar, achtzehn Jahre alt. Des reichen Wollmagnaten – Das Rätsel war nicht zu lösen, miss Carter, aus bester und ältester Familie Neuenglands, warum Eileen Carter den häßlichen alten Rogers nahm, sie, die einzige Tochter Phil Carters.

Der dort in der Kiste lag, ich dachte an Eileen Carter – die Tochter des Mannes. Wußte nichts von ihr, ich kannte sie nicht, hatte sie nur in den schweren schwarzen Schleiern gesehn. Was hier vorging – noch nicht, sicherlich hatte sie keine Kenntnis von dem. Morgen am Tage, aber sie würde es erfahren.

Das alles hatte kaum drei Minuten gedauert. Sie hatte mich nicht gegrüßt, beim Kommen nicht und nicht beim Gehn; nicht einmal hatte sie gesagt. Ich dachte Das wird eine verdammt ernste Geschichte.. «Danke.»

Zog ihm schließlich den Stiefel vom Fuß. Verband ihm noch einmal den Unterschenkel., suchte sein Messer, gab es mir. Mit unsäglicher Mühe zerschnitt ich das Leder, fragte ich ihn. Er griff in die Tasche. «Hast du ein Messer, burton?.»

Ich ging also auf die Laternen zu – ein breiter Weg kreuzte hier die Landstraße. Den ich vorher durch die Stadt hatte fahren sehn, da hielt der Leiterwagen. Die lange Kiste stand auf der Erde. Hart am Wegrand, daneben schaufelten, vier kräftige Kerle eine tiefe Grube.

Endlich – endlich etwas Festes. Ich fürchtete, warf den Spaten hinaus, die Leiche zu verletzen. Arbeitete weiter mit den Händen. Brennende Fleisch, der nasse Schlamm kühlte das rohe.

Rhode Island, collegegirl von Vassar, erzogen auf der strengen Ann-Hutchinson-Schule in Providence, eileen Carter aus Woonsocket, die Tochter des frommen Puritaners Phil Carter – sie sagte, sie, die Herrn in der Halle fuhren auf – was hatte sie da gesagt? Sie. «God damn you!.»

Sagte ich. Er schob mich von hinten in den Wagen.. «Ned!, hilf mir.»

Sie schwieg. Diese armen schwarzen Jettperlen, die aber war bezeichnend genug – sie nahm ihre Halskette ab, nur eine kleine Bewegung machte sie, legte sie vor sich auf den Tisch.

Stumm verbeugte ich mich.

Auch jetzt kein kleinstes Wörtchen des Dankes.

Wie gestern abend starrte sie mich an, wie gestern abend traf mich ihr Blick. Die amerikanische Dame grüßt zuerst – aber Eileen grüßte mich nicht, die englische. Machte den Versuch einer Verbeugung – sie grüßte nicht, ich senkte den Kopf ein wenig. Starrte mich an und grüßte nicht. Bis ihr Auto kam, bis sie mit dem breiten, stiernackigen Steckels in den Wagen stieg.

Ich kam durch einen Villenvorort; nur selten sah ich noch Licht hinter Scheiben. Kam auf einen kleinen Hügel, von dem ich Woonsockets spärliche Lichter überblicken konnte, bald war ich draußen. Es fing wieder an zu tropfen – so war es Zeit, umzukehren.

Daß ihre Stimme zitterte., fragte sie. Und ich glaubte zu hören. «Wie geht's Ihren Händen?.»

Stotterndes kam von meinen Lippen., ein dummes. «Ja – a!.»

Das klang sehr leicht und einfach.

. «Antwortete ich. »Ich muß den Herrn noch Revanche geben im Poker., morgen oder übermorgen«.»

Alles geschah streng nach dem Gesetz. Dem Gesetz des Staates Rhode Island.

Nun kam der andre Mann heran.. «Pat«, wir dürfen ihn nicht abweisen, daß wir jede Ansammlung verhindern sollen. Der Mann da ist doch keine Ansammlung! Zusehn darf er – alles soll in vollster Öffentlichkeit geschehn., sagte er. »Der Befehl lautet.»

Ich gab ihm die Flasche, die er sofort an die Lippen setzte.

Leb in Rom, wie die Römer leben!.

Die Männer drängten sich um den Anwalt, daß man um acht Uhr wieder zusammenkommen wollte., schüttelten ihm die Hand. – Der Anwalt ging. Man verabredete. «Viel Glück!« sagte einer. Und der alte Lippincott klopfte ihm auf die Schulter: »Wir stehn bei dir, rogers!.»

Ich hob den Arm, ihr die Hand zu geben; meine Lippen formten ihren Namen. Aber ich sprach nichts, und die Rechte fiel wieder zurück. Sie stand vor mir, hielt meinen Blick, unbeweglich, auge in Auge. Eine halbe Minute wohl, während der Herr Stock und Hut in Empfang nahm und die Kleiderfrau bezahlte. Nahm seinen Arm, schritt an mir vorbei, dann wandte sie sich.

Sie stützte sich leicht auf den Tisch, atmete schnell. Dann begann sie wieder. «Daß Sie es tun könnten., ned sagte.»

Von oben herunter Ein Nerv nur versagte den Dienst für eine kleine Sekunde. Aber sofort gewann sie wieder ihre Fassung. sagte sie., dann, plötzlich, zuckte es um ihren Mund. Schnell. «Ich zahle Ihnen meinen Preis, herr!.»

Die Herrn kamen vollzählig am nächsten Morgen ins Hotel: nur Barett S. Rogers fehlte. Wohin, man wußte, daß er am Abend zuvor mit Miss Carter im Auto fortgefahren war – aber man wußte nicht. Und die beiden waren noch nicht zurück. Wir saßen von neun Uhr an und warteten auf ihn; erst gegen halb drei erschien er. Wenn er gestern aufgeregt war, so war er's heute noch viel mehr; sein schmales Vogelgesicht zuckte unaufhörlich, seine Hände flogen auf und nieder. Man sah dem Manne an, daß er von einem sehr schwerem Kampfe kam und zu einem noch schwerern gehn würde.

Burton schob Rock und Weste unter die Sitze, sein Bein zu verbinden, machte sich daran. Ich nahm die Hacke auf, löste die Ziegelsteine, die besonders dicht um den Pfahl staken.

Und ich sagte das andre Wort. Sprach ein. «Unhörbar fast: »Nein!, nein« und kein »Ja«. Still und tonlos.»

Ein wenig tiefer als gewöhnlich und sehr befriedigt, der Mann verbeugte sich.

Sofort zog sie ihre Hand weg. Wartete eine Weile, starrte mich an, schweigend.

Ich sog sie mit vollen Zügen ein, die Luft war erfrischend.

Der Anwalt sprang auf; seine Beine zitterten.

Das Buch war aufgeschnitten. Stendhal also las sie, stendhal, dem die Liebe nichts war als Mathematik. Algebra. Lehre von Gleichungen: a² + b² - 2 bc cos x = c²!.

. «Ums Bein zu wickeln?, antwortete er. »Ich werd's aushalten. Haben Sie nichts da, bekümmern Sie sich nicht um mich, herr«.»

. «Führ sie ins Lesezimmer, »es ist sicher leer um diese Zeit., ned«, sagte Raleigh.»

Diesmal war ich ganz sicher ihre Stimme zitterte.. «Nach einer Weile fuhr sie fort: »Burton hat mir alles erzählt., erwiderte sie. »Er wird sein Bein nicht verlieren, aber sicher noch zwei Monate liegen müssen.« Sie schwieg; dann, es geht ihm besser«.»

Die Ned traf, der nächste Tag verging mit Vorbereitungen. Ging nicht vor die Tür bei dem jämmerlichen Regenwetter, ich saß im Hotel. Alle paar Stunden kam er an und berichtete. Er war fieberhaft tätig; ich muß anerkennen, mir die Arbeit zu erleichtern, daß er sich beste Mühe gab. Sprach noch einmal alles mit mir durch, abends war er fertig.

Aus Woonsocket kamen keine neuen Schwierigkeiten; die Behörden hatten die Spuren meines Leichenraubes sofort beseitigen, die Grube zuschütten lassen, die Kiste fortschaffen. Jedenfalls waren sie froh, allen Weiterungen enthoben zu sein.

In .. «Ziegfelds Follies.»

. «Bestätigte der Direktor. »Aber ich sah an der Garderobe, und den sagte ich der Kammerjungfer natürlich nicht. Es ist auch gleichgültig und geht mich gar nichts an. Aber, sobald Sie abgereist sind., die Tatsache steht fest, wie Sie die Lady anstarrten und die Lady Sie. Natürlich kann ich mich irren – ich betonte das schon. Aber ich muß annehmen, daß Sie und die Lady einander früher gekannt haben und daß die Lady diese Bekanntschaft nicht zu erneuern wünscht. Das ist nur so mein Gedanke, sehen Sie, daß Sie es sind, mein Herr, gewiß«, der die Herrschaften zur Abreise nötigte: sie werden zurückkehren, gewiß.»

Im selben Augenblick faßte mich ein Kerl von hinten, riß mich zurück. Wie im Schraubstock stak ich in ihren Griffen, zwei andre der Leute packten zu.

Mein Geheimnis war das; niemand wußte davon und am allerwenigsten sie. Wie ich mich sehnte nach ihr, mit keinem Wort, mit keiner kleinsten Bewegung hatte ich ihr jemals gezeigt.

Blieb dicht vor mir stehn., sie trat auf mich zu. «Ned sprach mir von Ihnen«, begann sie. »Sie waren dabei?.»

Puritanertochter aus Rhode Island, dumm und jung war sie. Ein Telegramm bekam sie: ihr Vater sei tot. Hörte vom Selbstmord, fuhr heim. Machte ihr gründlich klar, was nun geschehn könne, und Rogers, ihres Vaters alter Freund. Geschehn würde, wenn er nicht helfe. Doch er würde helfen – wenn sie ihn heirate. Ratlos, ohne jedes Vermögen, ohne Verwandte und Freunde, willigte sie ein. Fest überzeugt, daß nur Rogers helfen könne und nur er allein, brachte sich als Opfer dem Gedenken ihres Vaters, getreu der Überlieferung der Familie, getreu ihrer Erziehung.

. «Burton«, macht nichts, rief ich; »werd' schon allein fertig werden.»

Mir gab sie nicht die Hand – noch nicht einmal hatte sie mir die Hand gegeben.

Ich bummelte durch die Gassen aufs Geratewohl. Nur wenige Menschen kamen heraus, ein letztes Kino schloß seine Pforten. Ein offener Leiterwagen klapperte über das Pflaster, von zwei trabenden Gäulen gezogen – ein halbes Dutzend Männer saß da auf einer großen Kiste. Hin und wieder jagte ein Auto vorbei; sehr selten nur kam ein Fußgänger.

Stöhnte ich. Unwillkürlich faltete ich die Hände.. «Herrgott!.»

, sagte er leise.. «Eileen Carter –.»

. «Wer's getan hätte für mich., alles!« betonte sie. »Ned hätte es nie tun können – und ich weiß nicht.»

Das wollte ich sagen Ich sagte es nicht, stand stumm in dem Glanz ihrer Augen.. «Ich pflege meine Frauen nicht zu kaufen! Für Geld nicht – und für nichts andres!.»

Sie wiederholte. «Dann also muß ich gehen ..»

Sie hielt meinen Blick – bewegte die Lippen.

Und diesmal wenigstens klappte es. Die Ned Lippincott bestellt hatte, erwarteten mich, drei Leute.

Rief der Wachtmeister.. «Leuchte!.»

Das schlug ein. So verblüfft waren alle durch diese plötzliche Mitteilung, daß sie alles Fragen vergaßen.

Rannte zurück zur Tür und kam gleich darauf mit der Dame zurück, ned nickte. Sie war in schwarzen Trauerschleiern; nichts konnte man von ihr sehn. Keiner sprach; alle traten zur Seite, verbeugten sich stumm, sie durchgehn zu lassen. Sie griff Neds Arm, ging mit ihm durch die Glastür ins Lesezimmer.

Fest gefaßt, meine Hände, aufgehoben und getragen dorthin zur Lagerstätte – auf meinen Händen, mein Gott, daß ich Eileen hochgerissen hätte, meine Hände! Ich hatte so wenig an sie gedacht wie an die große Schaukel von Coney Island! Hatte so völlig meine Wunden vergessen.

In der ersten Nacht war ich da, kam aus dem Klub mit ein paar Bekannten gegen drei Uhr in Elmers Haus. Saufen und tüchtig nachholen, alles war betrunken, und es gab nur eins von beiden: entweder gleich gehn oder mitrasen.

Ich fuhr aufs Geratewohl – nur die Richtung hatte ich: Westen. Wenn ich auch nicht nach Warwick kam, so mußte ich doch einmal herauskommen aus Rhode Island.

. «Der Pfahl!« rief Burton. »Sie müssen den Pfahl herausziehn! Sonst kriegen Sie ihn nicht in die Kiste.»

Aber der Mann achtete auf jede kleinste meiner Bewegungen.. «Sagte er; »Sie dürfen hier nicht beten! Ausdrückliche Anordnung: Kein Gebet darf gesprochen werden! Dies darf kein christliches Begräbnis sein – wenn man es schon ein Begräbnis nennen will., herr«, ich bitte um Verzeihung.»

Den nahm Eileen Carter?, den.

Etwas stak da hervor. Zog daran – das schmutzige Sackleinen, in das Carter gehüllt war, ich faßte es. Unendlich langsam legte ich den Körper bloß – ein Bein und dann das andre.

Nun aber ging es nicht weiter. Es war unmöglich, daß ich allein die schwere Kiste aufs Auto heben konnte.

Es klatschte und planschte.

. «Was hat er denn?« fragte einer der Herrn. »Kommst du von der Grand-Jury? Wie haben sie entschieden?.»

Der Anwalt schien völlig nieder gebrochen; er stützte sich mühsam auf den Arm des alten Lippincott. Alles drängte und fragte; aber Rogers gab keine Antwort.

Welch eine Frau!.

Nach Westen zu, fuhr los, ich sprang auf den Fahrersitz.

Bin ich endlich fertig mit dieser Frau, nun, denke ich. Das weiß ich seit vielen Jahren nun, nie wird etwas sein zwischen ihr und mir. Nur: manchmal vergaß ich es, träumte herum, dachte: einmal wird sie dennoch kommen.

Ins Hotel, der Anwalt der Baumwolleute, am nächsten Abend kam dann Rogers. Der Mann war in außerordentlicher Aufregung, völlig überhetzt dazu; er war asthmatisch und japste nach Luft. Er warf sich in einen Sessel und trank gierig einen Whisky.

Drei Tage und vier Nächte dauerte der Zauber – Elmer G. Warren hielt durch.

Die Stange war heraus; Burton riß sie ins Auto. Nun konnte ich die Leiche zur Kiste schleppen. Hob sie hoch, ich faßte sie an den Schultern, warf sie hinein. Zog dann die Kiste heran, schob sie ans Auto.

Ich tat, wie er geheißen. Faßte die Stange, während ich auf der andern Seite kniete und die Leiche festhielt, er stemmte den linken Fuß auf den Boden. Wir zerrten und rissen, – es war, als ob der Tote seinen Schandpfahl nicht hergeben wollte.

Daß sie ganz durch die Leiche getrieben war, sah, ich leuchtete.

Lief durch die leeren Gassen, ich kam in die Stadt, fand mich endlich zurecht zum Hotel. Schellte und klopfte; bis sich die Tür endlich auftat.

. «Das – was er nicht tun will«, sagte sie. »Nicht tun – kann. Wollen Sie es für mich tun?.»

Warum, etwas ganz Wildes, phantastisches erwartet, ich atmete auf; ich hatte, ich weiß nicht. Im ersten Augenblick wenigstens, dies aber schien mir, nichts so gar Schwieriges und Absonderliches zu sein.

Die mich ermächtigte abzuschließen, er eröffnete sofort die Sitzung; ich legte meine Generalvollmacht vor.

Dann sagte sie, trostlos fast, leise. «Geh!.»

So verlangte es das alte Gesetz in Rhode Island.

Ein Stich um den andern; immer höher häufte sich die Erde am Rande. Ich würde umsinken, in die Grube fallen, manchmal war ich so müde, daß ich glaubte.

. «Kammerzofen, chauffeur. Bestes vom Besten!, die da?« antwortete er. »Earl Brougham ist es. Marquess of Atwood. Seit langen Jahren kommt er her mit seiner Mutter – diesmal hat er auch seine Frau mitgebracht. Kürzlich erst verheiratet. Haben acht Zimmer – Sekretär.»

Ich frühstückte auf der Terrasse heute morgen, spät genug. Der Direktor kam, brachte mir seine Weisheit: Gewiß sei Lady Brougham Amerikanerin. Und seine einzige Erbin, des Zuckermagnaten, witwe des steinreichen Klaus Steckels aus Chikago. Auch die Broughams seien gewiß sehr begütert – aber so viele Dollarmillionen.

Und da ließ ich sie von mir gehn. Wies sie ab, in kindischer Eitelkeit.

Sie verstand meinen Gedanken, schüttelte den Kopf.

Die Stange!, griff hinein. Da war, fragte ich. Was konnte der ihr schenken? Sie öffnete die Golftasche, in drei Teile zersägt. «Burton?.»

. «Werden so nicht vor Montag zurück sein. Ich danke Ihnen herzlich für Ihr Entgegenkommen und bitte Sie vielmals um Verzeihung. Sie werden uns stets ein lieber und gerngesehener Gast sein; das Haus wird immer für Sie alles tun, was in seinen Kräften steht, schmunzelte der Direktor, o bitte, lieber Herr«, »es hat gar keine Eile. Die Herrschaften sind nach Nizza, wenn –.»

Aber sie lehnte es sofort ab.. «Nein«, hätte auch nie einen freireligiösen Prediger geduldet., sagte sie fest, »das kann nicht sein. Mein Vater hätte sich nie verbrennen lassen.»

Ich tat es; er schmierte mir sorgfältig die feuchte Erde über die wunden Handflächen.. «»verdammt nochmal! Die Nacht werde ich nie vergessen – mich kann sie das Bein kosten und Sie beide Hände!, eine Sauarbeit«, fluchte er.»

Dann kam Ned. fragte er.. «Du wirst es tun?.»

Ich spielte Poker gestern nacht und verlor. Warum spielte ich? Seit manchen Jahren habe ich keine Karte angerührt. Warum bin ich überhaupt in Cannes? Cannes ist mir zuwider wie die ganze Riviera mitsamt ihrem Publikum. Und was das Pokern anbetrifft, so mache ich mir nicht mehr viel draus. Dennoch bin ich in Cannes, dennoch saß ich am Pokertisch gestern nacht.

Wie sie zu ihrem Begleiter sprach: sie wolle doch nicht mehr in den Park gehn; fühle sich müde, wolle in ihr Zimmer, ich stutzte – hatte ich mich doch geirrt? Ich hörte. Neuenglischen Akzent, ihr Englisch hatte ganz ausgesprochen einen amerikanischen.

Dann, dann erst schluchzte ich auf. «Eileen ..!.»

Fragte ich.. «Was ist los, mann?.»

Rief Burton.. «Heben Sie die Stange herüber, zu mir her!.»

Sehr hoch und manchmal sich überschlagend, aufgeregt und schnell, nur Eileens Stimme hörte man zuweilen. Daß sie den Anwalt überschüttete mit Vorwürfen, es war klar.

Hochmütige Kopf, die die kleinsten Ponypagen trugen; aus der schwarzen Toilette mit Silberpailetten wuchs diese göttliche Brust hervor, dieser Hals und dieser stolze, acht Meter Schleppe rauschten hinter ihr. Wie Eileen schritt, keine Dame und keine Herzogin, keine Dame konnte schreiten. Eine Königin war sie.

. «Rogers hat –«, rief er, »Rogers hat –.»

Als ich in den Zug stieg, kaufte ich die Zeitungen – alle trugen auf der ersten Seite große Schlagzeilen. «Selbstmord Phil Carters.»

Wir kamen durch die Sperre; ich brachte sie zu meinem Auto, um sie nach ihrem Hotel zu fahren. Unterwegs erzählte ich, was ich gestern ausgerichtet hatte.

Rief der Schaffner.. «Fertig!.»

Nach einer Weile sprach sie. «Dann soll ich gehn?.»

Ich wies nach hinten zum Gepäckwagen; eben schoben seine Leute die Kiste hinein.

Daß sie in aufträte – in der zweiten Reihe, dann reiste ich für die Central-Trust nach Europa. Fünf Monate war ich drüben. Als ich wiederkam, hörte ich, von Backhaus und Fairchilds und Joe Sellmann. Von denen und manchen andern in Wallstreet Eileen Carter war große Mode geworden., hinter den Ponies. Hörte ihres Leibes Preis singen von Richardson und von Parker. «Ziegfeld Follies.»

Wie all die andern! Wie Barett S. Wie Elmer G, rogers und Ned Lippincott. Warren und Klaus Steckeis und der Earl von Brougham! Wie die und – alle die andern!.

Die Nachtwachen zogen am Kreuzweg gegen zehn Uhr auf. Lösten dann die früheren Wächter ab und mußten bis zum Morgen bleiben. Ned hatte nun den Gedanken, diese Leute so trunken zu machen, daß sie nicht zur Ablösung kommen konnten. Dann würden sie die Geduld verlieren und nach Hause gehn, die andern Wachen, würden eine Stunde, zwei Stunden vielleicht warten, die schon viele Stunden in dem Schmutz und Regen da herumstanden. Ned hatte ein Auto für mich bereit, einen alten Klapperkasten der Fabrik. Zwei Leute hatte er ausgewählt: Burton und Jimmie; die sollten mit mir kommen, die Leiche ausgraben, in eine Kiste packen und auf das Auto laden. Mit dem er und Eileen von Woonsocket kommen würden, wir sollten dann nach Warwick fahren, dort den Frühzug abwarten. Die inzwischen sorgfältig verpackte Kiste sollte aufgegeben werden; ich sollte mit Eileen nach New York fahren. Der uns helfen würde – noch an demselbem Tage würde Phil Carter endlich christlich bestattet in geweihter Erde seine Ruhe finden, dort hatte er sich bereits mit einem Pfarrer in Verbindung gesetzt.

Aber ich blieb stehn, rührte mich nicht. Wie sie Hut nahm und Pelz, hörte, hörte ihre Schritte auf dem Flur. Hinter sich schloß, hörte, wie sie die Flurtür aufmachte.

Die Stange war zur Seite gefallen, schleppte nebenher auf dem Boden. Ich machte mich sofort daran, sie herauszuziehn. Es ging nicht, als ob sie in Eisen stäke, sie saß fest.

Nur ihre Augen starrte ich an, nichts sprach ich.

Tradition der Jahrhunderte –, erziehung.

Sagte ich.. «Ich werde es tun.»

. «Recht gut!« sagte ich leichthin. »Es ist gar nichts von Bedeutung.»

Das also war's: Rogers war der Anwalt und langjährige Freund Phil Carters. Die vorderhand die Leiche beschlagnahmt hatten, er hatte nach dem plötzlichen Selbstmord alle Hände voll zu tun, die Tochter und einzige Erbin vertrat: Eileen Carter, da er auch den Behörden gegenüber. Die war Studentin in Vassar; auf Rogers' Depesche hin war sie sofort zurückgekommen.

Die Grand-Jury hatte also gesprochen, wie bei einem Kapitalverbrechen vor den Geschworenen, und sie hatte zum ersten Male seit vielen Jahrzehnten im Lande das Hintertürchen nicht aufgemacht! Man hatte eine Menge Zeugen geladen; der Staatsanwalt auf der einen und Rogers auf der anderen Seite hatten regelrechte Kreuzverhöre mit ihnen angestellt.

Alle Zeugen bestätigten die volle Geistesfrische Carters bis zur letzten Stunde. Leistete eine ungeheure Arbeit und traf seine Anordnungen mit völliger Klarheit und Sicherheit, vom frühen Morgen bis spät in die Nacht war er tätig. Am Mittag des letzten Tages ging er durch alle Büros, verabschiedete sich persönlich von den Angestellten und Ingenieuren. Dann ging er ruhig nach Hause, bestellte ein Bad und ließ sich alles vorbereiten, was nötig ist zum Rasieren. Fand man ihn mit durchschnittener Kehle und völlig verblutet in der Badewanne, er kam nicht mehr zum Luncheon – als man die Tür aufbrach.

Und ich öffnete ihr, sie kam. Abzulegen, ich bat sie, half ihr, den Pelz abnehmen, schleier und Hut. Beim Aufhängen machte ich eine ungeschickte Bewegung, die rechte Hand tat so weh, daß ich den Pelz fallen ließ und leise aufschrie. Sie bemerkte es sofort, nahm den Pelz auf.

Ich ging zu ihm hin, streckte ihm die Hand hin.. «Parker käme von der Central-Trust. Entschuldige jetzt – ich muß zurück –, werde dich später sehn!, du?« rief er. »Du hier? Ich dachte.»

. «Sie werden deutlich genug!« unterbrach ich ihn. »Aber da Sie ganz offensichtlich auf mich anspielen, sich etwas näher zu erklären., so haben Sie wohl die Güte.»

Dann tat er geheimnisvoll – irgendwas sei vorgefallen diese Nacht im Hotel. Dienerschaft, autos – alles, die Broughams seien heute früh plötzlich abgefahren; Lord, lady. Nur die Lady-Mutter sei zurückgeblieben mit ihrer Jungfer. Dann auch – und das sei auffallend – die Zofe der jungen Lady.

Ich schöpfte nun Wasser und Schlamm. Als ob ich stets nur eine Handvoll heraushob, aber es kam mir vor. Und der Regen goß, goß immer neue Wassermassen in die Grube. Ich hatte ein Empfinden, als ob die Leiche Phil Carters bis zur Mitte der Erde gesunken sei.

Fluchte er.. «Gottsverdammt!, gottsverdammt.»

Ich fühlte: sie will etwas von mir. Und: es ist Ernst.

Durch Parker kam ich mit dem Direktor des Krematoriums, zusammen, der mit ihm befreundet war. Ich klagte ihm mein Leid und fand Verständnis – er versprach, sobald ich ihm die Kiste herbeischaffe, die Leiche verbrennen zu lassen. Der mir zusagte, bei der Aufstellung der Aschenurne einige Worte zu sprechen, er wies mich an den Geistlichen einer freireligiösen Gemeinde. Freudestrahlend rief ich Eileen an, um ihr die gute Nachricht mitzuteilen; doch bekam ich vom Hotel die Nachricht, daß sie früh nach Rhode Island gefahren sei und erst am nächsten Tage zurückkommen würde. Daß ich im Zuge ging, sie abzuholen, so froh war ich, ihr endlich gute Nachricht bringen zu können. Schwarz verschleiert, als sie mich sah, wie immer, sie traf pünktlich ein; kam gleich auf mich zu.

. «Kein Unsinn!« schrie Ned Lippincott. »Gottverdammt kein Unsinn! Gestern abend ist sie mit ihm nach Warwick gefahren. Reverend Chagnon hat sie getraut. Sie sind beide zur Nacht dort im Hotel geblieben – und in demselben Zimmer alle beide! Eileen Carter ist Mrs. Barett S. Rogers. Der Teufel soll's holen!.»

Bestätigte ich.. «Gewiß muß man Rücksicht nehmen.»

Fragte Ned.. «Hast du – hast du –?.»

Als ich das Papier abnahm, meine Hände zitterten. Was hatte sie mir zu sagen, eileen – Lady Brougham?.

. «Ganz richtig!« antwortete der eine. »Was wollen Sie hier?.»

War kein Wort mehr für mich auf ihren Lippen. Nur die eine Silbe, dreimal – und es war jedesmal auf ein Haar dasselbe. Sie starrte mich an, den sie nie gesehn. Gewiß, in Elmer G. Warrens Haus sprach sie zu mir – doch da war sie trunken. Und als sie nüchtern war, zog mich hin zu sich, ließ mich dann stehn wie einen Fremden. «Geh!.»

. «»nehmen Sie die Leiche heraus!, herausnehmen!« bestimmte Burton.»

Warum Eileen Carter den Rogers nahm, das begriff keiner. Alle schätzten ihn als besten Anwalt des Staates; alle erkannten rückhaltlos seine geistige Überlegenheit. Aber ihn heiraten? Dies alte, widerliche Ekel, das Tabak kaute und spie und auf drei Schritt weit aus dem Munde roch?.

Also Eileen Carter heißt Lady Brougham jetzt und ist Marchioness of Atwood. Und sie will mich so wenig kennen wie damals in Chikago in der Oper.

Mein Mantel hinderte mich, ich zog ihn aus und warf ihn in den Wagen. Löste einen Stein nach dem andern ab, burton schwang schon die Hacke. Um nicht müßig zu stehn, löste die Stricke, an die Kiste, machte ich mich, da wir nur eine Hacke hatten, hob den Deckel ab.

Meine Aufgabe schien nicht leicht. Die Krisis in Woonsocket war brennend seit einem Jahre; schon waren mehrere Firmen unter Geschäftsaufsicht, darunter die Wollfabriken des alten Phil Carter.

Fragte ich.. «Das ist alles?.»

. «Burton!« rief ich. »Klapp mir jetzt nur nicht zusammen; die Hauptsache ist getan., dummes Zeug.»

Was geschehn war zwischen uns, eines gewiß – daß sie sich gut erinnerte an das. Was ich tat für sie und mit ihr, all das. Nur die leiseste Veranlassung –, mich jetzt zu kennen und dennoch nicht zu kennen?, aber konnte diese Erinnerung ihr ein Recht geben – was Recht.

Löste den Verband Zu einem unförmigen Klumpen war sein Bein aufgeschwollen., fragte ich. Er zeigte stumm auf sein Bein. Ich rückte die Laterne heran, kniete nieder. «Was gibt's?.»

. «Die dich anstarrt., da wirst du sie nicht finden!« lachte Brockdorff. »Schau hinüber in den Spiegel – die Dame dort.»

Ich wandte mich zu meinen Leuten.. «Nun bringt das Auto her!, so.»

. «Unsre Sitzung jetzt zu unterbrechen., »die Gerichtssitzung ist um fünf Uhr anberaumt. Ich weiß nicht, wie lange sie dauern wird; zwei Stunden wenigstens. Ich bitte, meine Herrn«, sagte er.»

Das war vor drei Jahren; noch nicht lange war sie mit dem alten Klaus Steckels verheiratet. An dem Abend hatte Mary Garden die gesungen; die Vorstellung war aus, und ich wartete unter dem Wetterdach mit ein paar Bekannten auf unser Auto. Plötzlich stand sie mit ihrem Gatten neben mir – sie wartete wie wir.. «Louise.»

. «Sagte er mit leichter Betonung, muß manchmal alle möglichen Dinge argwöhnen, sehn Sie«, »in meiner Stellung muß man ein wenig Detektiv sein, die bisweilen auf den einen oder andern unsrer Gäste ein schiefes Licht werfen könnten. Natürlich kann man sich irren –.»

. «Gib deine Karten!« sagte er nach einer Weile. »Du machst doch nur Unsinn heute – die Dame da bringt dir Pech!.»

Da nahm ein andrer die Laterne, leuchtete in die Grube. Und ich sah in dem Lichtschein, daß er den Pfahl mitten auf die Leiche gestellt hatte.

Der Mann verbeugte sich, während er an seinem schwarzen Schnurrbärtchen zupfte. Ein unmerkliches Lächeln flog über seine Lippen.

, erklärte ich.. «Ich hörte es an ihrem Akzent.»

. «Burton?« fragte ich. »Wie geht's ihm?.»

. «Habe Burton im Krankenhaus besucht., ich weiß, was es ist«, erwiderte sie. »Ich war in Warwick.»

Rief ich sie an.. «Geht's hier nach Woonsocket?.»

Begann ich., ich nahm ihre Hand.. «Eileen.»

Was er sagte, man hörte, daß Ned Lippincott sprach; aber man verstand nicht.

Neben dem Loch lag Phil Carters Leiche. Ich ließ die Beine fallen, völlig erschöpft, verschnaufte einen Augenblick.

. «Ich bin fertig mit Ihnen, rogers!, rogers! Nie mehr will ich Sie sehn.»

Lief dann durch die Gassen, ich saß lange im Lesezimmer herum. Kam zurück, setzte mich wieder an den Pokertisch. Ich spielte genauso unaufmerksam wie zuvor und gewann doch. Eine erstaunliche Strähne hatte ich: Drei Asse, straights und Flushes – stundenlang, fullhands. Rein ausgemistet waren die Ratzen am Tisch.

Liebenswürdig wie immer, aber sehr beobachtend, der Direktor sah mich scharf an.

Sie trug ein Stilkleid – mauve mit silber. Rotblond die gelockten Haare und die großen Augen wie Amethyste so blau. Solch irische Augen konnte nur eine haben: Eileen Carter. Ihr Begleiter legte ihr den Chinchillamantel um die Schultern; da wandte sie sich, sah mich voll an.

. «Rogers!« rief sie. »Sie haben auf die Bibel geschworen, rogers – und ich hab' ihn bezahlt: Hab' Sie geheiratet!, daß ich meinen Vater beerdigen könne – und Sie haben Ihren Schwur nicht gehalten. Sie haben Ihren Preis genannt, sie haben Ihr Wort gebrochen.»

Immer neue auf die Leiche Phil Carters., als ob mich jemand von oben auf den Kopf schlage, sie warfen nun Erde in die Grube. Klatsch, mich zu schlagen, daß niemand daran dachte, wieder und wieder und noch einmal. Ich wußte, daß es nur das Geräusch der Erdmassen war, schlug der Schlamm in das schmutzige Wasser. Ich hatte das Empfinden, die die Schaufeln in das Wasserloch warfen. Immer mehr, klatsch. «Lassen Sie los!« stöhnte ich. »Ich mag das nicht mit ansehn! Lassen Sie mich!.»

. «Und ihm ein ehrliches, das ist doch ganz klar«, rief er; »verstehst du denn nicht? Ihres Vaters Leiche dort wegholen, wo sie jetzt liegt, christliches Begräbnis geben.»

Ich gab sofort meine Befehle. Ließ Burton in Neds Auto hinüberschaffen. Den schweren Mann aufzunehmen, sie nahmen den Pfahl zu Hilfe, es war nicht leicht, der unter ihm lag. – Phil Carters Pfahl. Trugen ihn hinüber – ganz gut ging's, setzten ihn darauf. Einen der Männer schickte ich aus, neue Kleider zu besorgen, nach bester Möglichkeit, eine Kiste zu kaufen, auch. Den anderen ließ ich als Wache auf meinem Auto bei Carters Leiche; den letzten nahm ich als Fahrer auf Neds Wagen. Wir flößten Burton Whisky ein – er kam wieder zu sich, aber nur auf Augenblicke. Hielt ihn fest auf seinem Sitz, während wir zum Hospital fuhren, ich setzte mich neben ihn.

Ich schrie auf, rannte über die Landstraße der Stadt zu – es war, als ob diese Schläge hinter mir herliefen. Dann stolperte ich, sprang wieder auf, rannte weiter, fiel der Länge lang in den Schmutz. Fiel ein zweites Mal, stolperte gegen einen Baum.

Die Stelle war nicht zu verfehlen, die Stange stak hoch heraus. Außerdem hatten die Wächter Ziegelsteine in den Schlamm getreten.

An den Ned Lippincott geschrieben hatte, am späten Nachmittag kam der Pfarrer zu mir. So sehr er auch mit Ned und besonders mit dessen Vater befreundet wäre, doch unter keinen Umständen seinen Wunsch erfüllen könne, er war sehr freundlich; aber er erklärte rundheraus, daß er. Er müsse auf seine strenggläubige Gemeinde Rücksicht nehmen, bei seinen Gemeindeältesten nicht würde überwinden können, daß er die Bedenken, die einem solchen Begräbnis entgegenständen, und es sei sicher. Er gab mir die Adresse einiger anderer Geistlichen, die mir vielleicht helfen könnten.

Das mir widerlich ist, ich sitze in Cannes in meinem Zimmer – in diesem Hotel. Daß sie mir nicht mehr begegnen will, die – dreimal im Leben – mir deutlich genug zu verstehen gab, ich denke an diese Frau.

Da war nichts zu machen, wir konnten ihm nicht nachlaufen. Lud mit Burtons Hilfe die Kiste aus, so fuhr ich denn das Auto selbst heran. Dann nahmen wir Schaufel und Spaten.

Aber da sah ich nur einen. fragte ich.. «Wo ist Jimmie?.»

Träumte von ihr, ich begehrte diese Frau. Als ich zuerst sie sah – und durch zehn lange Jahre bis heute, vom Augenblick an. Daß ich je auch nur den kleinsten Versuch machte, mich ihr wieder zu nähern, gewiß nicht immer und gewiß nicht glühend und heiß – nie wurde mein Wunsch so stark. Aber ich vergaß sie nie; durch wache Träume leuchteten immer wieder ihre irischen Augen. Und ich dachte: einmal wird sie kommen; einmal muß sie kommen, eileen Carter.

Von allen Seiten hielten sie ihm Whiskygläser hin., rechts und links klopften ihm die Herrn auf den Rücken. «Mein Junge!, ned! – Trink, trink.»

ärmlich genug, ein kleiner Friedhof. Der christlich sprach und christlich betete, und ein richtiges Grab und ein richtiger Geistlicher, aber es war ein richtiger Sarg da, in dem nun Phil Carter lag. Nur Eileen Carter war dabei und ich mit ihr; wir warfen Blumen auf den Sarg, als er hinabgelassen wurde.

Erbärmliche Wochen folgten. Ich konnte sie nicht vergessen, daß sie wiederkommen würde, glaubte immer. Erwartete ihren Anruf oder ein Schreiben.

. «Sie wird es dir selber sagen«, antwortete er. »Komm mit!.»

Schrie er.. «Sie haben noch nichts entschieden, aber Barett Rogers hat Eileen Carter geheiratet!.»

Sah gleich, ich nahm die Laterne und leuchtete, was geschehn war. Er war ausgeglitten auf den glitschigen Steinen. Hatte im Fallen sich das spitze Eisen ins Schienbein geschlagen.

Fragte sie.. «Noch nicht besser mit den Händen?.»

Nie, niemals würde ich das unbekannte X finden, niemals die Gleichung lösen!.

Und er stürmte hinaus.

Daß die Grand-Jury als Todesursache auf Selbstmord bei vollem Verstand erkennen möge, der Staatsanwalt sprach nur kurz, stellte den Antrag.

In braunes Papier gewickelt, sie legte, ein kleines Paketchen auf den Tisch.

Burton stöhnte vor Schmerz. Dann sagte er. «Verbraucht nicht alles auswendig, herr – drinnen tut's auch gut! Laßt mir noch 'nen Tropfen!.»

Schwatzte dazu albernes Zeug, von diesem Mädchen und jenem: Theaterklatsch, sie rührte mit dem Goldquirl in ihrer flachen Schale, dirnengeschwätz.

Ned Lippincott schluchzte.. «Bin hergelaufen!, sie zur Grand-Jury abzuholen. Ich war mit ihr dort; da hat sie's mir gesagt. Jetzt, spricht mit ihrem – Mann! Da konnte ich's nicht mehr ertragen, spricht sie mit Rogers, woher ich's weiß? Eileen hat mir's selber gesagt! Sie sind erst heute mittag zurückgekommen; Eileen hat zu mir geschickt, in der Pause.»

Ich traf sie wieder auf Elmer G. Am Riverside-Drive, warrens Fest. Frau war, traf sie dann, als sie Klaus Steckeis, des alten Zuckerkönigs, unter dem Wetterdach der Oper in Chikago. Nach zehn langen Jahren – hier in Cannes, und nun.

Ging hinaus., nickte sie. Knickste. «Alles!.»

Es war mühselig genug; jeden einzelnen mußte ich erst lockern, dann mit den Händen herausnehmen. Begann die Erde auszuwerfen, ich griff den Spaten. Benahm mich ungeschickt genug, nie im Leben hatte ich so ein Ding in der Hand gehabt.

Raleigh trat zu ihm, gab ihm sein Glas.

. «Lieber Herr; es war wirklich nicht allzu schwer. Die Broughams haben außer mit einigen alten Bekannten gestern abend mit niemand gesprochen. Der einzige Gast, daß die Lady Amerikanerin sei., das habe ich getan«, nickte er, waren Sie – Sie wußten, sichtlich geschmeichelt. »Sie wollte erst nicht mit der Sprache heraus; aber sie gab bei, als ich ihr den Grund der Abreise ihrer Herrschaft auf den Kopf zusagte und mein Zureden noch mit einem Goldstückchen unterstützte. Übrigens überschätzen Sie meine Kombinationsgabe, der sich nach ihnen erkundigte.»

Sie rückte ihren Schleier zurecht – eine Sekunde lang traf mich ihr tiefblauer Blick.

Wie Eileen Carter!, wie ihr.

Zehnmal recht! Nur begriff ich's nicht, natürlich hatte sie recht, verstand damals gar nicht, was sie wollte. Als sie zu mir kam – ihre Schuld zu bezahlen, faßte es erst.

Seligen Blicke! Und vermochten doch, nicht die Hornhaut zu schmelzen, damals, ihr blauen, in der ich stak!, oh.

. «Rogers!« fuhr sie fort. »God damn you!, sie haben mich betrogen.»

Da kam der junge Lippincott in die Halle. Grade auf Rogers zu.

Burton lachte auf.. «Ausgerückt! Hat sich gleich gedrückt, herr! Querfeldein – und wie er rannte!, als Sie ausstiegen.»

Sie wollte ihren Weg machen, und sie machte ihn. Mit dem einzigen Kapital, das sie hatte.

Alles hingewendet und her, hundertmal hab' ich mir das durchdacht. Heute weiß ich genau, was ich hätte sagen sollen – damals.

Fragte ich.. «Was wollen Sie?.»

Ich ahnte gut, was nun geschehn sollte. Dennoch flüsterte ich die Frage. «Was wollt ihr tun?.»

Nachtmahlte mit Raleigh, ich ging in den Speisesaal. Wir waren kaum fertig, daß eben Rogers komme; wir gingen also zurück in die Halle, als der Kellner uns zurief.

Ich trank also, tanzte und brüllte. Erst nach einer Stunde bemerkte ich Eileen in dem wilden Trubel – sie war wüst wie all die Weiber. Faßte meinen Arm, sie kam auf mich zu. Arbeitete an dem Korken, spritzte kreischend den Sekt ein paar Herren über den Frack, besann sich dann, zog mich zur Bar, wollte tanzen, ließ sich schreiend eine Flasche Ayala geben. Schenkte die Gläser voll, warf sich in ein Sofa.

Als Ned versagte – und mir gelang es, zu mir kam sie. Was ich tat, erschien ihr in hellstrahlendem Lichte; dafür hatte Burton gewiß gesorgt! Fast ein Held schien ich ihr.

Ein kleines Wort nur sollte ich sagen.

Eileen Carter, und sie ging. Ließ die Tür weit auf, ging aus dem Zimmer.

Eine wahnsinnige Angst ergriff mich; ich zitterte, die Zähne klapperten aufeinander. Dachte ich, jetzt holen sie dich. Werfen dich in die Wassergrube, schleppen dich zurück, holen dich, hinein zu Phil Carter. Nehmen den Pfahl – nageln dich auf die Leiche.

Zwei Wochen lang hörte ich nichts von ihr. Dann rief sie mich an, fragte, ob sie mich besuchen dürfte. Ich bat sie, zum Tee zu kommen.

Ganz unbewußt war das; nicht ein bißchen verstand ich in jenem Augenblick, warum ich das sagte. Es quälte mich maßlos – und sicher verstand sie, wie ich litt.

Es war der Pastor des Deutschen Seemannsheimes. Aber von jedem der Herrn Pfarrer nur Absagen bekommen hätte, er kannte wie all die andern den Fall natürlich aus den Zeitungen; ich setzte ihm auseinander, daß ich schon beim vierten Dutzend angelangt sei. Er lächelte, nahm aber seine Amtsbrüder in Schutz – sie müßten eben Rücksicht auf ihre Gemeinden und namentlich auf die Ältesten nehmen. Bei ihm sei das nicht so schlimm – seine Seeleute würden es nicht so genau nehmen.

Fuhr allein nach Hause, sie stieg in ihr Auto.

Und es gibt gewiß viele Tausende, ich hatte ihr einen großen Dienst erwiesen, die ihr genauso geholfen hätten, ich bilde mir nichts drauf ein; ich kenne Dutzende. Aber nicht zu viele drüben in Amerika und niemand in ihrem Heimatstaat, rhode Island. Diese abscheuliche Arbeit für sie zu tun, damals konnte sie keinen finden – keinen als mich, der närrisch genug war.

Es schien, als ob da etwas nicht ganz in Ordnung war. Die Leiche freizugeben und daß darum Rogers einen erbitterten Kampf kämpfte, eins war sicher: daß sich die Behörden bisher geweigert hatten.

Bis man klare Auskunft von ihm bekommen konnte., antwortete er. Aber es dauerte Minuten. «Zum Teufel?« brüllte Raleigh. Lippincott zuckte die Achseln. »Er hat verspielt!, was ist los.»

Rauchten, die Baumwollherrn saßen in der Halle, tranken Whisky. Die sich – mit ihm – nach seinem Tode abspielte, und sie sprachen von dem, wovon jedermann sprach in diesen Tagen: von Phil Carters Ende und von der Tragödie.

Als ich mich am Hotel von ihr verabschiedete, rief sie mich zurück.. «Gab mir einen Gepäckschein. »Wollen Sie das besorgen für mich? Und gleich herbringen?, oh – ich vergaß!« sagte sie.»

Zwei griffen die Leiche auf; an den Schultern faßte der eine und an den Kniekehlen der andre. Packten sie, warfen sie im Schwunge in das Loch, in dem das Wasser schon fußhoch stand.

. «Schöne Öffentlichkeit!« brummte der erste. »Bei dem Sauwetter um Mitternacht!« Er wandte sich wieder zu mir. »Also gut, wenn Sie durchaus die Öffentlichkeit vorstellen wollen, bleiben Sie.»

Ich riß an dem Pfahl, aber ich konnte ihn nicht lockern. Noch mehr Steine holte ich aus dem Loche – dann wieder Wasser und Schlamm. Glühheiß war ich im Augenblick und im nächsten wieder eisig kalt.

Als sie fortfuhr, aber nur eine Sekunde lang. Ihre Stimme zitterte nicht, sie stockte. «– einer der – Schinderknechte!.»

. «Log ich. »Die Haut ein wenig zerplatzt von der ungewohnten Arbeit., oh, nichts Besonderes«.»

Rief Burton.. «Nehmen Sie die Schöpfkelle!.»

Ich nickte. sagte ich.. «Was!, wenn ich nur wüßte.»

Und wie sie es sagte! Schneidend, scharf – ein Peitschenhieb in Rogers Gesicht!.

Fragte ich.. «Wer?.»

Ließ mir das Gepäck herausgeben, ich fuhr also zurück zum Bahnhof. Eine Golftasche war es – nichts sonst. Weiß Gott, ich ärgerte mich: Damit hätte sie, einen Hoteljungen beauftragen können.

Riß sich zusammen, rief nach Mantel und Hut., er trank. «Sagte sie, sagte er; »ich hab's Eileen versprochen.« Und ganz leise fügte er hinzu: »Sie hat gesagt – sie hätte mich genommen, rogers! Und darum nahm sie ihn., ich muß zurück«, wenn ich ihr hätte helfen können. Aber keiner konnte ihr dabei helfen, nur er.»

. «Ned hat mich betrogen«, fuhr sie fort, »wie Rogers mich betrog. Sie haben mich nicht im Stich gelassen – Sie nicht. Und also – darum kam ich her.»

In Schwarz natürlich, mit langen Ärmeln und hochgeschlossenem Kleid. Bleich war sie: dennoch war Farbe in ihrem Gesicht. Veilchenblau ihre Augen, blau, rotblond war ihr volles Haar. Nein, man konnte das nicht mehr blau nennen: tief violett waren sie, strahlend leuchtende Amethysten. Nie sah ich so große Augen nie so lange, dunkle, tiefschattende Wimpern.

Wandte sich nicht, schritt aus dem Raum, stand auf.

. «»Herr!, herr!« jammerte Burton.»

Als ob die Wut und der Schmerz ihn umwürfen, wieder ließ er sich in seinen Stuhl fallen.

Ich fühlte – du sollst ihr nachkommen, sollst sie zurückholen.

Ned Lippincott sprang aus einer Tür, dann brauste der Zug herein. Und daneben aus dem Fenster lehnte, eileen Carter, tief verschleiert.

Fragte ich – nur um etwas zu sagen.. «Alles?.»

Blut drang mir heiß ins Hirn. Ich sprang auf.

Fragte ich.. «Warum auffallend?.»

Noch einmal ihr Blick, dann ging sie zur Tür. Wie im Traume hörte ich die Worte. «Ned wird gleich kommen.»

Das war alles. Aber zwei Zeilen waren angestrichen am Rande. «Eh, pourquoi ne me l'avez vous pas dit? Vous m'auriez eue comme tous les autres!, mon dieu.»

. «Sagte Burton. »Kann ich's zerreißen?, herr«, ist verdammt nett von Ihnen.»

So versagten Neds Vorbereitungen in New York wieder vollständig, war in Warwick alles am Schnürchen gegangen. Unser seltsames Gepäck sollte in Empfang genommen und sogleich besorgt werden, ein Pfarrer sollte uns abholen. Dem ich telegrafiert hatte, außer meinem Diener, aber niemand war am Bahnhof. So blieb mir nichts andres übrig, als unsere Kiste einstweilen bei der Aufbewahrungsstelle abzugeben. Daß ich abends in ihrem Hotel, das nicht weit von meiner Wohnung lag, anrufen würde, ich gab Eileen meine Adresse und versprach ihr. Dann verabschiedete ich mich.

Mußte ich mich zurückbiegen, unser Tisch stand in der Ecke, ich saß mit dem Rücken zum Zimmer; um in den Spiegel zu sehn. Nur ein Tisch im Saal war noch besetzt, da saßen englische Herrschaften beim Bridge. Zwei Herren und zwei Damen; ein weiteres Paar stand daneben. Während der Herr mit den Spielern plauderte, starrte die Dame ganz offensichtlich zu unserm Tisch herüber.

Ich hatte Glück. Ich kam wirklich nach Warwick. Ratterte durch die Stadt, hielt draußen vor dem Bahnhof.

Wir warteten endlos lange. Schließlich kam Ned mit seinem Auto. Die zur Ablösung kommen sollten, mit seinen Leuten in der Kneipe säßen und wohl da klebenbleiben würden, daß die zwei Männer, und daß inzwischen die Wachen ihren Posten endlich verlassen hätten, er berichtete.

. «»das erspart uns manche Verdrießlichkeiten. Wann gedenken Sie zu reisen?, danke«, sagte er.»

Ich begehrte diese Frau wie nie eine andre, nie zuvor und nie später. Wie die Lenzerde den Mairegen trinkt, ich sog den Trank ihrer Augen in mich hinein. Leise über ihre roten Locken zu streicheln, meine Fingerspitzen sehnten sich, ihre Haut zu berühren. Meine Blicke streiften das Kleid von ihr ab, vollen Brüste, dieses schlechte Trauerkleid einer kleinen Schneiderin aus Woonsocket; ich sah ihre jungen, ihre schlanken Hüften.

Ich war außer mir. Ich sprang nach vorn, riß dem Manne die Stange aus der Hand, warf sie auf die Straße.. «Das werdet ihr nicht tun!« schrie ich. »Das nicht!.»

Für mich noch immer kein Wort des Dankes.

Sie lehnte sich zurück in ihrem Sessel, trommelte mit der Hand auf der Lehne. Bog sich dann leicht vor, mir entgegen – voll sah sie mich an.

Eileen kam auf mich zu. fragte sie.. «Was ist's mit Ihren Händen?.»

Früh am andern Morgen machte ich mich an die Arbeit. Daß ich mich geirrt hatte, wenn ich glaubte, aber ich fand bald heraus, daß in dieser Beziehung die Weltstadt New York freigesinnter wäre als das Provinznest Woonsocket. Ich sprach mit einem Pfarrer nach dem andern, lief auf immer neue Friedhöfe, um einen Platz zu bekommen. Tagelang dauerte das; manchmal bekam ich halbe Zusagen, zuweilen glaubte ich schon am Ziele zu sein – jedoch zerschlug sich alles letzten Endes. Telefonierte fünfmal am Tage mit ihr, ich erstattete stets Eileen Carter Bericht, sah sie oft in der Halle ihres Hotels. Immer tiefer verschleiert wie im Zuge.

Wäre vollkommen zwecklos gewesen, einzuschreiten, ich nahm mich zusammen; jeder Versuch. Sie waren zu sieben – und sie waren im Recht, waren von der Behörde bezahlt für das, was sie taten.

Daß ich ihr meine Erlebnisse berichten sollte?, ich nickte – wollte sie.

Keinen Menschen trafen wir auf der Landstraße. Es schien, dämmrig war es, als ob es nie Tag werden wollte in diesem trostlosen Märzregen.

. «Rief ich, »wir treffen uns im Zug in Warwick!, fahr zu, ned«.»

Stellte den Pfahl mitten hinein – etwa vier Fuß hoch ragte er nach oben heraus, der Mann ging zu der Grube.

Dann Rogers wankende Tritte. Ging zur Haustür, rief nach einem Auto, er griff seinen Hut.

Draußen im Villenvorort, wo die Fabrikanten hausten. Eine Villa im Garten, wie all die andern. Ned führte mich ins Haus. – Wir legten ab. Kaum eine Minute wartete ich, dann ging die Tür: Eileen Carter stand vor mir.

Und der Spruch der Jury war einstimmig. Einstimmig auf klaren Verstand!.

Daß ich nie im Leben wieder einen Spaten anrühren würde. Übrigens dauerte es vier Wochen, bis ich wenigstens von der linken Hand den Verband abnehmen konnte; bei der rechten dauerte es noch viel länger. Die Andenken freilich trage ich heute noch – immer wieder fragen mich die Leute, der mit einer Krankenschwester fast zwei Stunden lang an meinen Händen herumdokterte. Es war kein Vergnügen; ich schwor, ich fuhr zu einem befreundeten Arzt. «So ein bißchen Gartenarbeit!, was haben Sie denn eigentlich mit Ihren Handflächen gemacht?« Ich antwortete dann so von obenhin: »Ach.»

Jetzt erst ließ ich das Steuer los – wollte es loslassen. Doch das ging nicht: Meine Hände waren festgeklebt mit Schmutz und Blut. Ich mußte sie losreißen – scheußlich sahn sie aus.

Er stotterte, stockte.

Ich griff wieder die Füße der Leiche, zog sie an die Kiste heran. Ich sah, hinten nachschleppte, wie der Kopf halbgelöst vom Rumpfe.

Das Hosenbein war in Fetzen, ich riß es herunter – abscheulich sah die Wunde aus. Ich hob ihn hoch, setzte ihn dort auf das Trittbrett, schleppte ihn an den Schultern zum Auto. Die Wunde blutete wenig, aber ganz augenscheinlich war der Knochen angeschlagen. Ich zog die große Whiskyflasche unter dem Sitz hervor, wusch mit dem Taschentuch die arg verdreckte Wunde, entkorkte sie.

Begrüßte mich, der Hoteldirektor kam vorbei. Ich hielt ihn fest, fragte ihn, wer die Herrschaften seien.

Die Leiche des unglücklichen Phil Carter in aller Stille verscharrt werden, mitten in der Nacht, im Augenblick war mir klar, was da vor sich ging: Hier am Kreuzweg sollte. Vom Schinder und seinen Gehilfen!, wie ein gefallenes Vieh, wie ein räudiger Hund.

Rief mir Burton zu.. «Tiefer fassen, herr!.»

Nein, das sei nicht schwer zu erfahren., davon wußte er nichts. Aber er würde mir's bald genug sagen können. «Ist die Lady Amerikanerin?« forschte ich. »Kennen Sie ihren früheren Namen?.»

Fragte ich.. «Was will sie von mir?.»

Der Dutzende von Millionen aus den Taschen harmloser Narren heraus und in seine Tasche hineingeweht hatte, damals hatte Warren grade seinen großen Schwindel mit den Erie-Aktien gemacht. Sechs große alte Firmen waren dabei zugrunde gegangen, tausende von Sparern hatten ihren letzten Cent verloren, vierzehn Selbstmorde hatte es gegeben. Manhattan heulte von Bowling-Green bis hinauf zum Bronx, die Zeitungen spien ihn an. Vierzehn Tage lang durfte er sich in Wallstreet nicht sehen lassen – dann war alles wieder vergessen. Mittlerweile lachte Elmer und gab ein Fest in seinem Haus am Riverside-Drive.

Aber vor mir leuchteten im Dunkel die Amethystaugen Eileen Carters. Ich mußte es tun. Und von neuem ergriff ich mit blutwunden Händen die Schaufel.

Ned ergriff meine Hand – ich schrie auf vor Schmerzen. heulte ich.. «Laß los, zum Teufel!.»

Der mir meine Arbeit außerordentlich erleichterte, aber grade dieser Selbstmord war es. Niemand war am Bahnhof, mich abzuholen; im Hotel fand ich die Nachricht vor, daß heute unmöglich eine Sitzung stattfinden könne.

Sah, ich wandte mich nach ihm um, wie er kopfüber hinstürzte. Ihm zu helfen, ich sprang gleich hin.

Wie ein Strafgefangener im Steinbruch arbeitete ich. Der kalte Regen wusch ihn herunter, der Schweiß rann mir vom nackten Leibe. Bis ins Gesicht spritzte mir der Schlamm.

Am nächsten Tage war alles in bester Ordnung. Daß ich die Anleihe abschließen sollte – und ich schloß ab, meine New Yorker Bank rief mich an. So hätte ich am Abend wieder zurückfahren können, wenn nicht plötzlich Ned Lippincott im Hotel erschienen wäre.

. «Nimm die Hacke!« befahl ich. »Wir müssen erst die Steine wegheben.»

Nie wird sie kommen. Sie, rhode Island, eileen Carter, die den ekelhaften Barett S, phil Carters einzige Tochter, aus Woonsocket. Rogers zum Manne nahm. Später Klaus Steckels aus Chikago heiratete mit all seinen Zuckermillionen, sich von ihm scheiden ließ. Die nach Steckels' Tode nicht lange Witwe blieb, eileen, marchioness von Atwood, die heute Lady Brougham heißt, sie. Eileen wird nicht kommen, nie wird sie zu mir kommen – und wenn die Hölle zufriert.

Eileen Carters Stimme, ganz hell, dann. «Daß du bleibst!, nein, ned! Ich will, du bleibst.»

Ratlos stand ich da in der ersten Dämmerung.

Man hörte sie mit dem Fuß aufstampfen. Dann einen Schrei. «Gehn Sie doch! Hören Sie denn nicht, gehn Sie doch, daß Sie gehn sollen!.»

Ich nickte.. «Ich werd' so schwitzen bei der Arbeit! Dann hab' ich nachher wenigstens trocknes Zeug.»

Ein Mann faßte sofort meinen Arm.. «Herr«, nicht zu stören. Hier geschieht nur, was das Gesetz verlangt., »Sie haben versprochen, mahnte er.»

Ned hatte für mich einen Platz im Pullmanwagen belegen lassen. Eileen Carter hatte ein kleines Abteil für sich; sie zog sich sofort dahin zurück, starrte in die Regenlandschaft wie Feuer brannten meine Hände. Nicht einmal sagte sie., kam nicht mehr zum Vorschein, bis wir in New York einliefen. Ich saß in meinem Sessel. «Danke.»

. «Ich weiß nicht«, zauderte ich. »Vielleicht –.»

Gab sie wieder um den Hals – es war, die Nackte, nun sich wieder ankleide von Kopf bis zu den Füßen, sie stand auf, nahm ihre Kette, als ob sie.

Riß das Hemd herunter, ich besann mich – was sollte ich ihm geben? Schnell zog ich Rock und Weste aus.

Wir griffen jeder einen Spaten, und schaufelten los. Aber es zeigte sich, als wir vermuteten, daß die Steine dort fester getreten waren.

Ihr Blick – was sagte ihr Blick?.

Fragte ich, suchte in meinen Karten.. «Welche Dame?.»

Wir fuhren los, im Bogen um Woonsocket. Scheußlich war das Wetter, daß wir ein übers andre Mal im Morast steckenblieben, die Straßen so aufgeweicht. Noch ehe wir ankamen, es klatschte und triefte durch den schlechten Überzug; wir wurden naß. Wir hielten ein paar Kilometer vor dem Kreuzweg. Ganz fern konnten wir eine Laterne sehn; dort standen die Posten.

Daß keine Golfstöcke oben herausstaken. Sie nestelte die Schnur auf., sie saß in der Halle, wartete auf mich. Ich gab ihr die Tasche – jetzt erst fiel mir auf, sagte sie.. «Burton gab mir das.»

Der Wagen gehörte dem Wasenmeister Woonsockets!, die andre an der Seite des Karrens; sie beleuchtete ein rotes Schild, eine der Laternen hing an einem Baum, das in weißen Lettern Namen und Gewerbe des Besitzers zeigte – ah.

, schloß er.. «Wenn die Broughams nicht gerade bei uns sind.»

, sagte sie still.. «Meine Schuld zu bezahlen, ich bin gekommen.»

Die Worte, sah hinten ein Zeichen stecken. Griff es wieder auf, ich legte das Buch auf den Tisch, schlug die Seite auf. Da las ich, an den Rand gekritzelt. «Daß Sie mich wollten – damals und immer und heute noch!, das weiß ich jetzt.»

. «Mein – Erbteil!« sagte sie. »Ich will es aufbewahren. Burton meinte, daß es für mich Bedeutung habe und für sonst niemand in der Welt.»

Wieder verbeugte ich mich.

Das Spiel langweilte mich, ich spielte unaufmerksam und verlor natürlich. Weil einer fehlte, konnte nicht recht aufbrechen, blieb am Tisch nur der Gesellschaft wegen. Stellte sich hinter mich, dann kam der lange Brockdorff ins Spielzimmer.

Ich trank ihr zu. «Ihr Wohl, eileen!.»

Damals nicht noch heute, daß ich's nie hätte sagen können, weiß auch.

Rogers versagte; das grausame Gesetz griff mit gierigen Klauen die Leiche des Vaters. Mag sein, daß der ihr herzlich gleichgültig war, solange er lebte – nun aber stand sie fest zu dem Toten. Sie mußte ihn haben, was auch geschehn möge. Sie suchte, suchte: Ned Lippincott fiel ihr ein; ihn ließ sie rufen. Sie erzählte ihm alles, fand ihn bereit. Hilflos, wie sie sich Rogers gab, ratlos, doch sofort entschlossen in rücksichtslosem Kampf um den toten Vater, sie gab sich ihm.

Eine, mannequin war sie damals, dem ersten der Welt., showgirl bei Florenz Ziegfeld. War dazu, der sie mit Brillanten behängte. Heute aber war sie Peeress von England Weit offen standen ihr die Tore am Hofe des Heiligen Jakob, die aus einem Bett in das andre stieg und nun von Elmer G. Warren bezahlt wurde. «Professional.»

In diesem Augenblick fiel ein heller Schlag – Holz auf Holz. Ein zweiter dann, ein dritter – immer mehr und ganz regelmäßig. Ah – mit dem Holzhammer trieben sie den Pfahl ein –, durch das Herz des Toten!.

Rogers stand noch immer unbeweglich.. «So geh doch!« rief Raleigh. »Laß deine Frau nicht warten!.»

Die Straße gabelte sich. rief ich zurück. Aber ich erhielt keine Antwort.. «Wo hinaus, burton?.»

Wie sie das gestern tat und damals in Chikago in der Oper, sie hob die Augen zu mir, ihre wundervollen Amethystaugen: Sie starrte mich an. Griff ein Kissen, ein Zucken ging durch ihren Körper: Sie straffte sich, grub beide Hände hinein. Plötzlich, mit ungeheurer Willensanstrengung, ich hatte das Empfinden, ohne Übergang, als ob sie nüchtern würde. Und das übertrug sich – mein rascher Rausch verflog im Augenblick.

Umsonst dazu – zwecklos und nutzlos!.

Ich armseliger Narr! Der sich verletzt fühlte und beleidigt war! Und darum sie nun beleidigte und erniedrigte.

6. Kapitel

Da fielen zwei Tränen über ihre Wangen. Und ihr Auge leuchtete wie ein einsames Nachtgestirn auf vereister Steppe, sie richtete sich auf.

Langsam, wie alle Offenbarung, es wuchs in mir die Erkenntnis, allmählich. So harmonisch, daß ich nicht einen einzigen Markstein bezeichnen könnte. Die ich Ihnen wiedergegeben habe, herr Sanitätsrat, die paar Einzelheiten, habe ich aus Tausenden herausgegriffen. Als ich zum ersten Male diese Frau sah – aber vielleicht begann es weit früher, das Wunder begann. Schon als einen ersten leisen Anfang ansprechen?, die ich in den Gedichten zum Ausdruck brachte, die zum Beispiel, muß ich nicht meine Gedanken.

Sie erzählt Märchen dem Baume, eine Fee aber ruht in dem kühlen Schatten, der ihr der Geliebte ist.

Wie man ihn auch nennen möge, ich gebrauche stets das Wort wählen. Aber Sie werden mit mir darin übereinstimmen, daß dieser Begriff, das Ursprüngliche und zugleich einzig Wirkliche ist.. «Während der Engländer »mouth«, herr Sanitätsrat, herr Sanitätsrat, so haben auch die verschiedenen Wissenschaften und Künste für denselben Begriff die verschiedensten Worte. Was ich »Gedanke« nenne, der Mystiker mit »See«, nur aus dem Grunde, den ich im Sinne habe, würden vielleicht das Wort »Psyche, wie der Italiener das Ding, der Arzt mit »Bewußtsein«; Sie, »bocca« nennt, möchte der Theosoph mit »Gott« bezeichnen, weil dieses Wort mir persönlich für den Begriff, am besten liegt. Wie die verschiedenen Sprachen für einen Begriff die verschiedensten Worte haben, gedanken«, der Franzose »bouche«, der Deutsche »Mund« sagt, mit dem wir sprechen.»

Um seiner Herrin einen Gürtel zu schaffen, da sattelte der blonde Gryph sein Roß und jagte durch alle Lande der Welt. Mit Hexen und Zauberern und erkämpfte die herrlichsten Gürtel, schlug sich mit Riesen und Rittern. Oder Bettlern in den Schoß, und rief, aber in den Staub warf er sie, seiner Dame Lenden zu schmücken, daß es armselige Lappen seien und nicht wert. Riß er ihn in Fetzen und schwur, und als er der Venus eigenen Gürtel dem gewaltigen Rodomont abgerungen, daß er einen Gürtel ihr schaffen wolle, wie ihn nie eine Göttin getragen. Den Zauberer Atlas erschlug er und raubte sein Flügelroß: Durch Sturm und Wind ritt er in die Luft und riß mit kecker Hand die Milchstraße herab vom Himmel.

. «Der damals die Gedichte vorlas?, »waren Sie es nicht, sagen Sie mal«, fuhr er fort und sah mich scharf an.»

Die die alte Erde,, teufelsblumen.

. «Machte auch insgeheim Gedichte., der Bohlen, ich wollte Ihnen was anderes erzählen, die Gedichte machen, daß die Leute, unterbrach er mich. »Aber gerade wegen der Gedichte tue ich das. Man sagt, der arme Kerl, gewiß«, alle Träumer seien. – Ich glaube.»

Einige Worte über die Dame zu sagen, es ist wohl nötig, der ich bei jenem Feste vorgestellt wurde. Frau Emy Steenhop war eine sehr auffallende Erscheinung, die alle Augen unwiderstehlich auf sich zog. Ich verzichte auf eine Beschreibung ihrer Reize; Sie möchten die Schilderung eines Verliebten vielleicht als starke Übertreibung belächeln. Das sie an ihn richtete, für jedes Wort, daß unter meinen Freunden und Bekannten nicht einer war, den sie nicht im Augenblick fesselte, der nicht glücklich war für jeden Blick, doch ist es Tatsache.

Das alles hat für Sie, ebensowenig Interesse wie für mich, herr Sanitätsrat. Beginnt erst am 22, die Geschichte, die uns angeht. Februar vergangenen Jahres. Schreibe ich es nieder – Zauberin kennen, die mich in einen Orangenbaum verwandelte, lächerlich zu scheinen, an diesem Tage lernte ich bei einem Faschingsball die auf die Gefahr hin.

Zum Lichte hat geboren,, sich vermählt.

Leichthin sangen ihre bleichen Lippen.

Daß bei allen Völkern der Welt die Rose als das Symbol der Liebe, dessen Geruch so täuschend ist, daß Sie im Dunkeln ihn von dem Dufte eines großen Veilchenstraußes nicht zu unterscheiden vermögen, daß es Zufall ist, so werden Sie niemals dieselbe Empfindung haben., keine von ihnen allen übt auf uns eine ähnliche Wirkung aus. Brechen wir aber ein Veilchen, so denken wir instinktiv Bescheidenheit. Dabei geht dieses seltsame Gefühl nicht einmal von dem für unsere Sinne Charakteristischsten der kleinen Blume aus, das Veilchen als das der Bescheidenheit gilt? Es gibt Hunderte von kleinen duftigen Blumen, das heißt von ihrem Duft. Nehmen Sie das Parfüm, die ebenso versteckt und verborgen blühen wie das Veilchen, glauben Sie. «Vera Violetta.»

Sie fragte. «Daß ich ihn in einen Myrtenbaum verwandelt habe?, glauben Sie.»

Denn du wirst mein Herz zerschneiden.

. «Später, und ruhe in deinem Schatten. Ruhe bei dir, sagte sie, woher ich kam. – Aber ich will dir schreiben. – Und dann, Übers Meer«, wenn die leichten Winde in deinen Zweigen spielen, »dahin, komme ich wieder. Komme zu dir, wenn du draußen blühst, liebster, dann, später, liebster, und träume mit dir unsere süßesten Träume.»

Daß ich das nach reiflicher Überlegung und mit einer wohldurchdachten Absicht tue. Denn im Grunde genommen handelt es sich doch nur um einen Kampf zwischen uns beiden, ihrem Wunsche nachkomme und die Seiten des Heftes, so wollen Sie mir glauben, der seit drei Tagen hier untergebracht ist. Die Anklage, dem leitenden Arzt dieser Privat-Irrenanstalt und mir, ausfülle, das Sie mir gegeben haben, daß ich ist dann im Nu von Ihnen weggeblasen., daß er mit Vorliebe juristische Phrasen wählt! –, wegen der ich hier gewaltsam untergebracht bin – entschuldigen Sie einem Studenten der Rechte, wirft mir vor, verehrter Herr Sanitätsrat, dem Patienten, ihnen, wenn ich. «Daß ich ein Mensch sei wie alle anderen, an der fixen Idee leide, daß das eine »Vorspiegelung falscher Tatsachen« sei – gelingt es Ihnen, mich von dieser Ihrer Meinung zu überzeugen, so bin ich ja »geheilt«, versuchen Sie den Beweis zu erbringen, so haben Sie mit diesem Beweise zugleich mich den Lebenden wiedergegeben: Die »Nervenkrankheit, herr Sanitätsrat, daß ich lediglich infolge einer Fülle nervenzerrüttender Aufregungen von einer krankhaften Einbildung befallen sei wie viele Tausende von Kranken in allen Sanatorien der Welt, ein Orangenbaum zu sein«. Nun, nicht wahr? Wenn Sie mir beweisen.»

Diese schwere Kupfervase.

. «Sie wenigstens zu retten. Ich glaube, daß er sich in geistiger Umnachtung das Leben genommen hat., warten Sie!« sprach der Oberst weiter. »Ich hoffe, was ich Ihnen sage, daß Leutnant Bohlen tot ist, daß das, genügen wird.»

Schlug die Königin der Schlangen.

So bringst du es zu Ende, »Wenn du mich liebst. Zu dir kommen, liebster! Werde ruhen in deinem kühlen Schatten und dir süße Sagen erzählen, – Oh, ich werde kommen.

Der Oberst schüttelte den Kopf.

– –.

. «Nein!« sagte er. »Kein Wort! Er schreibt nur: Ich verschwinde nun. Ich bin kein Mensch mehr. Ich bin ein Myrtenbaum.»

Meine Hauswirtin kam früh in mein Zimmer. Sie schnupperte in der Luft herum und sagte:.

Leichthin kosten ihre großen Hände.

In einem langen, dann kam sie herein, gelbseidenen Teekleid. Drehten sich dort zu leichten Krönchen, die schwarzen Haare fielen von dem glatten Scheitel über die Ohren, so wie sie Lucas Cranachs Frauen tragen. Ein violetter Schimmer leuchtete aus ihren Augen, sie war ein wenig bleich.

Das ich dem Obersten gab, mit keinem Gedanken dachte ich mehr an das Versprechen.

. «Herr Oberst!« sagte ich. »Sie haben von Ihrem Standpunkt aus zweifellos richtig gehandelt., ich danke Ihnen.»

Seinen martialischen Schnurrbart auf den weißen Unterarm drücken zu dürfen. Frau Emy Steenhop hatte uns alle so am Fädchen, das gleiche tun werden –, es ist begreiflich, daß niemals in ihrem Hause auch nur das Allergeringste vorkam, daß der Klatsch der Kleinstadt sich sehr bald mit der auffallenden Fremden beschäftigte, der – jedenfalls die höhere Bildung des Schreibers dokumentieren sollte. Ich kann versichern – und bin überzeugt, das gegen die strengste gesellschaftliche Form verstieß. Ein Handkuß – das war das einzige, daß alle die Herren, und zwar allen – gestattete; einzig der kleine Husarenoberst hatte das Vorrecht, die jemals die Ehre hatten, was die Dame ihren Verehrern –, daß wir artig wie Pagen in fast ritterlich-romantischer Form unserer Herrin dienten., die täglich ihren schneeweißen Mercedeswagen durch die Straßen steuerte. Bald gingen die abenteuerlichsten Gerüchte von Mund zu Mund über nächtliche Orgien in der Koblenzer Straße; das lokale Hetzblättchen brachte gar einen Aufsatz, von Frau Emy Steenhop empfangen zu werden. «Eine moderne Messalina« überschrieben war und in seinen Anfangsworten – »Quousque tandem.»

Wie die Mystiker, schrittchen für Schrittchen, aber das ist das Falsche, langsam, wie sich der Mensch aus der Amoeba primitiva entwickelte. Sie ist unendlich und nie vollendet, wie ein Blitz, käme. Sie wird kommen, daß alle die Menschen, die, an eine solche Offenbarung des glaubten und sich mit ihr beschäftigten, daß sie plötzlich, stets annahmen, darum wird sie auch nie vollkommen sein., wie sich die Sonne aus dem Nebelfleck, wie sie kam. «Logos.»

Aus Sonnenstrahlen gewoben, ja, herr Sanitätsrat, so war unser Leben: ein Märchen. Eine verlorene Vergangenheit atmeten wir ein; eine nie geahnte Zukunft wuchs aus unseren Küssen.

. «Was aus Harry Bohlen geworden ist?, wissen Sie.»

Antwortete der Oberst nachlässig.. «Tun Sie, was Ihnen beliebt!.»

Rief er.. «Ihre Hand darauf!.»

Jedes Wort ruhig abwäge. Ich bedaure herzlich die Auftritte, oder sonst einen gesunden Menschen plötzlich hinterlistig in ein Irrenhaus brächte, sie wollen bedenken, verehrter Herr Sanitätsrat, daß, daß meine Verwandten und Korpsbrüder lediglich mein Bestes wollten, daß ich ganz nüchtern denke, als sie mich hierher brachten. Und nicht nur beugen., sie sehen, er auch nicht viel anders sich benehmen möchte. Unsere stundenlange Unterredung von gestern abend aber hat mich völlig beruhigt; ich sehe ein, wenn man Sie, die ich vorgestern machte; es betrübt mich sehr, daß ich durch mein albernes Gebaren den Frieden Ihres Hauses störte. Sie wollen das den vorangegangenen Aufregungen zugute halten. «So muß auch der größte Skeptiker sich vor dem sogenannten » Wunder, herr Sanitätsrat, wollten«; ich glaube, daß es wirklich so das Beste ist. – Denn wenn es mir gelingt, einen Psychiater von europäischem Rufe wie Sie, von der Richtigkeit meiner Aufstellungen zu überzeugen.»

Ich sagte mir: Beide können sich täuschen, die menschliche Nase ist ein so schlecht entwickeltes Organ.

. «Orangenblüten – Orangenblüten«, »wie herrlich sie duften!, sagte sie langsam.»

Nach der Schlange.

Und gelockt von diesen süßen Klängen.

Mitten in der Blutorange!«.

. «Damals beneidete ich Sie fast«, sagte er nachdenklich; »unsere Fee erlaubte Ihnen, ihr zweimal die Hand zu küssen. – Waren es Ihre eigenen Gedichte? Es kam so was von allen möglichen Blumen drin vor.»

. «Trinken Sie! Bacchus ist der Feind der Venus., so viel Champagner wie in dieser Woche ist bei uns seit Jahren nicht getrunken worden – aber geschmeckt hat er keinem. – Trinken Sie, um meinen grauen Schnauzbart auf ihre weiche Haut zu pressen. Und ich sehe es meinen Offizieren an, hat mir gestanden, und ich fürchte; er ist nicht der einzige gewesen. Ich kämpfe mit meinem Galgenhumor meine geheimen Wünsche herunter, den ich vorgestern auf Urlaub sandte, träumereien?« wiederholte er. »Sie nennen es Träumereien. Man kann es auch Wahnsinn nennen. Aber das ist gewiß: Unser armer Kamerad ist daran zugrunde gegangen. Er glaubte sich verzaubert. Waren wir denn nicht alle ein wenig von der schönen Frau verhext? Bin ich alter Esel nicht wie ein Schulbub um sie herumgeschwänzelt? Ich sage Ihnen, daß es ihnen nicht anders geht. Der Oberleutnant Graf Arco, bleibe jede Nacht als letzter im Kasino und gebe ein – gutes Beispiel. Ich versichere Sie, zu ihrer Villa zu gehen, daß er fünf Stunden lang im Mondschein vor ihrem Hause auf und ab gelaufen sei, daß mich jeden Abend eine maßlose Sehnsucht überfällt.»

Erwiderte ich.. «Ja, ich habe die Gedichte selbst gemacht.»

Dann fuhr sie fort:, ich nickte.

Da rauschte ich aus den dichten Zweigen:.

Da erschrak ich nicht. Jede Sekunde bei ihr war eine Ewigkeit, noch durften meine glücklichen Arme sie umfangen.

Lachte sie einmal.

. «Erst heute abend?« fragte sie. »So wissen Sie nicht –« Sie unterbrach sich: »Aber natürlich wissen Sie!« lächelte sie. »In den paar Stunden hat man Ihnen längst alles erzählt!.»

Mich faßte eine grenzenlose Enttäuschung, die mein Gesicht sofort verriet.

. «»wir wollen Tee trinken!, setzen Sie sich, sagte Frau Emy Steenhop, mein Freund«.»

Den Wahrheitsbeweis anzutreten, auf der anderen Seite habe ich als Angeschuldigter das Recht. Es ist der Zweck dieser Zeilen, sehr geehrter Herr Sanitätsrat, sie, von der Unanfechtbarkeit meiner Behauptungen zu überzeugen.

Trotzdem geschah es, daß urplötzlich ihr Haus verödete. Ich war zu dem Geburtstage meiner Mutter am 16. Daß durch einen Befehl des Obersten den Offizieren seines Regiments der weitere Besuch in dem Hause der schönen Frau verboten sei, mai nach Hause gefahren; als ich zurückkehrte, hörte ich zu meinem Erstaunen. Die Korps waren sofort diesem Beispiel für ihre Angehörigen gefolgt. Meine Korpsbrüder teilten mir mit, daß für ihr Vorgehen lediglich der Regimentsbefehl maßgebend sei; es sei unmöglich, ich fragte nach dem Grunde, daß in einem vom Husarenregiment gemiedenen Hause Korpsstudenten verkehren könnten. Weil alljährlich so viele Korpsangehörige bei den Husaren dienten oder dem Regiment als Reserveoffiziere angehörten, in der Tat hatten in dieser Beziehung von jeher die beiden Korporationen aufeinander Rücksicht genommen, schon aus dem Grunde.

Er überhörte den Einwurf.

Daß ich ihr jeden Abend Orangenblüten bringen möchte, sie hatte den Wunsch ausgesprochen. Flüsterte sie:, als ich ihr eines Abends wieder die weißen Blüten überreichte.

Drängte ich.. «Was ist also mit Bohlen?.»

Aber Leben hob sich in der Vase.

Wie ihre Wünsche in mich hinüberglitten, dann fühlte ich, schmeichelnd Besitz nahmen von meiner Seele.

Goldreifen zog mit bunten Steinen.

Oder sie nahm meinen Kopf eng in ihren Arm, berührte die Schläfen mit den schmalen Fingern.

, sagte ich fest.. «Ich werde sogleich meine Sachen packen und den Mitternachtzug nehmen.»

Ich las die Zeilen ganz ruhig, dann steckte ich den Brief in die Tasche. Ich zerriß den Brief an meinen Vater.

. «Herr Oberst! Ihre Anordnungen und die der Korps sind gewiß für Ihre Offiziere und die Korpsstudenten bindend. Für mich sind sie es nicht. Ich kann heute noch aus meiner Verbindung austreten und bin dann Herr meiner Handlungen.»

. «Nun muß ich dich bald lassen.»

Die vom Munde.

. «Ihnen die Blüten zu bringen., gnädige Frau!« sagte ich. »Ich fand bei meiner Rückkehr Ihren Brief vor. Ich habe mich beeilt.»

Heraus aus dem Mund.

. «Rief er, der mir diese Rede hält! Zwei meiner Leutnants und einer Ihrer Korpsbrüder waren schon vorgestern bei mir. Ich habe den beiden Leutnants Urlaub erteilt, junger Mann«, hören Sie! – Ein Opfer ist genug!, sie sind bereits abgereist; Ihrem Korpsbruder habe ich denselben Rat erteilt. Auch Ihnen kann ich nichts anderes sagen. – Sie müssen vergessen, »Sie sind der vierte.»

Sagte sie.. «Was du über die Orchideen schriebst!, lies mir das vor.»

Er strich mit seinem Zeigefinger über meine Mundwinkel, als ob er sie glätten wolle.

. «Herr Oberst«, aber, »was sollen denn jetzt diese Gedichte? Sie wollten .., warf ich ein.»

Ich erwiderte. «Ich weiß, was die Leute sagen.»

– –.

Dann hob sie den Kopf und sagte:.

Daß ein Eukalyptusbaum den Gedanken an nackte, woher kommt es, sich sehnend ausbreitende Frauenarme erweckt? Daß Asphodelos uns unwillkürlich an den Tod mahnt? Daß die Glycene uns das Bild eines blonden Pfarrerstöchterleins vorzaubert, die Orchidee aber uns an Hexensabbat und schwarze Messen erinnert?.

. «Ich war verreist«, sagte ich, »zu dem Geburtstag meiner Mutter. Ich bin erst heute abend vor einigen Stunden zurückgekommen.»

Rings umrahmt von Botticellis Nattern.

Sie nahm die Zweige aus meiner Hand und führte sie zum Gesicht.

Und immer klarer, o kristallklar wurden die Harmonien unserer Träume. Einmal unterbrach sie mich mitten in einem Liede.

Streute sie darauf.

Ich goß den Champagner hinunter und beugte mich vor.

Sie schrieb:.

Sie werden, bei meiner Meinung zu der juristischen Doktorprüfung ein eingehendes curriculum vitae finden, beim Durchsehen meiner Papiere, das alle äußeren Einzelheiten enthält, die sich ja zur Zeit in Ihrem Gewahrsam befinden, herr Sanitätsrat. Mein Jahr als Einjähriger in einem Berliner Garderegiment abdiente, im achtzehnten Jahre mein Abiturientenexamen machte, auf verschiedenen Universitäten als Student der Rechte meine Jugend genoß, dazwischen eine Reihe größerer und kleinerer Reisen machte und zuletzt in Bonn mich auf die Referendar – und Doktorprüfung vorbereitete, daß ich der Sohn eines rheinischen Industriellen bin, ich kann mich daher hier sehr kurzfassen; Sie werden aus dem Schriftstück entnehmen.

. «Du brauchst nicht zu sprechen; es duften deine Gedanken.»

Als sich Lilith.

Aber mein Jagdhund wird sich nicht täuschen lassen: Seine Nase ist unfehlbar.

Süßer Schmerz; ich erwachte davon, das war ein leiser. Ich sah sie neben mir kauern, auf dem weichen gelbweißen Felle. So seltsam starrten ihre Augen mich an.

Sprang ihr die kleine Fürstin der Schlangen.

Dann erzählte sie.

Zu der Herrin kam er zurück und küßte ihren weißen Fuß. Um ihre Hüften schlang er den Gürtel, auf dem als Geschmeide viel tausend Sterne funkelten. «.

Wie ein Kinderreim erklang ihr Fluchen.

Ich ging durch einen weiten Garten zur Mittagszeit, einmal träumte mir. An dem runden Springbrunnen vorbei, durch eine Pergola mit zerbrochenen Marmorsäulen. Glatte Rasenflächen, und über lange. Der funkelte über und über von glutroten Blutorangen, ich sah einen Baum. Daß ich dieser Baum war, da wußte ich.

. «Donnerwetter, mit Ihnen scheint's wirklich noch schlimmer zu stehen als mit den anderen!.»

Und in unendlicher Lust dehnte ich mich und streckte meine vollen Äste, der leichte Wind spielte in meinen Blättern. Über den weißen Kiesweg kam eine Frau gegangen, in weitem gelbem Gewande. Aus tief violetten Augen streichelten mich ihre Blicke.

Ich ließ mich melden, und das Mädchen führte mich in den kleinen Saal. Das darüber lag, ich setzte mich auf den Diwan und streichelte das weiche Guanakofell.

Deshalb – weil der Gedanke daran in diesen Blumen und Bäumen lebt.

Dann kamen die letzten Nächte. Einmal sagte sie mir:.

. «Natürlich hat man!« fuhr sie fort. »Und Sie haben doch den Weg hierhergefunden? Ich danke Ihnen.»

Rund herum.

Da las ich ihr:.

Kriechen seitwärts aus der Kupfervase.

Und gelockt von ihren müden Küssen.

Das wirklich ist, das ist das einzige, der Gedanke, das ist das Primäre, nicht wahr, ja. Es ist ein knabenhafter Unfug, die Materie als etwas Wirkliches aufzufassen. Was ich sehe, als ich es mit meinen paar Sinnen auffasse, kann ich schon vermöge der unvollkommensten Hilfsmittel als ganz etwas anderes erkennen, fasse und greife, das. Durchsichtige Kugel; ein Mikroskop zwar, wie es die Kinder als Spielzeug benutzen, ein Wassertropfen scheint meinen erbärmlichen Menschenaugen eine kleine, lehrt mich, daß er ein Tummelplatz der wildesten Infusorienschlachten ist, klare. Wie wir es über die Instrumente Äskulaps tun, das ist eine höhere Einsicht – aber nicht die höchste; denn zweifellos wird man in hundert Jahren selbst über unsere glänzendsten wissenschaftlichen Hilfsmittel ebenso lächeln. Die ich den wunderbarsten Hilfsmitteln verdanke, es ist also die Erkenntnis, ebensowenig wirklich wie die meiner armseligen Sinne. Sie ist immer anders als ich sie begreife, wenn ich auch die Materie fassen mag. Aber ich kann nicht nur das Wesen der Materie niemals völlig erkennen, sondern sie hat überhaupt kein Sein. Werfe ich ein Stück Zucker in den Tee, so ist er im Augenblick verdampft, spritze ich den Wassertropfen gegen den heißen Ofen, schmilzt er. So habe ich Scherben, aber keine Tasse mehr, zerschlage ich dann die Schale, aus der ich trinke. Wenn aber ein Sein im Handumdrehen in ein Nichtsein verwandelt werden kann, es überhaupt als ein Sein anzusprechen, so lohnt es sich nicht. Ist für alle Materie das eigentliche Wesen, der Tod, das Nichtsein, das Leben ist nur eine Vereinigung dieses Wesens für eine unendlich kleine Zeitspanne. – Der Gedanke aber des Wassertropfens, des Stückchens Zucker bleibt unvergänglich, verdampfen, er kann nie zerbrechen, zerschmelzen. Ist dieser Gedanke also nicht mit viel größerem Rechte als Wirklichkeit anzusprechen als die flüchtige Materie?.

Wenn meine Krone funkelt von tausend goldenen Früchten, dann wollen Sie die schönsten brechen und in ein Körbchen legen, und noch eins: In jedem Sommer. Das senden Sie ihr.

Wenn die Liebste.

Fragte ich.. «Was tust du?.»

Der Oberst strich seinen Schnauzbart.

Er richtete sich auf.. «Die sie am leichtesten fängt. – Ich will Sie warnen, »die Träumer, herr, und die Träumer«, so gut ich es vermag., das sind augenscheinlich die, spann er seinen Gedankengang weiter.»

Doch nicht schneid sie mit dem Messer.

Sie lächelte.

Der Brief war vor zehn Tagen geschrieben, an dem Tage, als ich nach Hause gefahren war. Blüten zu haben, und sie hatte darauf den Wunsch ausgesprochen, ich hatte am Abend vorher ihr erzählt, daß ich in dem Treibhaus eines Gärtners blühende Orangenbäume gesehen hätte. Vor meiner Abreise, ihr die Blüten zu senden, war ich zu dem Gärtner gegangen und hatte ihn beauftragt, gleich am anderen Morgen.

In Gabriel d'Annunzios Farben.

Sagte der Oberst.. «Ja!.»

Ich schwieg und drehte meine Blüten.

. «Still!« flüsterte sie. »Ich lausche deinen Träumen.»

Rings umrahmte.

. «Astolf.»

Ohne einen Widerstand zu kennen, dazwischen die Entwicklung: ruhig fortschreitend, stark selbstbewußt. Nicht nur der Seele, auch des Leibes. Sagte ich Ihnen nicht schon, herr Sanitätsrat!, daß all mein Fleisch mit dem süßen Duft getränkt sei? – Überzeugen Sie sich doch.

Während der ich keine Blüten in meiner Wohnung hatte, ich wartete dann einige Tage. Eines Morgens nahm ich das Tier mit in die Schwimmanstalt. Rief ich:, als ich aus dem Wasser stieg.

Was ich jetzt anfangen sollte, ich dachte mir nichts dabei, ich hatte keine Ahnung. Aber ich fürchtete mich. Ich zerriß den Umschlag und las:.

Die ich küßte, sie streckte mir die Hand hin.

Ihr die feuchte Erde trank.

Aber Lilith sammelte die Tropfen.

. «Wenn ich Alcina wäre«, »möchtest du ihr Astolf sein?, sagte sie.»

. «Es war ein schrecklicher Unsinn!« sagte er wie zu sich selbst. »Entschuldigen Sie«, fuhr er lauter fort, »ich verstehe von Gedichten gar nichts, daß sie auch sehr schön waren. Die Fee fand das ja., durchaus gar nichts. Möglich.»

. «Was dann kommen wird, astolf?, du weißt.»

Orchideen.

Er machte sich los und sagte:.

Mit Botticellis krausen Gedanken.

Sie verstand diese Sprache und hob den weißen Arm. Sechs goldenen Früchten, brach einen Zweig ab mit fünf.

Oh, nächte hindurch erzählte sie mir. Märchen und Geschichten, uralte Sagen. Immer schloß sie die Augen dabei. Wie ein Klingen von silbernen Glöckchen tropften ihr die Worte vom Munde:, wenig nur öffneten sich ihre feinen Lippen.

. «Jetzt fängt es an.»

Sagte ich.. «Ja, herr Oberst!.»

So ging ich noch denselben Abend in das Husarenkasino, um vielleicht Einzelheiten zu erfahren, da mir Harry von Bohlen persönlich nahestand. Vermied es aber, der Oberst empfing mich sehr liebenswürdig, lud mich zu einem Glase Sekt ein, auf die Angelegenheit zu sprechen zu kommen. Sie zu beantworten, als ich ihm endlich offen meine Frage stellte, aber sehr kurz ab, lehnte er höflich. Ich sagte:.

Sie sah mich fest an und fuhr fort:.

. «Daß der Fall Bohlen nicht der einzige bleiben würde? – Und ich danke dafür, mein Offizierskorps in einen Myrtenwald verwandelt zu sehen!, wenn ein so blasierter Weiberheld wie Arco einsame Mondscheinpromenaden macht, junger Herr, wenn ein so prosaischer Kerl wie ich das Jucken nicht loswerden kann, mußte ich da nicht befürchten, nun sehen Sie.»

Dachte ich, weil sie Gelb trägt, das ist.

Daß sie sich wand und zischte.

Die er kräftig schüttelte, ich streckte ihm die Rechte hin.

Sie wird schreiben, sie weiden von ihr hören, herr Sanitätsrat.

. «Aber kommen Sie mir wieder – ohne dieses – trübsinnige Lächeln!, lumpen Sie meinetwegen ein bißchen, amüsieren Sie sich, in dem Arco und Ihr Freund abgestiegen sind; grüßen Sie beide von mir, recht so!« rief er und schrieb ein paar Worte auf seine Visitenkarte. »Hier der Name des Hotels.»

. «Hören Sie also!« sagte er sehr ernst. »Heute vor sieben Tagen kam Leutnant Bohlen nicht zum Dienst. Ich schickte in seine Wohnung, der Staatsanwaltschaft alle Schritte getan, hatte keine Schulden, war gesund und sehr glücklich in seinem Beruf als Reiteroffizier. Hinterlassen hat er nichts als ein kurzes Schreiben an mich – dessen Inhalt ich Ihnen in seinen Einzelheiten nicht mitteilen kann., die inzwischen verflossen ist, ohne jeden Erfolg. Und trotz der kurzen Zeit, er war verschwunden. Wir haben mit Hilfe der Polizei, bin ich für meine Person von der Fruchtlosigkeit aller weiteren Bemühungen überzeugt. Äußere Gründe sind nicht vorhanden. Bohlen war vermögend.»

Ich richtete mich auf.

»›Du raubtest meinen Gürtel‹ sagte Flordelis zu ihrem Ritter; ›so bring mir einen anderen, der meiner wert ist!‹.

Auch den Offizieren selber sei er unbekannt, den Grund des Vorgehens des Obersten kenne man nicht. Doch vermute man, für das man auch nicht die geringsten Gründe sich zusammenreimen könne, daß er mit dem urplötzlichen Verschwinden des Leutnants Baron Bohlen zusammenhänge.

Zischte, zischte.

Ihnen eingehend erzählen, glauben Sie mir, die ich mit der Dame verbrachte, wort für Wort jede unserer Unterhaltungen wiedergeben, herr Sanitätsrat! Ich könnte jeden der vielen Abende. Nicht das leichte Spiel ihrer Augenbrauen vergessen, ich würde nicht eine Handbewegung, wie in Erz ist das alles in mein Gedächtnis eingemeißelt. – Ich will Einzelheiten herausgreifen, wesentlich scheinen, das Sie von mir wünschen, die für das Bild.

Nachdem Sie Ihren Irrtum erkannt, auch mir bei meiner von Stunde zu Stunde realere Formen annehmenden Baumwerdung hilfreich Hand leisten werden., in dies Heft einen möglichst ausführlichen Lebenslauf meiner Person zu schreiben, daß Sie, auch alle meine Gedanken über das, sie baten mich, was Sie meine . – Ich will bis aufs kleinste Ihren Wünschen nachkommen, in der bestimmten Voraussetzung. «Daß es sich für Sie, aus dem »Munde des Kranken selbst ein möglichst getreues Krankheitsbild zu erhalten, fixe Idee« nennen. Ich verstehe sehr wohl, wenn Sie das auch nicht aussprachen, darum handelt, einen pflichttreuen Diener der Wissenschaft.»

Mit beringtem Finger.

Als sie Villiers las.

Als sie leise lächelnd.

Den tausend leuchtenden Blütenkerzen, auch nicht das geringste mit dem zu tun, ebenso hat das Gefühl, den breiten Blättern, das uns in der Nähe eines blühenden Kastanienbaums gegen unseren Willen erfaßt, der Gedanke der ewig siegenden Männlichkeit, was unsere Sinne zuerst fesselt: dem mächtigen Stamm. Erst durch Überlegung kommen wir zu der Erkenntnis, offenbart, daß es hier der kaum bemerkbare Duft ist, die Seele des Baumes, der uns den Gedanken.

. «Wohin wirst du gehen?.»

. «Wie gut das riecht! Haben Sie wieder Orangenzweige da?, oh.»

. «Komm!.»

Orchideen.

, rief er.. «Trinken Sie, trinken Sie.»

Er ist so groß und schön, ihre Anstalt liegt in einem weiten Parke; ich bin heute morgen darin gewandelt. Meine Worte haben Sie überzeugt, die so nahe ist, die Erfüllung zu hemmen, oh, sie haben es getan! Wenn also die Stunde kommt, herr Sanitätsrat, ich weiß, so versuchen Sie nicht. Wo die Kaskaden plätschern, dort hinter der großen Wiese werde ich stehen. Herr Sanitätsrat, der Gärtner vom Bonner Talweg versteht sich ja auf Orangenbäume, sie werden mich pflegen lassen, er wird Ihnen Anweisungen geben, ich weiß. Denn ich will ja nicht verkümmern, damit sie sich freue an meiner Pracht, ich will wachsen und blühen.

Rief ich. Der Oberst richtete wieder seinen forschenden, mitleidigen Blick auf mich.. «Aber das sind ja dumme Träumereien!.»

Und Huysmans liebte.

Teufelsblumen. «.

Als sie Maeterlincks Schweigen verstand.

»Mein Freund! Vergessen Sie nicht, die Orangenblüten heute abend zu bringen.

Und wie sie lachte.

. «Ali! Apport! Such die Blüten!.»

Das alles ist durchaus nichts Neues; haben doch Milliarden von Menschen zu allen Zeiten daran geglaubt – oder glauben heute noch daran –, daß die Seele sich auch in Tieren zeigt. Zum Beispiel, die Lehre Buddhas, hat ja die Theorie der Seelenwanderung aufgenommen. Die Seelen von manchen organischen Wesen zu erkennen, was hindert uns, daß die Zeit gekommen ist, felsen Seelen beizulegen, bäumen, daß er fähig ist, ich glaube, einen Schritt weiterzugehen und Quellen, die den menschlichen Verstand so weit entwickelt hat, wie man es – vielleicht nur aus poetisch-ästhetischen Gründen – in Hellas tat? Ja.

Das Lager, eines Nachts hatte die Frau, auf dem wir ruhten, die ich Alcina nannte, ganz mit Orangenzweigen bedeckt. Die sie eng an meinen Hals preßte, zitterten die feinen Nasenflügel, wenn sie mich umschlang.

In der schweren Kupfervase;.

Dann fuhr sie lauter fort:.

Orchideen.

. «Das weiß ich nicht«, ich werde es niemals wissen., antwortete er. »Und ich fürchte.»

Aber sie entzog mir die Hand. Sie sprach – und aus ihrer Stimme klang eine solche Gewißheit, daß ich zitterte. «Ich glaube es!.»

Da schlug die schönste der Teufelinnen.

Da sagte sie ganz leise. «Ich wußte ja, daß Sie kommen würden.»

Daß auch mich plötzlich eine seltsame Angst faßte., er sprach so ernst, so eindringlich. «Nie wieder jenes Haus zu betreten!, verantwortlich sei. Und ich habe das Gefühl – nichts als ein Gefühl, nicht nur für meine Offiziere, sehr liebenswürdig von Ihnen, wenn Sie meinen Rat befolgen würden. Ich war nun einmal der älteste, einen Narren, das anzuerkennen!« spottete er. »Aber Sie würden mich mehr verbinden, gewissermaßen der Führer bei dem Hexenkult in der Koblenzer Straße; nun ist es mir, als ob ich für alle, aber ich kann es nicht loswerden –, als ob noch mehr Unheil von jener schönen Frau ausgehen würde. Nennen Sie mich einen alten Toren, aber versprechen Sie mir.»

. «Nicht wahr?, um hierherzukommen. – Sie kamen, weil Sie mußten, sie brauchten keinen Vorwand.»

Ich verbeugte mich.

So plaudern die beiden.

Ich lachte und glaubte, daß sie scherze. Daß sie recht hatte, – Aber ich habe mich später überzeugt.

. «Wie es die anderen getan haben. Arco ist mit Ihrem Korpsbruder zusammen nach Paris gefahren, das beste ist, gehen Sie doch auch dahin! Das wird Sie zerstreuen; Sie werden die Zauberin vergessen., sie verreisen auf ein paar Monate.»

Mit der Waffe ins Gesicht. Das Blut spritzte, die nach meinen Torheiten mich keinen Augenblick mehr allein ließen, mir den Brief herauszugeben; als sie das weigerten, hatten bemerkt, die sie geschrieben. Ich riß den scharf geschliffenen Schläger von der Wand und eilte auf die Straße. Ich rief ihnen zu, daß sie mit ihren Händen das Papier berührten, der ihn hielt, meine Korpsbrüder kümmerten sich wieder um mich, was Sie die nennen, und was doch eine so leichterklärliche Selbstverständlichkeit war. Meine Freunde, als ich das vom Fenster aus sah, nahmen sie ihn auf der Straße dem Boten ab. Heute weiß ich sehr wohl, schlug ich dem, das, daß ihre Augen die Schrift lesen wollten, den ich ihm entriß. Ich sprang auf mein Zimmer, wurde mir rot vor den Augen; eine Entweihung schien es mir, die meinen Eltern telegrafierten. Dann kam der Wutausbruch, daß sie eine neue Aufregung mir fernhalten wollten. Aber in dem Augenblick, ihr Brief, daß sie eine gute Absicht leitete, mehr als mir lieb war. Sie waren es, befleckte den Brief, verriegelte mich und las die Zeilen., daß ich stets auf den Briefträger lauerte. Und als der Brief kam. «Katastrophe.»

Weit streckt er ringsum seine-Äste aus, und ein Duften von Hochzeit und Liebe erfüllt um ihn die Luft. Weiße Blüten heben sich aus den Blättern, und dazwischen funkeln die goldenen Früchte.

. «Alcina!, brich dir von meinen Früchten.»

. «Daß ich vor zehn Tagen schon den Brief schrieb. Und sie sandten mir ja auch gleich die Blüten., lügen Sie doch nicht!« rief sie, »Sie wissen.»

Aber ich hatte seit Tagen keine Blüten in meinem Zimmer gehabt.

Er goß wieder die Gläser voll und fuhr fort:.

Ich habe solche Blüten bei mir versteckt, wenn ich im Garten spazierenginge, der von meinem Fleische ausgeht., herr Sanitätsrat, dem Diener auf dem Gange sagten, so werden Sie wieder den Duft riechen, wenn das dem Hund mit seinem hochentwickelten Geruch passierte, nun, sorgfältig mein Zimmer durchsuchen und die Orangenzweige entfernen. Ich nehme Ihnen das nicht übel; Sie glaubten, nachdem Sie mich gestern abend verließen, wenn Sie denselben Irrtum hegten, wie Sie, brauchen Sie sich nicht zu wundern, und hielten es für Ihre Pflicht, alles das fernzuhalten, was mich an erinnere. Herr Sanitätsrat, als Sie bei mir Zweige vermuteten. Ich hörte, er möge, sie hätten Ihrem Diener die Mühe sparen können Er kann stundenlang täglich suchen und wird nicht eine kleine Blüte finden. Aber wenn Sie wieder mich besuchen. «Meine fixe Idee.»

. «Sagte der Oberst, daß er von der Zauberin – von Frau Emy Steenhop in einen Myrtenbaum verwandelt worden sei., ja«, »ein Myrtenbaum! Er glaubt.»

Aber meine Augen antworteten ihr, ich sprach nichts. Und dann sagte sie:.

Ariosto: Orlando Furioso. Ges. I, vIII.

Sie schloß die Augen – und langsam sprach sie meine Verse zu Ende.

Emy Steenhop. «.

Wo über schneeige Marmorschwellen kühle Bergwasser springen, wo sich große Falter zwischen Magnolienblüten wiegen und weiße Pfauen einsame Träume sinnen, wo die grünen Flächen sich dehnen, da steht ein Baum.

Nun sind wir Menschen, stickstoff, ebensosehr Materie wie alles um uns; jeder Chemiker kann uns mit Leichtigkeit nachweisen, aus wieviel Prozenten Sauerstoff, herr Sanitätsrat, wasserstoff wir bestehen. Anzunehmen, wenn aber in uns der Gedanke sich offenbart – welches Recht haben wir, daß er sich in anderen Materien nicht offenbaren sollte?.

Nimm die Blutorange!, liebste.

Unbegrenzt ist, warum sollte es ihm nicht freistehen, der also unendlich, die die Theologen dem sogenannten persönlichen Gott beilegen, der alle die Eigenschaften hat, ewig, ebensogut in allen anderen Dingen in Erscheinung zu treten? Ich kann mir wenigstens angenehmere Wohnplätze denken als die Hirne so mancher Menschen, wenn nun dieser losgelöste Begriff, in unserm Hirn sich offenbart.

So umschlang sie mich – so., und wie um Stamm und Zweige sich des Efeus grüne Ranken schmiegen. «Liebster«, sagte sie, »Liebster!.»

Er lächelte.

Und er rauscht in den Winden ihr seinen Duft zu, sie spricht.

Weich und müde.

Der Jagdhund hob den Kopf hoch, schnupperte ein paarmal in der Luft herum und kam dann ohne Bedenken auf mich zu. Er beschnupperte mich immer wieder: Es war mein Fleisch, aber der Jagdhund beroch sie kaum, ich ging in meine Badezelle und wies ihm die Kleider, an dem er den Duft roch.

Um alle die schmalen Finger.

Ich sprach Ihnen von meinen Gedichten, die ich einmal der Dame vorgelesen habe und die der Oberst so schrecklichen Unsinn nannte. Das mögen sie sein – ich habe kein Urteil darüber. In menschlicher Sprache die Seelen einiger Blumen wiederzugeben, es ist auch weiter nichts als ein stammelnder Versuch.

Wie eine süße Musik spielte es durch meine Schläfen, wie ein Sang von tanzenden Sonnenstrahlen:.

. «»du duftest wie die Blüten!, sagte sie, mein Freund«.»

Und Geifer spritzte.

Ich nickte wieder und fragte:.

Gibt's unter uns, von denen man nichts weiß!«.

Dann klingelte sie.

Die ich still im Garten brach.

. «»aber .., ja«, stammelte ich.»

. «Mich einen Augenblick geduldig anzuhören«, fuhr ich fort. »Jedem andern mag es vielleicht nicht so schwerfallen, das Haus in der Koblenzer Straße zu missen. Er wird manchmal mit leisem Bedauern an die schönen Abende sich erinnern und sie schließlich vergessen. Ich aber .., ich bitte Sie.»

. «Lachte ich, schöne Frau«, wenn Sie das wünschen, »will ich es gern glauben.»

. «Was ist aus ihm geworden?.»

Die durch Liliths Fluch mit Schlangengeifer.

Krochen langsam aus der schwarzen Erde.

Aber ich fühlte wohl, der in großen, einladungen, bis ich von Paris zurück bin. Dann streckte ich doch die Hand aus – und zog sie wieder zurück. In demselben Augenblick ärgerte ich mich über diese Dummheiten und griff nach den Briefen. Ein paar Rechnungen, ich lief sofort nach Hause, in drei Stunden abzureisen. Meine Koffer standen noch gepackt da, geschäftsempfehlungen – dann ein violetter Umschlag, warum ich die Briefe nicht anschauen wollte. Ich wog den Brief prüfend in der Hand, und ich wußte doch, in der festen Absicht, daß ich ihn lesen mußte. Ich hatte nie die Schrift gesehen, mir nach Paris Geld zu senden. Als ich nach einem Umschlag suchte, die während meiner Abwesenheit angekommen waren. Ich dachte Die können liegenbleiben, daß es die ihre war. Plötzlich sagte ich halblaut, steilen Buchstaben meinen Namen trug. Ich wußte sogleich Das war es, fiel mein Blick auf ein paar Briefe und Karten, ich nahm einige Sachen heraus und tat andere hinein. Dann setzte ich mich an den Schreibtisch und schrieb meinem Vater einen kurzen Brief, in dem ich ihm von meiner Reise Mitteilung machte und ihn bat. «Sagte ich, liest du sie. Ich warf das Geldstück auf den Tisch, nein, ich will sie nicht lesen«, »ich lese sie nicht., das Wappen fiel nach oben. – »Also gut«, sagte ich. Ich nahm eine Münze aus der Tasche und dachte: Ist der Kopf oben.»

Und ich weiß, wie anerkannt Sie sind, herr Sanitätsrat, sie sind Psychiater. Ich habe Ihren Namen oft gelesen, daß Sie durchaus neue Gedanken entwickelt hätten, man sagt Ihnen nach. Daß nie ein Mensch allein sogenannte neue Gedanken hat, so habe ich eine Hoffnung, und weil ich nun glaube, sondern daß diese zu gleicher Zeit in den verschiedensten Hirnen in Erscheinung treten, daß Ihre neuen Gedanken in bezug auf die menschliche Psyche sich vielleicht mit den meinen decken könnten. Eben dies Gefühl läßt mich Ihnen gegenüber ein so unbegrenztes Vertrauen fassen.

Herrlicher als vorher, keine Sekunde, größer, in der der Gedanke sich nicht offenbart, es vergeht keine Stunde. Immer, immer mehr erkennen wir diesen Begriff, der alles ist.

So wird für uns diese Offenbarung wohl dort zu Erscheinung werden., bis es sich eines Tages in einem Kopfe in seiner ganzen Größe selbst offenbart. Denn da das menschliche Hirn von aller Materie auf dem toten Sternchen, nur in ihren Anfangsworten hinauskommen, für die Faust-Natur des Philosophen besteht die Glaubenslehre, das wir Erde nennen, nun einmal das Vollkommenste ist, die die Kulturvölker angenommen haben. «Im Anfang war das Wort.« Und sie stocken alle und werden nie über das geheimnisvolle »Logos.»

. «Daß in meiner Stimme ein Klang zitterte, und weshalb erließen Sie den Befehl?, sagen Sie mir, und ich fühlte, sagen Sie mir, was ist aus Bohlen geworden, was Sie wissen!« bat ich, der ihn zwingen mußte zu antworten. »Um Gottes willen.»

. «Ich werde Sie Astolf nennen. Und wenn Sie wollen, ja, mögen Sie Alcina zu mir sagen.»

Nun bin ich fertig, herr Sanitätsrat. Mit List brachte man mich hierher, aber jetzt danke ich dem Schicksal, das mich hierhin führte. Die Aufregungen sind vorüber, in dieser wunderbaren Ruhe habe ich meinen Frieden wiedergefunden. Weiß, daß ich es zu Ende bringe, ich sitze in dem süßen Dufte, der von mir ausgeht, und fühle. Streben auseinander wie die Zweige, die Finger wollen nicht mehr zusammenhalten, schon wird mir das Schreiben schwer, herr Sanitätsrat, sie spreizen sich.

Er unterbrach mich.

Zu der sie ihren Hofstaat zu empfangen pflegte, ich sah auf meine Uhr – halb zehn; das war die Zeit. Ich ließ einen Wagen holen und zog mich um.

»Als der Teufel ein Weib ward.

Ich erwiderte. «Herr Oberst!, ja.»

Und die Seele badete.

Von der ich glaube, und eine solche größere Erkenntnis ist es, daß sie in meinem Hirn sich gespiegelt hat. Ich bilde mir nicht ein, oh, der einzige zu sein; ich glaube, daß nie ein Gedanke ein Hirn allein befruchtet. Aber in wenigen nur mag er Blüten treiben.

Rief ich.. «Was?.»

Sie sagte – und preßte ihr Gesicht eng an meine Brust. Ich fühlte, wie die feinen Nüstern auf meinem Fleische zitterten – minutenlang.. «Schweige!.»

Sie legte mir beide Hände auf die Schultern und sah mich an:.

An einem Nachmittag waren wir über den Rhein gefahren, vom Drachenfels hinab zum Kloster Heisterbach gegangen. Hinter den efeuumrankten Ruinen hatte sie sich aufs Gras geworfen. Ich saß neben ihr, hob die Brust und streckte weit die Arme aus, sog in vollen Zügen die linde Luft ein.

So machte ich einen Versuch. Ich ließ meinen Hund in Wohnung und Garten oft einen Orangenzweig apportieren; ich versteckte ihn dann sorgfältig, wenn ich rief Stets brachte er den Zweig nach kurzer Zeit aus dem verstecktesten Platz zurück., ihn zu bringen, lehrte ihn. «Such die Blüten!.»

. «Sagte sie und deckte die Augen mit den tiefen Wimpern, ja«, breite deine Zweige aus! Wie kühl ruht sich's in deinem Schatten!, »ja.»

»Oh, wie viel Zaub'rer, wie viel Zauberinnen.

Vor dem Spiegel ihre bleichen Züge.

Frau Emy Steenhop bewohnte damals seit etwa zwei Monaten eine geräumige Gartenvilla in der Koblenzer Straße, die sie mit viel Geschmack hatte einrichten lassen. In dem allabendlich die Offiziere der Königshusaren und die Mitglieder der angesehensten Korps sich versammelten, sie führte ein offenes Haus. Es ist richtig, daß das nur aus dem Grunde geschah, doch bin ich überzeugt, weil Frau Steenhop, wie sie häufig lachend erklärte, weibergeschwätz für den Tod nicht ausstehen mochte, daß keine Damen bei ihr verkehrten. Ebensowenig verkehrte die Dame jemals in einer Bonner Familie.

Wenn ich da draußen in der Sonne stehe, vollendet aber wird das Wunder sein, weiße Blüten und goldene Früchte trage.

Ihren alten Fluch.

Die schwarzen Haare zum schweren Knoten schlang.

Ich ergriff ihre Hand, um sie zu küssen:.

Er schenkte die beiden Kelche voll und schob mir mein Glas hin.

Ich fuhr zu dem Gärtner und ließ mir Blüten abschneiden. Und dann, endlich, war ich vor ihrer Villa.

Warf ich ein.. «Schreibt er das?.»

Müde wie die Küsse.

Nimm die Blutorange,, »Liebste.

Und die lehrt uns, denn da der Gedanke überhaupt keine Grenzen kennt, sondern auch jede andere Materie beliebig zu durchdringen vermag, so ist die Materie für ihn nicht die geringste Schranke. Kein einsichtiger Mensch kann sich heute den Wahrheiten – die freilich relativ sind wie alle anderen – der monistischen Weltauffassung entziehen, blätter und Blüten eines Orangenbaumes?, und auf der anderen Seite des nicht nur den Menschen, warum also nicht Stamm, daß wir Menschen als Materie uns in nichts von jeder anderen Materie unterscheiden. Wenn ich das zugeben muß. «So kann ich nur zu dem einen Schluß kommen, gedankens« Sein – in seinem eigentlichen gewaltigen Sinne – mich in jedem Augenblicke zur Anerkennung zwingt, daß der »Gedanke, den übrigens tausend Beispiele bestätigen.»

Augenscheinlich kann der Begriff, alle Formen und Gestalten annehmen; die Tatsache allein, daß ich oder ein anderer das denken kann, ist schon ein vollgültiger Beweis dafür., den ich nenne. «Gedanken.»

Einmal sagte Frau Emy Steenhop:.

Und die bleichen Züge.

Schwarze, feuchte Erde.

Aus dem Tagebuch eines Orangenbaumes.

Feuchte Erde.

. «Herr Oberst!« drängte ich. »Ich weiß ja nichts und kann nirgends etwas erfahren. Steht das Verschwinden Bohlens in einem Zusammenhang mit Ihrem Befehl?, so klären Sie mich wenigstens auf.»

, sagte Alcina.. «Das ist schön.»

Sie stutzte einen Augenblick.

Wie wenig Muße unsere Zeit hat, verehrter Herr Sanitätsrat, sich mit alten Sagen und Geschichten zu beschäftigen, – Ich weiß. Während sie mir das nahe Bevorstehen eines entsetzlichen und doch süßen Wunders im Augenblick offenbarten, so werden Ihnen voraussichtlich diese beiden Namen gar nichts sagen. So würde Ihnen die schöne Fee Alcina wie mir eine alte Bekannte sein, wenn Sie Ariost kennen würden oder sonst eine Heldengeschichte des Cinquecento gelesen hätten. Sie fing Astolf von Engelland in ihren Netzen, den Haimons-Sohn Reinold von Montalban, den Bayardritter und viele andere Helden und Paladine, den gewaltigen Rüdiger. In Bäume zu verwandeln, wenn sie ihrer überdrüssig war, und sie pflegte ihre Geliebten.

Die ich nächtens einmal auf den Straßen Granadas hörte:, ein Zettelchen aber soll man hineintun mit den süßen Worten.

Alcina. «.

Herr Sanitätsrat, wissen Sie, was dann kam. Als ich eines Abends zu ihrer Villa kam, schellte ich vergebens. Sie war fort, ihre Villa geräumt. Ich setzte alles in Bewegung, rannte tagelang wie ein Narr umher. Aber ich versichere Sie, ich machte lächerliche Torenstreiche, herr Sanitätsrat, daß das alles nur auf die Rechnung des Verliebten zu setzen ist, dem seine Schöne plötzlich wie mit einem Zauberschlag entrückt war.